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Völkerstrafrecht

19.03.2021 LTO Daily 19.3.2021

Laut ECCHR hat der syrische Geheimdienst sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe eingesetzt. Im Strafprozess wegen Staatsfolter am OLG Koblenz wird das nun unter dem Völkerstrafrecht verhandelt.

In dem laut Anklage weltweit ersten Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien wird nun auch mutmaßliche sexualisierte Gewalt als mögliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhandelt. Damit würden in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz derartige Vorwürfe ebenfalls gemäß dem Völkerstrafrecht und nicht wie zuvor nur als Einzelfälle nach dem deutschen Strafgesetz beleuchtet, teilte die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) mit.

Das OLG Koblenz bestätigte am Donnerstag, dass der zuständige Staatsschutzsenat einen entsprechenden rechtlichen Hinweis gegeben hat. An der laut den Vorwürfen der Anklage bereits drohenden lebenslangen Haftstrafe für den einzigen verbliebenen Angeklagten ändere sich nichts.

ECCHR-Rechtsanwältin Joumana Seif erklärte mit Blick auf den seit zehn Jahren in Syrien tobenden Bürgerkrieg, nicht zuletzt der Koblenzer Prozess habe gezeigt: "Die syrischen Geheimdienste setzen sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe ein, um die Zivilbevölkerung zu unterdrücken. Für uns Syrer, für die vielen Überlebenden und ihre Angehörigen ist es ein wichtiges Zeichen, dass dies nun auch ein deutsches Gericht in diesem ersten Verfahren zu den Verbrechen der syrischen Regierung so behandelt." Dieser Schritt könne Betroffenen Hoffnung geben, anerkannt und gesehen zu werden". Überlebende von sexualisierter Gewalt in Syrien, insbesondere Frauen, werden laut ECCHR oft diskriminiert, wie auch Zeugen im Koblenzer Prozess berichtet hätten, und sogar von ihren Familien verstoßen.

Das OLG hatte kürzlich einen der ursprünglich zwei Angeklagten zu viereinhalb Jahren Haft wegen der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Der nach Deutschland geflohene und hier festgenommene Ex-Geheimagent hatte laut Gericht dazu beigetragen, in Syrien 30 Demonstranten des Arabischen Frühlings in ein Foltergefängnis zu bringen. Der Syrer legte Revision ein.

Gegen den Angeklagten Anwar R. läuft der Prozess weiter. Ihm legt die Bundesanwaltschaft als mutmaßlichen einstigen Vernehmungschef eines Foltergefängnisses in Syrien die Verantwortung für 58-fachen Mord, für die Folter von mindestens 4.000 Menschen sowie für eine schwere sexuelle Nötigung und eine Vergewaltigung zur Last. Zu Prozessbeginn stritt der einstige syrische Oberst diese Vorwürfe ab. Auch er war nach Deutschland geflohen und hier festgenommen worden. Der Koblenzer Prozess ist vorerst bis zum 27. Oktober terminiert.

Quelle: <https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-koblenz-prozess-staatsfolter-syrien-sexualisierte-gewalt-verbrechen-gegen-menschlichkeit/?utm_medium=email&utm_source=WKDE_LEG_NSL_LTO_Daily_EM&utm_campaign=wkde_leg_mp_lto_daily_ab13.05.2019&utm_source_system=Eloqua&utm_econtactid=CWOLT000017863780&elqTrack=true>



 

PM ECCHR vom 21.2.2021

 

Koblenz / Berlin – Im sogenannten Al-Khatib-Prozess verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz heute den Angeklagten Eyad A. wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 30 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Damit wird erstmals ein ehemaliger Angehöriger des syrischen Geheimdiensts für Völkerrechtsverbrechen verurteilt. Die Verhandlung gegen den Hauptangeklagten Anwar R. wird mindestens bis Oktober fortgesetzt.

„Eyad A. ist nur ein kleines Rad im riesigen syrischen Folterapparat. Es ist wichtig, dass es dieses Urteil gibt, doch ich wünsche mir, dass es dazu dient, Licht auf die ganzen Verbrechen des Assad-Regimes zu werfen. Nur so ist das Verfahren für mich und andere Betroffene wirklich ein erster Schritt auf diesem langen Weg zur Gerechtigkeit“, sagte Wassim Mukdad, syrischer Überlebender und Nebenkläger im Verfahren gegen Anwar R.
In bisher 60 Prozesstagen hatten in Koblenz syrische Überlebende und Experten nicht nur zu den individuellen Taten der Angeklagten, sondern insbesondere zu den systematischen Verbrechen von Baschar al-Assads Regierung und der syrischen Geheimdienste ausgesagt.

„Mit dem heutigen Urteil bestätigt erstmals ein Gericht: Die Taten der syrischen Regierung und ihrer Mitarbeiter sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aussagen von Folterüberlebenden und Geheimdienstmitarbeitern oder die Caesar-Fotos belegen das Ausmaß und die Systematik von ‚Verschwindenlassen‘, Folter und sexualisierter Gewalt in Syrien. Die Relevanz dieser Beweise reicht weit über das Verfahren in Koblenz hinaus“, erklärte Patrick Kroker, Rechtsanwalt und Vertreter der Nebenklage gegen Anwar R.

Der Prozess in Koblenz ist weltweit das erste Verfahren, um die Verbrechen in Syrien aufzuarbeiten. Da weder in Syrien noch auf internationaler Ebene Verfahren eingeleitet werden können, wird in Deutschland nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip verhandelt. Die bisher gesammelten Aussagen und Beweise zu Verbrechen der syrischen Regierung können in anderen Verfahren, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene, genutzt werden.

„Das Urteil motiviert hoffentlich andere europäische Untersuchungsbehörden, ähnliche Verfahren einzuleiten. Es muss weiterhin das Ziel sein, hochrangige Funktionäre von Assads Sicherheitsapparat vor Gericht zu bringen. Sie sind verantwortlich für Folter, Gewalt und die Hinrichtung zehntausender Menschen – nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern bis heute“, so Wolfgang Kaleck, ECCHR-Generalsekretär.

Der Prozess gegen Anwar R. und Eyad A. in Koblenz läuft seit April 2020, am 17. Februar 2021 wurde Eyad A.s Verfahren abgetrennt. Das ECCHR unterstützt in dem Verfahren gegen Anwar R. 29 Betroffene, davon 14 als Nebenkläger. Die Arbeit zum Al-Khatib-Verfahren ist Teil einer Reihe von Strafanzeigen wegen Folter in Syrien, die das ECCHR seit 2016 mit rund 100 Syrern in Deutschland, Österreich, Schweden und Norwegen eingereicht hat.

Ausländische Armeeangehörige können für Kriegsverbrechen vor deutschen Gerichten verurteilt werden und sind nicht durch Immunität vor Strafverfolgung geschützt, entschied der BGH in einem Grundsatzurteil.

LTO vom 28.01.2021

Die Verfolgung ausländischer Kriegsverbrecher durch deutsche Ermittler und Strafgerichte bleibt uneingeschränkt möglich. Eine in den vergangenen Jahren entstandene Diskussion auf internationaler Ebene über eine mögliche Immunität staatlicher Funktionsträger stehe dem nicht entgegen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag (Urt. v. 28.01.2021, Az. 3 StR 564/19).

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-3-str-564-19-voelkerstrafrecht-keine-immunitaet-fuer-staatliche-funktionstraeger-armeeangehoerige-nach-kriegsverbrechen/?utm_medium=email&utm_source=WKDE_LEG_NSL_LTO_Daily_EM&utm_campaign=wkde_leg_mp_lto_daily_ab13.05.2019&utm_source_system=Eloqua&utm_econtactid=CWOLT000017863780&elqTrack=true

Benjamin Ferencz ist der letzte lebende Ankläger der Nürnberger Prozesse

Im Gespräch mit dem Historiker Daniel Cil Brecher erzählt der 99-Jährige von seinen Erfahrungen, seiner Arbeit als Anwalt der Opfer von Kriegsverbrechen und seiner Förderung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.

Gesendet im DLF am 25.8.2019

https://www.deutschlandfunk.de/das-prinzip-recht-statt-krieg-1-2-der-anklaeger.1184.de.html?dram:article_id=453404

Haftbefehl gegen Jamil Hassan, Chef des Luftwaffengeheimdiensts, ist eine gute Nachricht für alle Betroffenen in Syrien

PM von ECCHR vom 8.6.18

Heute wurde bekannt, dass der deutsche Generalbundesanwalt einen Haftbefehl gegen Jamil Hassan, den Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes, wegen systematischer Folter erlassen hat. Das ist eine gute Nachricht für alle Betroffenen von Assads Folter-System – insbesondere auch für die insgesamt 24 syrischen Folterüberlebenden und Aktivist_innen, deren Aussagen zu dem Haftbefehl beigetragen haben.

N.Paech im Interview mit der "jungen Welt" vom 7.3.2018  zu einer Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen der Lieferung von Waffen an die Türkei angesichts des bevorstehenden Einsatzes gegen Afrin

mehr in dem Artikel - hier als pdf

Generalbundesanwalt vernimmt die Anzeigeerstatter*innen als erste Maßnahme

Basierend auf dem Weltrechtsprinzip hat das ECCHR gemeinsam mit 22 Folterüberlebenden aus Syrien und den Juristen Anwar al-Bunni und Mazen Darwish im Laufe des Jahres 2017 in Deutschland vier Strafanzeigen wegen

Folter, außergerichtlicher Hinrichtungen und gewaltsamen „Verschwindenlassens“ gegen 27 hohe Entscheidungsträger der Assad-Regierung eingereicht. Der Generalbundesanwalt reagierte schnell und vernahm die ersten Anzeigenerstatter_innen bereits wenige Wochen nach der Einreichung der ersten Strafanzeige. Das ECCHR und seine syrischen Partnerorganisationen sind davon überzeugt, dass Deutschland eine besondere Rolle im Kampf gegen Straflosigkeit in Syrien spielen kann und fordert die deutsche Justiz auf, tätig zu werden und internationale Haftbefehle auszustellen.

 

Mehr Informationen zu den Syrien-Strafanzeigen

https://www.ecchr.eu/de/unsere-themen/voelkerstraftaten-und-rechtliche-verantwortung/syrien.html

Die Gruppe um "Caesar", Ex-Mitarbeiter der syrischen Militärpolizei, ist erstmals juristisch aktiv geworden

Gemeinsam mit dem ECCHR reichte die "Caesar Files-Support Group" am 21. September 2017 beim Generalbundesanwalt eine Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen hochrangige Funktionäre der syrischen Geheimdienste und Militärpolizei ein. Ein Vertreter der Gruppe übergab dabei auch einen Datensatz mit Bilddateien und Metadaten. Sie sind ein einzigartiges Zeugnis der Folter- und Tötungsmaschinerie unter der Regierung Assad.

https://www.ecchr.eu/de/voelkerstraftaten-und-rechtliche-verantwortung/syrien/die-caesar-fotos.html

<Anmerkung:  Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch regelt - im Unterschied zu anderen Staaten - seine Zuständigkeit nach dem "Weltrechtsprinzip". Die deutsche Strafgerichtsbarkeit ist daher auch grundsätzlich zuständig für Verstöße, die Angehörige anderer Staaten in anderen Staaten der Welt begehen.>

Zum neu gefassten Verbot des Angriffskriegs im deutschen Völkerstrafgesetzbuch

aus: "Vorgänge", Heft Mai 2017 mit Genehmigung des Autors  (hier als pdf)

Eine Kurzfassung des Beitrags ist in "Betrifft: JUSTIZ Nr. 130 - Juni 2017 auf den Seiten 83 f. erschienen,

(hier als pdf)

 

 

 

Wenn Regierungen auf der ganzen Welt offen zum Rechtsbruch aufrufen und ihre Kritiker_innen ins Gefängnis sperren; wenn westliche Staaten Menschen, die vor Krieg, Elend und Verfolgung fliehen, unrechtmäßig und brutal abwehren oder wenn transnationale Unternehmen unbehelligt Profit vor Menschenleben setzen – dann ist Widerstand notwendig. Das ECCHR tut dies mit juristischen Mitteln und setzt dem Unrecht das Recht entgegen

In welchen Fällen, auf welchem juristischen Weg,mit welchem rechtspolitischen Ziel und mit welchen Partner_innen weltweit wir aktiv sind, dokumentiert der neue ECCHR-Jahresbericht, der Anfang Juni erschienen ist. Illustriert ist der Jahresbericht mit Bildern des palästinensischen Fotografen Mohamed Badarne.

https://www.ecchr.eu/de/dokumente/publikationen/ecchr-publikationen/jahresberichte.html

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