24. Februar 2021 in NDS | Karin Leukefeld sprach für die NachDenkSeiten mit Alexander Neu
Alexander Neu ist Abgeordneter der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag und Obmann im Verteidigungsausschuss. Vor wenigen Tagen erlebte er eine Überraschung: Die NATO hat ihre Mission im Irak von 500 auf 4.000 Soldaten aufgestockt, obwohl das irakische Parlament den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Irak gefordert hat. Die Abgeordneten im Verteidigungsausschuss waren nicht informiert. In den Medien wurde dieser Entschluss kaum thematisiert.
Veröffentlicht am 29.10.2020 von T.Wiegold in "augengeradeaus"
Der Bundestag hat einen weiteren Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS in Syrien und Irak und zur Beteiligung an der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte gebilligt. In namentlicher Abstimmung sprachen sich 431 Abgeordnete für den Regierungsantrag unter der Überschrift Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung fördern in Irak und Syrien aus. 209 Parlamentarier stimmten dagegen und sechs enthielten sich. Die Mission, die nach dem Ende der Aufklärungsflüge deutscher Tornados über Syrien und dem Irak etwas verändert worden war, soll mit einer geringeren Personalobergrenze als bisher weitergeführt werden.
Für das Mandat stimmte die Unionsfraktion geschlossen, die Fraktionen von SPD < 9 Nein, 2 Enthaltungen> und FDP sprachen sich mit überwiegender Mehrheit dafür aus. AfD, Linke und Grüne lehnten die Fortsetzung des Einsatzes geschlossen ab, wie der Bundestag auflistete:
Pressemitteilung der Kampagne "MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien" vom 23.03.2020
Die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ kritisiert den Antrag der Bundesregierung zur „Ergänzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte – Stabilisierung sichern, Wiedererstarken des IS verhindern, Versöhnung fördern in Irak und Syrien“ (Drucksache 19/17790) vom 11. März 2020. Darin fordert die Bundesregierung, dass die Bundeswehr in Irak und Syrien ab April 2020 für Luftbetankung und -transport zuständig ist. Darüber hinaus soll sie zukünftig einen Luftraumüberwachungsradar zur Verfügung stellen und damit die bodengebundene Luftraumüberwachung übernehmen. „Damit wird dem Beschluss des Bundestages vom 24. Oktober 2019, dass das Mandat der Bundeswehr zum Kampfeinsatz in Syrien zum 31. März 2020 enden soll, eindeutig widersprochen“, erklärt Susanne Grabenhorst, Sprecherin von MACHT FRIEDEN.
Gegen den Willen des irakischen Parlaments soll der Bundeswehreinsatz in Irak verlängert werden.
12. März 2020 Ein Artikel von: Tobias Riegel in NDS
Das widerspricht auch Ankündigungen der SPD. Dieses Vorhaben erscheint imperialistisch und anmaßend – und es lässt „russische Einmischungen“ im Vergleich zu jenen des Westens einmal mehr harmlos erscheinen. Zusätzlich wird der Erosion der Demokratie auch in Deutschland Vorschub geleistet. Hier der link zur BT-Drucksache, mit der die Regierung die Verlängerung begründet.
Das irakische Parlament hat im Januar eine Resolution beschlossen, die den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Land fordert. Die Resolution lässt laut Medien an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die Regierung wird aufgefordert, ihre Bitte um Beistand im „Kampf gegen den Terrorismus“ zurückzuziehen. Wie eine Ohrfeige – nicht nur für irakische Parlamentarier – muss nun eine aktuelle Entscheidung der deutschen Regierung empfunden werden, über die Medien berichten: Ein Abzug der Bundeswehr aus dem Irak wird verweigert, die Entscheidung des irakischen Parlaments wird in Berlin einfach nicht wahrgenommen.
Der in Ausweitung begriffene Einsatz der Bundeswehr im Irak gerät durch US-Bombenangriffe auf Einrichtungen der irakischen Streitkräfte unter Druck.
Erst in der vergangenen Woche hat das Bundeskabinett beschlossen, zusätzlich zur bestehenden Präsenz deutscher Truppen im Irak ein Radarsystem und Transportflieger in das Land zu entsenden. Dort eskaliert allerdings der Streit zwischen Bagdad und Washington, seit die US-Streitkräfte bei Vergeltungsangriffen für Attacken auf US-Stützpunkte vergangene Woche irakische Soldaten, Polizisten und Zivilisten getötet haben. Iraks zentrales Militärkommando fordert seither die Umsetzung eines Parlamentsbeschlusses vom 5. Januar, der den Abzug auswärtiger Truppen verlangt. Die irakische Regierung will die Vereinten Nationen mit einem Protestbrief veranlassen, die Vereinigten Staaten, Deutschlands engsten militärischen Verbündeten außerhalb der EU, wegen ihrer Bombenangriffe auf Liegenschaften ihrer irakischen Gastgeber zur Ordnung zu rufen. Berlin, das aktuell einen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat, schweigt dazu.
Umfassende Proteste und das frühere Versprechen der Bundesregierung, das Mandat im Oktober 2019 zu beenden, wurden weggewischt.
Die Bundeswehr beteiligt sich mit Billigung des Bundestags weiter ohne Mandat des Sicherheitsrats und gegen den Protest der syrischen Regierung an dem Regime-Change-Krieg in Syrien.
Mit Militärausbildern und Aufklärungsjets unterstützt die Bundeswehr den Kampf gegen den IS in Syrien und dem Irak - und das Verfassungsgericht stellt sich dem nicht entgegen.
Hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Wortlaut:
Warum die Linkspartei mit ihrer Klage gescheitert ist.
Eine Analyse von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion, vom 10.10.2019
Nach den Anschlägen von Paris beschloss die Bundesregierung, beim Kampf gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" mitzumachen. Ende 2015 erteilte der Bundestag unter anderem ein Mandant für den Einsatz von Tornado-Aufklärungsflugzeugen, von Tankflugzeugen für die Luftbetankung der Kampfflugzeuge von anderen Ländern und für Personal an Bord der AWACS-Aufklärer. Die Bundestagsfraktion der Linken klagte, und jetzt erhielt sie Antwort aus Karlsruhe.
Fest steht nach dem heutigen Beschluss: Die Linke hat auf ganzer Linie verloren. Zum einen wurde ihre Klage aus formalen Gründen abgewiesen. Gleichzeitig erweitert das Gericht den Spielraum für militärische Einsätze. Weiterlesen:
Die Militäroperation „Inherent Resolve“, an der die Bundeswehr beteiligt ist, richtet sich auch gegen die syrische Armee und unterstützt die USA bei der militärischen Besetzung im Nordosten Syriens. Der Bundeswehreinsatz muss im Oktober unbedingt beendet werden.
Im April 2018 führten die USA, Großbritannien und Frankreich einen Militärschlag gegen Syrien aus. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages stuften diesen Angriff in einem Gutachten als Verstoß gegen das Völkerrecht ein und stellten fest: „So stellen sich die alliierten Luftangriffe dann im Ergebnis eher als unverhohlene Rückkehr zu einer Form der – völkerrechtlich überwunden geglaubten – bewaffneten Repressalie im ‚humanitären Gewand‘ dar.“ Nur fünf Monate später, im September 2018, lag ein erneuter Militärschlag gegen Syrien in der Luft, diesmal auch mit Beteiligung Deutschlands. Wahrscheinlich ist es nur dem entschiedenen Nein der SPD und ihrer Bundestagsfraktion zu verdanken, dass dieser Militärschlag nicht erfolgte. Auch Russland, das der syrischen Regierung seit 2015 weitgehend zur Lufthoheit auf ihrem Territorium verholfen hat, hat eine rote Linie gezogen, die von den Westmächten bisher beachtet wird (werden muss). Danach sind Militärschläge gegen zentrale Einrichtungen der syrischen Armee und der syrischen Regierung tabu.
Die Operation Inherent Resolve, wie sich der aktuell laufende Bundeswehreinsatz in Syrien nennt, ist zwar kein Kampfeinsatz, aber dennoch völkerrechtswidrig und muss im Oktober auf jeden Fall beendet werden.
Politische Ziele, Umsetzbarkeit, rechtliche Voraussetzungen, Effekte
SWP-Aktuell 2018/A 54, Oktober 2018, 4 Seiten
Im September 2018 diskutierten deutsche Politikerinnen und Politiker einmal mehr, ob die Bundesrepublik sich an einem Militäreinsatz in Syrien beteiligen sollte. Aktueller Anlass war, dass eine Offensive des Assad-Regimes, womöglich unter Einsatz von Chemiewaffen, in der Provinz Idlib erwartet wurde. Weil Russland und die Türkei vereinbarten, eine demilitarisierte Zone zu schaffen, ließ sich die Offensive zunächst abwenden. Die Frage einer internationalen Militäroperation in Syrien ist damit aber eher aufgeschoben als aufgehoben. Früher oder später wird wohl erneut über eine deutsche Beteiligung debattiert werden.
BT-Drs. 19/4719 vom 4.10.18: Antrag der Bundesregierung - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung Iraks
aus dem Antrag:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag stimmt dem von der Bundesregierung am 2. Oktober 2018 beschlossenen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung Iraks zu. Die vorgesehenen Kräfte können eingesetzt werden, solange die völkerrechtlichen Voraussetzungen und die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegen, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2019.........
Der Bundestag hat am 18.10.2018 dem Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Mandates mit 361 Ja-Stimmen gegenüber 294 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen zugestimmt.