Fünfzig Jahre nach dem ersten Einsatz der Bombe und zehn Jahre nach dem ersten Gau eines Kernkraftwerkes hat der Internationale Gerichtshof (IGH) den Einsatz und die Drohung mit Nuklearwaffen für völkerrechtswidrig erklärt. Gut ein Jahr dananch gibt es jedoch immer noch keine Anzeichen dafür, daß die Nuklearmächte irgendwelche Konsequenzen aus diesem Gutachten zu ziehen beabsichtigen. Wenn es der UN-Generalversammlung 33 Jahre, nachdem sie zum ersten Mal den Einsatz der Nuklearwaffe als Verstoß "gegen die Gesetze der Menschlichkeit" und "Verbrechen gegen die Menschheit und Zivilisation" gebrandmarkt hat, endlich gelingt, den Internationalen Gerichtshof in die Auseinandersetzung gegen die Nuklearwaffenstaaten einzuschalten, sollte man das als Zeichen düfür werten, daß in der Weltöffentlichkeit die Chancen dafür gestiegen sind, die Menschheit von der Geißel der Nukleardrohung zu befreien...
Zu den Beratungen beim IGH habe ich ein Gutachten erstellt und dem Gerichtshof zugesandt:
von Dieter Deiseroth in Wissenschaft & Frieden , Heft 3 - 1996
Am 8. Juli 1996 hat der Internationale Gerichtshof (IGH)1 in Den Haag in einem von der UN-Generalversammlung eingeleiteten Gutachten-Verfahren nach Art. 96 Abs. 2 der UN-Charta2 eine Entscheidung3 getroffen, die für die internationalen Beziehungen, insbesondere für die künftige Rolle von Atomwaffen, von großer Bedeutung sein kann. Die deutsche Tages- und Wochenpresse4 und die Fernsehanstalten haben darüber bislang kaum berichtet. Die Kernaussage des Richterspruches (»advisory opinion«) lautet: Die Androhung des Einsatzes und der Einsatz von Atomwaffen verstoßen generell gegen das Völkerrecht und im besonderen gegen die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts.
Das »World-Court-Project«
Das Verfahren vor dem IGH, das mit dem Richterspruch des IGH vom 8. Juli 1996 endete, ist zu einem wesentlichen Teil Ergebnis eines erfolgreichen Zusammenwirkens von Nichtregierungsorganisationen (NROs) sowie von Diplomaten und Regierungsvertretern aus »atomwaffenkritischen« Staaten, vor allem aus der Bewegung der sog. Blockfreien.5 Ausgangspunkt war eine »Startveranstaltung« (»International Launch«) am 14. und 15. Mai 1992 in Genf. An jenem Wochenende schlossen im Genfer Hauptquartier der Vereinten Nationen drei weltweit tätige NROs, nämlich die Internationale Ärztevereinigung IPPNW (Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1985), die Juristenorganisation IALANA (International Association of Lawyers Against Nuclear Arms) und das in Genf residierende IPB (International Peace Bureau, Friedensnobelpreisträger des Jahres 1910) ein Zweckbündnis6. Dieses Zweckbündnis setzte sich unter der Bezeichnung »World Court Project« (Projekt Internationaler Gerichtshof) das konkrete Ziel, über Anträge einer UN-Sonderorganisation und nach Möglichkeit der UN-Generalversammlung ein Gutachten-Verfahren nach Art. 96 der UN-Charta beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag einzuleiten, um einen Richterspruch zu der seit Jahrzehnten umstrittenen Frage herbeizuführen, ob ein Einsatz von Atomwaffen und die Androhung eines solchen mit dem geltenden Völkerrecht vereinbar sind.
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Hier zum vollständigen Text (in der engl. Fassung)
IALANA (Hrsg.) , Atomwaffen vor dem Internationalen Gerichtshof | Dokumentation - Analysen - Hintergründe | mit einem Geleitwort von Bundesverfassungsrichter a.D. Dr. Helmut Simon, 1997, 419 S., ISBN- 3-8258-3243-0
Dort auch die deutsche Übersetzung aus dem Englischen durch das Bundespresseamt auf den Seiten 29 - 68