Das am 19.03.2019 verkündete Drohnenurteil ist seit dem 09.04.2019 im Internet. Da es als Ausdruck 43 engzeilige bedruckte Seiten umfasst, (der Umdruck ist 139 Seiten stark!), hat es wohl kaum jemand richtig studiert.
Hier zur schriftlichen Urteilsbegründung (pdf)
1. Schon die Leitsätze zeigen, wie tief das Gericht eingestiegen ist. Zum Beispiel:
LS 3: Die Exekutive hat im Völkerrecht (VR) keinen nicht justiziablen Beurteilungsspielraum. Das heißt, dass das Gericht ins VR einsteigen muss, was es auch getan hat.
LS 8: „Das Gebot der Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten ist […] Teil des Völkergewohnheitsrechts“: Das stammt aus dem Drohnenurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.04.2016 (Wolfgang Jung).
Die Kläger machen geltend,bei einem Drohnenangriff im Jahr 2012 in der Provinz Hadramaut nahe Angehörige verloren zu haben. Sie bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieses Angriffs, der nach ihrem Kenntnisstand bisher nicht von unabhängigen Stellen untersucht worden ist. Eine gegen die Vereinigten Staaten von Amerika gerichtete Klage wurde im Februar 2016 von einem Gericht in Columbia abgewiesen.Von dem US-Gericht wurde keine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Angriffs vorgenommen, weil dies als politische Frage betrachtet wordenwar. …..
hier jetzt die schriftliche Urteilsbegründung als pdf
Aus einer PE des ECCHR vom 19.3.19: OVG Münster gibt Klägern aus Jemen Recht
Im Fall „Bin Ali Jaber gegen Deutschland“ hat das Oberverwaltungsgericht Münster den drei Klägern aus dem Jemen in entscheidenden Punkten Recht gegeben. Deutschland müsse darauf hinwirken, dass die USA bei der Nutzung ihrer Militärbasis Ramstein das Völkerrecht einhalten. Bei diesen Angriffen werden immer wieder Unbeteiligte getötet.
Ihm seien zwar sieben Fälle bekannt, in denen mutmaßliche radikalislamische Kämpfer durch Drohnen zu Tode kamen, nachdem ihre Daten aus Deutschland an US-Geheimdienste weitergegeben worden waren: "Aber ich würde da keine Kausalität herstellen", sagte der Zeuge Wilhelm Dettmer in seiner Vernehmung am Donnerstagabend.
Von Wolfgang Janisch, Köln in SZ vom 27.4.2016
http://www.sueddeutsche.de/politik/drohnenkrieg-richter-lehnen-pruefung-ab-1.2969364
Berufung ist durch die Kläger eingelegt worden.
Erstmals erhalten Überlebende eines US-Drohnenangriffs rechtliches Gehör in
Deutschland: Das Verwaltungsgericht Köln wird am 27. Mai die Klage von drei
Jemeniten, die im August 2012 einen Drohnenangriff im Jemen überlebten und zwei
Verwandte dabei verloren, verhandeln.
aus einer PE des ECCHR
15. Oktober 2014 - Im Namen der Terrorismusbekämpfung haben die westlichen Staaten, insbesondere die USA, das Völkerrecht seit 2001 oft und an verschiedenen Orten gebrochen, ohne dass jemand ihnen rechtlich Einhalt gebieten konnte. US-Präsident Barack Obama beispielsweise hat Drohnenangriffe kontinuierlich ausgeweitet. Ein großer Teil dieser Angriffe trifft Afghanistan und Pakistan, eine Region, wo bewaffnete Konflikte herrschen und das Humanitäre Völkerrecht viel erlaubt, wenn es um die Tötung von Kombattanten geht. Doch auch andere Länder wie Jemen, fernab dieser Kriege, sind Schauplatz von Drohnenangriffen. Dort gibt es keine völkerrechtliche Rechtfertigungsmöglichkeit wie in Afghanistan oder Pakistan. Genau darum geht es in der Klage, die eine jemenitische Familie beim Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverteidigungsministerium, eingereicht hat.
Die Großfamilie bin Ali Jaber lebt in der Region Hadramout im Osten des Jemen, wo die USA regelmäßig Drohnenangriffe fliegen.
Überlebende eines US-Drohnenangriffs verklagen die Bundesregierung
„Ohne Deutschland wären mein Schwager und mein Neffe noch am Leben. Ohne Deutschland könnten die USA keine Drohnenangriffe im Jemen fliegen”, sagt Faisal bin Ali Jaber, der im Sommer 2012 einen Drohnenangriff im Jemen überlebt hat. Gemeinsam mit seinen Verwandten Ahmed Saeed bin Ali Jaber und Khaled Mohmed bin Ali Jaber hat er beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bundesregierung eingereicht.
Die drei Jemeniten fordern Deutschland auf, rechtlich und politisch Verantwortung für den US-Drohnenkrieg im Jemen zu übernehmen und die Nutzung der US-Militärbasis Ramstein (Rheinland-Pfalz) – insbesondere der Satelliten-Relais-Station – zu unterbinden. „Deutschland muss verhindern, dass die USA Ramstein weiter nutzen, um Tod und Zerstörung über mein Land bringen”, sagt Faisal bin Ali Jaber. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin und die internationale Menschenrechtsorganisation Reprieve unterstützen die Familie bin Ali Jaber bei der juristischen Aufarbeitung des Drohnenangriffs und bei der Klage.
Der US-Drohnenangriff auf Khashamir (29. August 2012)
Fünf Raketen, abgefeuert von US-Drohnen, schlugen am Abend des 29. August 2012 in Khashamir im Osten des Jemen ein. Faisal bin Ali Jaber, Ahmed Saeed bin Ali Jaber und Khaled Mohmed Naser bin Ali Jaber waren wie viele andere aus der Großfamilie bin Ali Jaber wegen einer Hochzeit in dem Dorf. Sie überlebten den Drohnenangriff, ihre Familienangehörigen Salim bin Ali Jaber und Walid Abdullah bin Ali Jaber aber wurden von den Raketen getötet, andere Verwandte sind bis heute traumatisiert. Fünf Tage vor dem Angriff hatte Salim bin Ali Jaber al-Qaida in einer öffentlichen Freitagspredigt in der Moschee angeprangert und die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich al-Qaida entgegenzustellen. Am Vorabend des Drohnenangriffes sprachen ihn drei mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder auf seine Predigt an. Salim willigte ein, sie am folgenden Tag zu treffen, um seinen Standpunkt zu erläutern.
Deutschlands Verantwortung im US-Drohnenkrieg
Eingebunden in den Angriff war die US-Militärbasis Ramstein. Über Ramstein werden Daten zu den Drohnen geleitet und ein Teil des Einsatzteams wertet dort Echtzeitbilder aus und unterstützt die Piloten. Doch die Bundesregierung weist bisher jede Verantwortung für den Tod von Zivilisten im US-Drohnenkrieg zurück.
„Ramstein ist entscheidend für den US-Drohnenkrieg. Die Bundesregierung muss der Nutzung dafür einen Riegel vorschieben – sonst macht sie sich am Tod unbeteiligter Zivilisten mitschuldig“, sagte Andreas Schüller, Leiter des Bereichs Völkerstraftaten und rechtliche Verantwortung beim ECCHR. „Drohnenangriffe dürfen nicht länger von Ramstein aus gesteuert werden, da darf sich Deutschland nicht hinter dem Truppenstationierungs-Abkommen verstecken.“ Das sieht auch Kat Craig, Legal Director von Reprieve, die die Familie bin Ali Jaber und andere Opfer von Drohnenangriffen in Verfahren in den USA vertritt, so: „Faisal und Tausende andere Zivilisten haben die Folgen dieser Kriegsführung am eigenen Leibe erfahren. Die europäischen Staaten müssen endlich Farbe bekennen und aufhören, die USA in diesem illegalen und mörderischen Drohnenkrieg zu unterstützen.“
PM_Jemen_Drohnen_Bundesregierung_2014_10_15.pdf (57,4 KiB)
Drohnen_Jemen_Klaeger_Kurzportraits_2014_10_15.pdf (86,9 KiB)