Die Debatte über den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan nimmt wieder Fahrt auf – auch wenn es nicht, wie es am Wochenende hieß, Planungen für einen Abzug innerhalb der nächsten sechs Wochen gab.
Veröffentlicht am 15.02.2021 von T.Wiegold in: augengeradeaus
Auch der im vergangenen Jahr zwischen den USA und den Taliban vereinbarte Abzug aller internationalen Truppen bis Ende April ist recht unwahrscheinlich.
Dafür stimmte am 12.3.2020 eine Mehrheit von 358 Abgeordneten gegen die Nein-Stimmen von 160 Parlamentariern bei 21 Enthaltungen.
Das Mandat für den Einsatz als Teil der Nato-Ausbildungsmission "Resolute Support" wurde damit praktisch unverändert fortgeschrieben. Politikerinnen und Politiker der Opposition warfen der Bundesregierung vor, den weiteren Weg nach dem jüngst unterzeichneten Abkommen zwischen den USA und den Taliban nicht ausreichend zu beschreiben.
Das nun bis zum 31. März 2021 verlängerte Mandat sieht vor, dass weiterhin bis zu 1.300 Soldaten entsandt werden können.
Während die Welt im Bann einer dramatischen Corona-Pandemie steht und dies Fragen zur Globalisierung aufwirft, könnte, obwohl kaum beachtet, der bevorstehende Abzug der NATO aus Afghanistan unsere Welt geopolitisch noch tiefgreifender verändern.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Ereignisse in diesem verarmten, abgelegenen und weithin unbekannten (aber wunderschönen) Land zum zweiten Mal in unserer Zeit eine weltpolitische Zeitenwende einzuläuten scheinen. 1989 musste die mächtige Rote Armee aus Afghanistan abziehen. Nach 10 Jahren Krieg akzeptierte die Sowjetunion, dass sie gescheitert war, mit militärischer Gewalt ihr kommunistisches politisches System durchzusetzen. Diese Niederlage hatte weitreichende Folgen. Im gleichen Jahr fiel die Berliner Mauer, und zwei Jahre später gab es dann keinen Warschauer Pakt, keine Sowjetunion, ja keine kommunistische Welt mehr. Es war das Ende des Kalten Krieges; die Welt war eine andere geworden.
Am 28.Januar 2019 umriss Angela Merkel in ihrer Dankesrede zur Verleihung des Fulbright-Preises noch einmal stolz das außen- und sicherheitspolitische Engagement der Bundesrepublik
Dabei sagte sie wortwörtlich, dass Deutschland aufgrund des NATO-Bündnisfalls militärisch in Afghanistan aktiv sei, um die Interessen der USA zu verteidigen. Das ist jedoch – zumindest offiziell – falsch und wirft weitere Fragen auf. Warum weiß die Kanzlerin nicht, auf welcher Grundlage die Bundeswehr in Afghanistan stationiert ist? Wer weiß eigentlich noch, dass dieser Bündnisfall vor mehr als 17 Jahren wegen der Anschläge vom 11. September 2001 ausgerufen wurde? Und wem will die Kanzlerin heute eigentlich noch erzählen, dass die Stationierung deutscher Soldaten im Ausland etwas mit dem Recht auf Selbstverteidigung der USA zu tun haben soll?
11.09.2018 in german foreign policy | 17 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 dringen Berliner Regierungsberater auf die Überprüfung des fortdauernden "Anti-Terror-Kriegs"
Nach den Anschlägen seien in den westlichen Staaten im Namen des "Anti-Terror-Kriegs" zahlreiche Maßnahmen wie "Inhaftierungen ohne Gerichtsurteil" oder die massenhafte "anlasslose Überwachung" eingeführt worden, die damals scharf kritisiert wurden, heißt es in einer aktuellen Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) . Viele der Maßnahmen würden bis heute durchgeführt; die Kritik daran sei allerdings weitgehend verstummt, obwohl sie eine "systematische Aushöhlung von Menschen- und Bürgerrechten" mit sich brächten. Der Vorwurf trifft auch Deutschland. Die Bundesrepublik verschärft im Namen des "Anti-Terror-Kriegs" die innere Repression und ist Standort für den US-Drohnenkrieg, in dem Verdächtige ohne Gerichtsurteil ermordet werden. Politiker, die ab 2001 in die Verschleppung Verdächtiger in CIA-Foltergefängnisse involviert waren, haben staatliche Spitzenposten inne.
Am 15.3.18 diskutierte der Bundestag über den Antrag der Bundesregierung (BT-Drs. 19/1094 - pdf), das Afghanistanmandat für den Bundeswehreinsatz "Resolute Support" nicht nur zu verlängern, sondern auf 1.300 Soldaten zu erhöhen (hier Auszug aus der Debatte als pdf) . Am 22.3.18 wurde über das Mandat nach erneuter Debatte abgestimmt ( hier Auszug aus der Debatte vom 22.3.18 als pdf).
Der Bundestag stimmte mit Mehrheit von 447 Stimmen für die Fortführung des Einsatzes bis 31.3.2019, dabei 18 Abgeordnete von B 90/ GRÜNE, 180 Abgeordnete (LINKE und AfD geschlossen) dagegen, davon 8 Abgeordnete der SPD und 34 von B90/GRÜNE. 16 Abgeordnete enthielten sich.
Der Sicherheitsrat, in Bekräftigung seiner Resolutionen 1267 (1999), ....., bekräftigend, dass der Terrorismus in allen seinen Arten und Erscheinungsformen eine der schwersten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt
und dass alle terroristischen Handlungen verbrecherisch und nicht zu rechtfertigen sind, ungeachtet ihrer Beweggründe und gleichviel, wann, wo und von wem sie begangen werden, und unverändert entschlossen, weiter dazu beizutragen, die Wirksamkeit der gesamten Maß-nahmen zur Bekämpfung dieser Geißel auf weltweiter Ebene zu erhöhen.....
Am 21./22.11 2017 diskutierte der neue Bundestag die Verlängerung der laufenden Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr vorläufig für weitere drei Monate.
Am 15.12.2016 beschloss der Bundestag, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (Resolute Support) erneut um ein Jahr zu verlängern. Allerdings gab es eine streitige Debatte und Gegenstimmen in beachtlichem Unfang
Von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen stimmten 450 Abgeordnete mit Ja, dazu 17 der Fraktion B 90/DIE GRÜNEN.
101 Abgeordnete stimmten mit Nein, neben den Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE 16 Abgeordnete aus der SPD und 29 von B 90/DIE GRÜNEN, von denen sich weitere 9 enthielten.
Beinahe 15 Jahre nach dem Beginn des NATO-Kriegs in Afghanistan und der unter starker deutscher Beteiligung durchgeführten Besatzung herrschen in dem Land katastrophale ökonomische und soziale Verhältnisse sowie eine miserable Sicherheitlage.
Dem Krieg sind seit 2001 laut einer umfassenden Analyse mehr als 220.000 Menschen direkt oder indirekt zum Opfer gefallen. Die Sicherheitslage im Land hat sich zuletzt laut Einschätzung des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags "dramatisch verschärft". Soldaten müssen inzwischen, wenn sie von einem Standort zum nächsten wechseln wollen, aus Sicherheitsgründen fliegen, weil die Fahrt mit gepanzerten Autos auf der Straße als unvertretbar gefährlich gilt.