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Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein

Stellungnahme des VDW-Vorstands vom 21. Juni 2018

1. Der Anlass

In Bottrop ist der Fall einer spezialisierten Apotheke, die Krebsmedikamente (Zytostatika) zubereitete und vertrieb, ans Licht der Öffentlichkeit gebracht worden. Strafrechtlich zur Anklage gebracht wurde der Vorwurf, ca. 60. 000 Krebsarzneien mit zu wenig oder ohne Wirkstoff hergestellt und vertrieben zu haben. Träfe dieser Vorwurf zu, so wäre eine Vielzahl von Schwererkrankten gefährdet bzw. auch geschädigt worden. Die Krankenkassen wären um 56 Millionen Euro betrogen worden, da sie in dieser Höhe Leistungen bezahlt haben, die nicht erbracht worden sind. Es gibt weitere Vorwürfe, die von den beiden Whistleblowern Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein zu diesem Falle artikuliert wurden, die aber nicht in der strafrechtlichen Ermittlung zur Anklage gebracht worden sind – eine aus prozessökonomischen Motiven übliche Kappung der Vorgehensweise im Strafrecht. Man hat somit den Irrtum zu vermeiden, die Verfehlungen, die in diesem Fall offenbart wurden, mit dem strafrechtlich zur Anklage Gebrachten gleichzusetzen. Die Politik hat entschieden, erst nach Abschluss der strafrechtlichen Klärung und auf Basis der im dortigen Verfahren ermittelten Lage bzw. Darstellung über Konsequenzen, im Sinne von lessons learned, nachzudenken und zu entscheiden.

In Sachen der beiden Whistleblower-Preisträger 2017, Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein, gab es in diesen Tagen ein wichtiges Ereignis

Das Landgericht Essen hat am 6.7.2018 das Urteil gegen den angeklagten Apotheker Peter Stadtmann verkündet. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Nach der Berichterstattung in der Tagespresse hat das Gericht den Angeklagten wegen seiner langjährigen Krebsmittel-Panschereien zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt; außerdem wurde gegen ihn ein Berufsverbot als Apotheker auf Lebenszeit verhängt; schließlich ordnete das Gericht eine Abschöpfung (= Abführung an die Staatskasse) nachgewiesenermaßen von ihm durch die Straftaten erzielter Vermögensgewinne in Höhe von rund 17 Millionen Euro an.

In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende Richter des Landgerichts Essen u.a. auch das Whistleblowing unserer beiden Preisträger ausdrücklich gewürdigt und das Versagen der staatlichen Apothekenaufsicht deutlich kritisiert. In der Berichterstattung von "Correctiv" heißt es dazu:

"Ausführlich geht er auf die Whistleblower Martin Porwoll und Marie Klein ein. Sie hätten die Aufklärung des Verbrechens erst ermöglicht. Der Richter spricht auch über die anderen Mitarbeiter der Apotheke. Fast alle hatten im Prozess die Aussage verweigert. „Es spricht einiges dafür, dass auch Mitarbeiter einbezogen waren”, sagt Richter Johannes Hidding. Diese hätten offenbar ihr Gewissen mit Geld beruhigt.Für Richter Hidding ist der Fall der Alten Apotheke auch die Geschichte eines Behördenversagens. Peter Stadtmann hätte nicht so handeln können, wenn es eine wirksame Apothekenaufsicht gegeben hätte, sagt Richter Hidding."

correctiv“ hat den ganzen Prozess begleitet und ein „Prozesstagebuch“ zu den einzelnen Prozesstagen herausgegeben

https://correctiv.org/blog/ruhr/artikel/2018/07/06/das-urteil/

Vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm wurde auch das Arbeitsverhältnis von Martin Porwoll mit der Alten Apotheke am 23.3.2018 im Wege des Vergleichs beendet

Zuvor war bereits in erster Instanz das Arbeitsverhältnis von Marie-Luise Klein gegen eine kleine Abfindung beendet worden.  Martin Porwoll dagegen verlor seinen Kündigungsschutzprozess in erster Instanz überraschend nach einem zweifelhaften Verfahren. In der Berufungsinstanz ließ das Gericht jedoch keinen Zweifel daran, dass die Kündigung nicht zu Recht erfolgt war. Zwar wurde schließlich auch hier ein Abfindungsvergleich geschlossen, aber die Bedingungen waren für Martin Porwoll immerhin zufriedenstellend.

Hier das Protokoll der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht - 10 Sa 1043/17 -  vom 23.3.18 als pdf

Justiz: Krebsmittel aus dem Kofferraum | Vor dem Landgericht Essen geht es um die Frage, wie genau der Apotheker gepantscht hat.

Von Christian Wernicke in SZ vom 11.12.17

Die Zeugin der Anklage ist empört. Sie spürt den Vorwurf, der in der Frage des Verteidigers mitklingt. "Haben Sie", so will der Anwalt des Bottroper Apothekers Peter S. wissen, "haben Sie jemals Geld erhalten für das, was Sie getan haben?" Marie K., die von März 2015 bis zu ihrer Enthüllung des Skandals um mutmaßlich gepanschte Anti-Krebs-Medikamente im Oktober vorigen Jahres in der "Alten Apotheke" arbeitete, schüttelt energisch den Kopf.

http://www.sueddeutsche.de/panorama/justiz-krebsmittel-aus-dem-kofferraum-1.3787048

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Die Internet-Zeitung "corrrectiv" berichtet kontinuierlich vom Strafprozess gegen den Apotheker, der Krebsmittel gepanscht haben soll, so zum Beispiel von der Zeugenvernehmung Martin Porwolls am 18.Januar 2018 (15.Verhandlungstag)

https://correctiv.org/blog/ruhr/recherchen/alte-apotheke/der-prozess/

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Zur strukturellen Frage, ob es überhaupt richtig oder zumindest vertretbar ist, die Anfertigung von Chemotherapeutika bei privaten Apotheken  zu belassen

Hierzu hat die Jury für den Whistleblowerpreis Prof. Dr. Karl Lauterbach (MdB) um eine Stellungnahme gebeten.

hier die PM als pdf

Begründung der Gemeinsamen Jury von IALANA und VDW

für die Verleihung des Whistleblower-Preises 2017 an Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein (beide Bottrop)


 

Der Whistleblower-Preis 2017 wird in diesem Jahr geteilt. Zu einem Teil wird er verliehen an den Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll (Bottrop) und an die Pharm.-Techn. Assistentin Maria-Elisabeth Klein (Bottrop) für ihre im Herbst 2016 erfolgten couragierten Verdachts-Enthüllungen gegenüber der Staatsanwaltschaft über die in derAlten Apothekein Bottrop (NRW) offenbar jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über die dadurch bewirkte Schädigung mehrerer Tausend schwer- und todkranker Krebspatienten und -Patientinnen in fünf oder sechs Bundesländern.1

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