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Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Seitdem nehmen Menschenrechtsorganisationen diesen Internationalen Gedenktag zum Anlass, die Menschenrechtssituation weltweit kritisch zu betrachten.

In diesem Jahr, in dem sich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum 75. mal jährt, richtet sich die Betrachtung natürlich zu allererst auf die Tausende von Zivilpersonen, welche in den laufenden Kriegsgeschehen getötet wurden unter Missachtung des Humanitären Völkerrechts, unter Missachtung des ihnen garantierten Internationalen Menschenrechtes auf Leben.

Es besteht im Hinblick auf die beiden Kriege, die aktuell in der Ukraine und im Gaza-Streifen geführt werden, die berechtigte Sorge, dass diese Konflikte sich nicht nur ausweiten, sondern im schlimmsten Falle sogar in den Einsatz von Atomwaffen münden könnten. Diese Sorge gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern bereits dessen Androhung eine Verletzung sowohl des Humanitären Völkerrechts als auch des Menschenrechtes auf Leben bedeutet. Diese Feststellung wurde allen Staaten, die Atomwaffen besitzen oder danach streben, mit einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1996 ins Stammbuch geschrieben. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat daran in zahlreichen Resolutionen immer wieder erinnert.

Das Recht auf Leben (Right to Life) ist verankert in Art. 6 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) der lautet: „Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden.“ Der Schutzbereich dieses Artikels deckt sich mit dem Ziel des Humanitären Völkerrechts, das Leben der an der Kriegsführung nicht unmittelbar beteiligten Zivilbevölkerung zu schonen.

Die Tragweite des Right to Life-Schutzbereichs wird präzisiert und ausgelegt durch ein von den Vereinten Nationen eingesetztes Kontrollorgan, welches die Umsetzung und Einhaltung des UN-Zivilpaktes durch die Vertragsstaaten überwacht: den UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR).

Das CCPR hat in einer Allgemeinen Bemerkung zum Recht auf Leben (General Comment Nr. 36 vom 30. Oktober 2018) nicht nur die Feststellungen des IGH bekräftigt, sondern darüber hinaus für alle Staaten, die dem Vertrag beigetreten sind, verbindlich festgestellt,

-  dass sie alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um die Verbreitung von Atomwaffen – wie aller anderen Massenvernichtungswaffen - zu stoppen,

- dass sie es unterlassen müssen, solche Waffen zu entwickeln, zu produzieren, zu testen, zu erwerben, zu lagern, zu verkaufen, zu übertragen und zu nutzen,

- dass sie alle bestehenden Lagerbestände vernichten und angemessene Schutzmaßnahmen gegen unbeabsichtigte Verwendung treffen müssen,

- sowie unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle ihren Abrüstungsverpflichtungen nachkommen müssen,

- und Opfern, deren Recht auf Leben durch die Erprobung oder den Gebrauch von Atomwaffen beeinträchtigt wurde, angemessene Wiedergutmachung leisten müssen.

Vor dem dargestellten Hintergrund sind die in jüngster Zeit von zwei prominenten Persönlichkeiten (H. Münkler und J. Fischer) verlautbarten Empfehlungen, die Europäische Union möge sich zu Zwecken der Abschreckung mit Atomwaffen ausrüsten, schlichtweg empörend; denn sie zielen auf eine eklatante Verletzung von Völkerrecht ab. Die Mitgliedstaaten der EU sind in mehrfacherweise an die Gebote und Verbote des Humanitären Völkerrechts und der im Zivilpakt verankerten Menschenrechte gebunden: Sie sind alle dem UN-Zivilpakt beigetreten, und sie haben sich zusätzlich im EU-Vertrag verpflichtet, das Völkerrecht zu respektieren und insbesondere die Menschenrechte zu wahren und zu schützen (Art.2, Art.3 Abs.5, Art.6 Abs.1 bis 3 und Art.21 Abs.1 EU-Vertrag unter Einbeziehung der Charta der Grundrechte der EU sowie der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten).

Darüber hinaus ist es den Mitgliedstaaten, die keine Atomwaffen besitzen, durch den Atomwaffensperrvertrag (NVV) untersagt, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen oder sonstwie zu erwerben (Art.2 NVV). Und Frankreich - der einzigen Atommacht innerhalb der EU - ist es durch den NVV verboten, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber an einen Nichtkernwaffenstaat unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben (Art.1 NVV). Diese im NVV vereinbarten Verbote sind daher für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Die Bedeutung des NVV wird in allen Erklärungen der EU-Organe - des Parlamentes, des Rates und der Kommission - immer wieder hervorgehoben, und zwar einschließlich der Verpflichtung aller Staaten, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ (Art.6 NVV). Wir verweisen beispielhaft auf die Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 21.10.2020 zur Vorbereitung des 10. NVV-Prüfungskonferenz und auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15.12.2021 zu den Herausforderungen und Chancen für multilaterale Systeme der Rüstungskontrolle und Abrüstung in Bezug auf Massenvernichtungswaffen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich hat in einem Kommentar vom 08.12.2023 dem Ruf nach Atomwaffen für die EU widersprochen und hat sich dabei auf politische Argumente beschränkt: “Die EU braucht keine Atombombe. Für die Sicherheit sind andere Schritte nötig.“ (https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/atomare-gespenster-vertreiben-92718768.html) Wir halten es für dringend geboten, zusätzlich auch die völkerrechtlichen Aspekte einzubeziehen, welche der Europäischen Union und allen ihren Mitgliedstaaten nicht nur eine weitere Stärkung des NVV, sondern darüber hinaus einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag nahelegen.

 

Download der Pressemitteilung

von Bernd Hahnfeld, IALANA

7. Juni 2023
Download der pdf

Die Existenz von Atomwaffen lässt sich ebenso wie chemische und bakteriologische Waffen völkerrechtlich nicht rechtfertigen. Diese Waffen erfüllen keinen anderen Zweck als unvorstellbare Zerstörung herbeizuführen oder anzudrohen. Zivilen Nutzen haben sie nicht.

Ihre Entwicklung, Produktion oder Stationierung werden von den Staaten geheim gehalten.

EINREICHUNG AN DIE ALLGEMEINE PERIODISCHE ÜBERPRÜFUNG DES MENSCHENRECHTSRATS DER VEREINTEN NATIONEN
44th Sitzung der UPR-Arbeitsgruppe, November 2023

Eingereicht 5  April 2023 von:

 

IALANA Deutschland - Vereinigung für Friedensrecht, Deutsche Sektion der "International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)" (IALANA Deutschland)

und

Lawyers Committee on Nuclear Policy (LCNP)

Pressemitteilung vom 29.03.2023

In seiner Ankündigung einer künftigen gemeinsamen Nutzung russischer Atomwaffen mit Weißrussland hat der russische Präsident Vladimir Putin versucht, politische Kritik und juristische Bedenken seitens anderer Staaten im Voraus abzuwehren. Er behauptete, dass eine solche gemeinsame Nutzung möglich sei, "ohne in irgendeiner Weise unsere Verpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag zu verletzen“. Diese Erklärung ist jedoch ein untauglicher Versuch, die in mehrfacher Hinsicht bestehenden völkerrechtlichen Schranken beiseite zu schieben.

Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen („Atomwaffensperrvertrag“) verpflichtet die atomwaffenbesitzenden Vertragsstaaten, "Kernwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben“. Ferner verpflichtet er die Kernwaffenstaaten, keinen Nichtkernwaffenstaat zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen […] zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen“. Der Vertrag erlegt den Nichtkernwaffenstaaten die entsprechende Verpflichtung auf, nicht der Empfänger einer solchen Weitergabe oder Unterstützung zu sein.

Beitrag von Bernd Hahnfeld - Vorstandsmitglied IALANA Deutschland e.V.- vom 23.11.2021

 

Summary:

 

Entsprechend einer jahrzehntelangen Tradition hält Deutschland weiterhin Trägersysteme für die im Land stationierten US-amerikanischen Atombomben bereit. Im Einsatzfall werden die Atombomben mittels Tornado-Jagdbomber von Bundeswehrsoldaten transportiert und abgeworfen. Diese nukleare Teilhabe ist ein Teil des strategischen Konzeptes der NATO, das ohne Rechtsgrundlage von den Mitgliedsländern abgesprochen worden ist. Der Einsatz der Atombomben und seine Androhung sind durch das humanitäre Völkerrecht und das Menschenrecht auf Leben verboten. Zudem verstößt der Einsatz gegen den Nichtverbreitungsvertrag (NPT), der dem Nicht-Atomwaffenstaat Deutschland jede Mitverfügung über Atomwaffen verbietet. Durch die Entwicklung atomarer Trident-Raketen mit kleiner Sprengkraft für die Ohio-Klasse US-amerikanischer Atom-U-Boote haben die in Deutschland stationierten taktischen Atombomben ihre militärische Bedeutung ohnehin verloren.

 

1) Was bedeutet nukleare Teilhabe?

 

Die nukleare Teilhabe wurde von den teilnehmenden Staaten im Rahmen des Strategischen Konzeptes der NATO vereinbart. Dabei werden US-amerikanische Atomwaffen in den betreffenden Staaten gelagert, bewacht, gewartet und im Einsatzfall freigegeben. Die derzeit teilnehmenden Staaten Belgien, Deutschland, Italien, Niederlande und die Türkei1 stellen die Trägersysteme zur Verfügung und führen den Einsatz durch. Die Bundeswehr hat der NATO die Bereitstellung von 46 nuklearfähigen Trägerflugzeugen zugesagt. Sie hat in Büchel (Eifel) 44 Tornados des Jagdfliegergeschwaders 33 stationiert. Deutsche Soldaten werden dort im Einsatz von Atomwaffen ausgebildet.2

Zu einigen völkerrechtlichen Fragen, die gegenwärtig in der Diskussion sind

Von Bernd Hahnfeld und Amela Skiljan (IALANA)    24.1.21

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Pressemitteilung IALANA-Deutschland vom 2.6.2020

Die USA kündigen derzeit wichtige völkerrechtliche Verträge in Serie. Erst das Atomabkommen mit dem Iran, dann den INF-Vertrag. Jetzt – wieder ohne jede Absprache mit den europäischen NATO-Partnern - den Vertrag über den offenen Himmel von 1992. Schließlich müsste der bilaterale New START-Vertrag zwischen Russland und den USA, der im Februar nächsten Jahres ausläuft, dringend für weitere 5 Jahre verlängert werden. Russland ist dazu bereit; aber die USA wollen offenbar auch diese letzte noch bestehende Begrenzung für die Aufrüstung mit neuen strategischen Atomraketen loswerden, indem sie die Einbeziehung Chinas fordern, das schon entschieden abgelehnt hat.

Der Vertrag über den offenen Himmel ist kein Abrüstungsvertrag und dennoch ein wichtiges Ergebnis aus der Zeit der Beendigung des Kalten Krieges: ein Vertrag, der für gemeinsame Beobachtungsflüge der bisherigen Gegner in Ost und West “dem jeweils anderen den Himmel öffnet”.

weiter als pdf (open skies)


 

ICAN Deutschland
Körtestr.10
0967 Berlin

Herrn Bundesaußenminister Heiko Maas

 Berlin, den 19. Februar 2020

Betreff: Treffen am 25. Februar 2020 zum „Stepping Stones“-Ansatz

Sehr geehrter Herr Bundesminister Maas,

die u.g. Partnerorganisationen von ICAN in Deutschland begrüßen die aktive Rolle der Bundesregierung an der schwedischen „Stepping Stones“-Initiative und, dass sie Gastgeberin der zweiten Zusammenkunft der daran teilnehmenden Staaten ist.

Angesichts der jüngsten, negativen internationalen Entwicklungen in der Nuklearwaffenpolitik – Aufkündigung des Iran-Abkommens und des INF-Vertrags, Wiederaufnahme der Raketentests in Nordkorea, sowie das drohende Auslaufen des New START – bietet diese Form der multilateralen Zusammenarbeit eine Chance, nukleare Abrüstung wieder voranzubringen und den Nichtverbreitungsvertrag (NVV) vor seiner Überprüfungskonferenz 2020 zu stärken.

On November 21, Peter Weiss delivered the J. Michael Adams Lecture and Conversation at the United Nations.

He covered a range of topics, from decartelization to decolonization to human rights to the illegality of nuclear weapons, and more. In the Q&A, in response to a question from LCNP Board member Jonathan Granoff, he recalled that the 1981 founding of the Lawyers Committee on Nuclear Policy was inspired by a paper on international law and nuclear weapons whose lead author was Professor Richard Falk, a member of the LCNP Board.

A webcast of the event is linked at: http://webtv.un.org/watch/dgc-united-nations-academic-impact-j.-michael-adams-lecture-and-conversation/6106863250001/

Am 30.Oktober 2018 verabschiedete der UN-Menschenrechtsausschuss die "Allgemeine Bemerkung Nr.36" zum Recht auf Leben

 

In dem Text konstatiert der Ausschuss die Unvereinbarkeit von Atomwaffen mit dem Recht auf Leben. Die Bedrohung und der Einsatz von Atomwaffen könnten sogar eine völkerrechtliche Straftat darstellen.

Zur Bedeutung und Interpretation dieser Erklärung haben verschiedene Autoren der IALANA Texte verfasst, die in dieser kleinen Broschüre zusammengefassst veröffentlicht werden.

Hier das Inhaltverzeichnis:

  1. Ware, Alyn: Der UN-Menschenrechtsausschuss kommt zu dem Schluss, dass die Drohung mit dem Einsatz von Kernwaffen und deren Einsatz das Recht auf Leben verletzt ...........S.3

  1. Rietiker, Daniel: UN-Menschenrechtsausschuss: Drohung mit und Einsatz von Atomwaffen verstößt gegen das Recht auf Leben  …S. 11

  1. Clark, Roger S.: Der Menschenrechtsausschuss, das Recht auf Leben und Atomwaffen: Die Allgemeine Bemerkung Nr. 36 des Ausschusses zu Artikel 6 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte …S.20

  1. Weiss, Peter: Das Recht auf Leben vs. Atomwaffen: Eine gewagte Intervention des UN-Menschenrechtsausschusses …..…S. 30

Den Volltext finden Sie hier als pdf  

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