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Rüstungsexport

Bundesgerichtshof urteilt im Fall illegaler Waffenexporte von Heckler
und Koch nach Mexiko

Berlin, Freiburg, Stuttgart, Tübingen, 30. März 2021

Im Fall der illegalen Rüstungsexporte von Heckler & Koch (H&K) nach
Mexiko hat der Bundes-gerichtshof (BGH) in Karlsruhe heute die Revision
der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten verworfen und damit das
Urteil aus vorheriger Instanz weitgehend bestätigt. Von Heckler & Koch
werden mehr als drei Millionen Euro aus dem illegalen Mexiko-Geschäft
eingezogen. Endverbleibserklärungen sind nicht Teil von
Exportgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Dies ist ein
wegweisendes Urteil mit Sprengkraft für die gesamte deutsche
Rüstungsexportkontrolle.

„Mit dem heutigen Urteil ist die bisherige deutsche
Rüstungsexportkontrolle am Ende!,“ kommentiert Jürgen Grässlin, Sprecher
der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel“ und Vorsitzender des
RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), den Verfahrensausgang. Grässlin
fordert Konsequenzen aus dem Prozess: „Ein ‚Weiter-so‘ in der deutschen
Rüstungsexport-kontrolle ist nicht haltbar. Der Gesetzgeber muss
umgehend ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen, das der
bisherigen Exportpraxis einen Riegel vorschiebt und die Interessen der
Betroffenen von Schusswaffengewalt endlich berücksichtigt.“ Rückenwind
dafür ergebe sich auch aus dem Urteil: „Laut dem Vorsitzenden Richter
Dr. Schäfer, muss die Rechtslage gegebenenfalls geändert werden, das
'wäre Aufgabe des Gesetzgebers'“.

Nach einer Strafanzeige von Grässlin und dem Tübinger Anwalt Holger
Rothbauer im Jahr 2010 verhandelte zunächst das Landgericht Stuttgart
zwischen 2018 und 2019 den Fall illegaler Waffenexporte von H&K. Das
Gericht kam zu dem Schluss, dass die Genehmigung für den Export von mehr
als 4.200 Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen
Endverbleibserklärungen (EVE) erschlichen worden war. EVE sind ein
Kernstück der deutschen und europäischen Rüstungsexportkontrolle. Sie
dokumentieren gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden vorab, wo die
exportierten Waffen eingesetzt werden sollen.

In dem Fall des illegalen Exports der G36 Sturmgewehre durch Heckler und
Koch waren mehrere mexikanische Bundesstaaten, die die Bundesregierung
offenbar als kritisch einstufte, nicht als Empfänger in den EVE
aufgeführt. Dennoch gelangten die Gewehre dorthin. Anders als bislang
üblich sah das Landgericht Stuttgart die EVE nicht als Bestandteil der
Exportgenehmigung an. In der Genehmigung selbst war als Empfänger Mexiko
benannt, weshalb die Angeklagten nur wegen des Erschleichens der
Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz verurteilt werden konnten.

„Dieses Urteil ist ein politisches Erdbeben. Bislang wird von Seiten der
Bundesregierung argumentiert, Endverbleibserklärungen seien Teil einer
Rüstungsexportgenehmigung und könnten sicherstellen, dass aus
Deutschland exportierte Waffen nicht an unerwünschte Empfänger
weitergegeben werden,” so Anwalt Holger Rothbauer. „Mit dem heutigen
Urteil, das die Stuttgarter Einschätzung bestätigt,
Endverbleibserklärungen seien kein Bestandteil der Exportgenehmigung,
wird ein bisheriges Kernstück der deutschen Rüstungsexportkontrolle ad
absurdum geführt. Damit wird bestätigt, was wir bereits seit Jahren
kritisieren. Endverbleibserklärungen sind das Papier nicht wert, auf dem
sie gedruckt sind und werden vielmehr als Feigenblatt für heikle
Geschäfte genutzt“, so Rothbauer weiter.

„Das Urteil offenbart eine klaffende Lücke im Rüstungsexportrecht“,
ergänzt Stephan Möhrle vom RüstungsInformationsBüro. „Sowohl Landgericht
als auch BGH argumentieren schlussendlich damit, sie müssten hinnehmen,
dass der Gesetzgeber im Kriegswaffenkontrollgesetz – im Gegensatz zum
Außenwirtschaftsgesetz - das Erschleichen von Genehmigungen nicht als
strafbare Handlung bewertet. Eine Genehmigung, die erschlichen wurde,
ist damit trotzdem erst mal gültig. Dieser Missstand muss umgehend vom
Gesetzgeber behoben werden, endgültig geht das nur mit einem eigenen
Gesetz, einem Rüstungsexportkontrollgesetz“ so Möhrle.

Die Leidtragenden der deutschen Rüstungsexportpraxis sind die
Betroffenen in den Empfänger-ländern. „Die Exportbeschränkung der
G36-Schnellfeuergewehre auf einige besonders konfliktive Bundesstaaten
war auch damals aus menschenrechtlicher Sicht nicht haltbar. Vielmehr
deutet es daraufhin, dass eine vermeintliche Kompromisslösung gefunden
werden sollte, um die Exporte zu ermöglichen. Schon damals war das Land
geprägt von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und
Straflosigkeit. Es ist beschämend, dass die Opfer dieser
verantwortungslosen Exportpraxis im gesamten Verfahren zu keinem
Zeitpunkt berücksichtigt wurden“, kritisiert Carola Hausotter von der
Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko. „Der Gesetzgeber muss
klarstellen, dass Rüstungsexportkontrolle auch die Opfer von
Schusswaffengewalt in den Empfängerländern zu schützen hat. Diese haben
ein Recht darauf, an den Verfahren beteiligt zu werden,“ ergänzt
Christian Schliemann von der Menschenrechtsorganisation ECCHR.

von Dr. Felix W. Zimmermann | 29.03.2021 in LTO

Im Jahre 2014 starben mexikanische Studenten im Bundesstaat Guerrero, mutmaßlich durch deutsche Waffen von Heckler & Koch, die nie dorthin hätten gelangen dürfen. Ein Urteil des LG Stuttgart fiel milde aus, nun
entscheidet der BGH. Was nicht passt, wird passend gemacht. So lautete das Motto beim deutschen Waffenhersteller Heckler & Koch (H&K), als dieser in den Jahren 2006 bis 2009 Waffenexporte unter anderem von Sturmgewehren nach Mexiko vollzog. Das Auswärtige Amt hatte hiergegen zuvor Bedenken angemeldet. Dort hielt man den Export etwa in bestimmte Bundesstaaten von Mexiko für unvertretbar.
weiterlesen:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-heckler-koch-waffen-export-mexiko-iguala-strafrecht-verurteilung-revision-vorbericht/?utm_medium=email&utm_source=WKDE_LEG_NSL_LTO_Daily_EM&utm_campaign=wkde_leg_mp_lto_daily_ab13.05.2019&utm_source_system=Eloqua&utm_econtactid=CWOLT000017863780&elqTrack=true

 

Greenpeace-Studie März 2020 | Leibnitz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung im Auftrag von Greenpeace e. V.

Autorin: Dr. Simone Wisotzki – 60 S.

 

als pdf: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/2020-07-19_gpd_studie_deutsche_ruestungsexporte_.pdf

von Daniel-Erasmus Khan 7.6.20 in verfassungsblog 

„Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen.“ Dieser Willy Brandt zugeschriebene Satz, er schmückt so manche Sonntagsrede. Mit Widerspruch ist nicht zu rechnen – von keiner Seite. Das prominent im Grundgesetz verankerte Bekenntnis wider den Angriffskrieg (Artikel 26 Absatz 1) stellt in der Tat eine Klammer dar, die Politik und Gesellschaft in Deutschland nach wie vor im Innersten zusammenhält: Das Friedensgebot, es gehört bis heute zum Identitätskern unserer Verfassungsordnung – und das ist gut so. Pazifistisch ist unser Grundgesetz zwar spätestens seit Einführung der Wehrverfassung im Jahre 1956 nicht mehr. Aber für das Militärische in der deutschen Außen und Sicherheitspolitik zeigt es doch immer noch klare, und im internationalen Vergleich durchaus restriktive Grenzen auf – auch wenn diese mitunter interpretationsfähig und -bedürftig sind. Dies gilt nun nicht nur für den Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Auch dem Export von „zur Kriegführung bestimmter Waffen“ begegnet unsere Verfassung seit nunmehr über 70 Jahren mit großem Misstrauen…...

weiter: https://verfassungsblog.de/die-genehmigungspraxis-fuer-deutsche-ruesungsexporte-ist-verfassungswidrig/

Organisationen aus der Entwicklungs-, Friedens- und Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfsorganisationen fordern: Umfassendes Rüstungsexportverbot für die Jemen-Militärkoalition

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, begrüßen, dass die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag keine Waffen mehr an Staaten exportieren will, die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Zudem begrüßen wir das gegenüber Saudi-Arabien verhängte Rüstungsexportmoratorium, mit dem Genehmigungen von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien gestoppt und Firmen dazu aufgefordert wurden, bereits bestehende Ausfuhrgenehmigungen nicht zu nutzen. Dies waren wichtige erste Schritte.

Das Moratorium wurde bisher zweimal verlängert und läuft in seiner jetzigen Form am 30. September 2019 aus. Dieses ist jedoch trotz des Koalitionsvertrags auf Saudi-Arabien begrenzt und sieht Ausnahmen für deutsche Komponentenlieferungen im Rahmen europäischer Gemeinschaftsprojekte vor. Darüber hinaus ermöglichte schon der Koalitionsvertrag Ausnahmen für bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen. In der Folge dauern die Rüstungsexporte an Staaten der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition an.

Angesichts der eklatanten Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch Kriegsparteien im Jemen muss die Bundesregierung zwingend über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen.

20. Juni 2019 in IMI-aktuell 2019/354
Nun ist er auch offiziell erschienen, der Rüstungsexportbericht 2018 der Bundesregierung – und wie schon im Januar, als die Zahlen schon bekannt wurden, jammern Medien, Politik und Industrie über scheinbar drastisch rückläufige Exportdaten. Von einem „Einbruch“ spricht exemplarisch der Focus, eine Interpretation, die allerdings extrem davon abhängt, welche Jahre als Vergleich herangezogen werden. Deshalb sei hier einfach nochmal  IMI-Aktuell 2019/040 zitiert: „Von einem „Einbruch“ sprechen die meisten deutschen Medien angesichts der Vorlage der jüngsten deutschen Rüstungsexportdaten. Und tatsächlich ist es ja gut, dass die Einzelgenehmigungen mit 4,82 Milliarden Euro gegenüber den hohen Vorjahreszahlen, 7,50 Mrd. (2015), 6,84 Mrd. (2016) und 6,24 Mrd.  (2017) deutlich zurückging. Sie liegen aber immernoch über dem Schnitt der Genehmigungen in den Jahren 2004 bis 2014 (ca. 4,67 Mrd.).“ (jw)

http://www.imi-online.de/2019/06/20/ruestungsexporte-einbruch-ii/

 

dazu:

 

Waffen für die Welt (IV)    german foreign policy vom 11.7.19

Die Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte haben im ersten Halbjahr 2019 einen neuen Rekordwert erreicht und belaufen sich auf rund 5,3 Milliarden Euro. Dies geht aus Angaben der Bundesregierung hervor, die am gestrigen Donnerstag bekannt wurden. Demnach hat Berlin in den ersten sechs Monaten dieses Jahres die Ausfuhr von mehr als doppelt so viel Kriegsgerät erlaubt wie im Vorjahreszeitraum. Genehmigt wurde nicht zuletzt der Export von Rüstungsgütern im Wert von über einer Milliarde Euro an Staaten, die im Jemen Krieg führen.

Weiterlesen https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7993/

Deutschland hat seine Rüstungsausfuhr in den vergangenen fünf Jahren gegenüber dem vorigen Fünfjahreszeitraum um mehr als ein Achtel gesteigert und war damit der viertgrößte Waffenexporteur der Welt.

12.03.2019 bei german-foreign-policy

 Dies geht aus aktuellen Zahlen des Forschungsinstituts SIPRI hervor. Die angebliche Friedensmacht EU nimmt demnach auf der Rangliste der größten Rüstungsexporteure den zweiten Platz nach den USA ein - mit über einem Viertel aller Lieferungen weltweit. Die NATO-Staaten kommen demzufolge auf einen Anteil von fast zwei Drittel der globalen Ausfuhr von Kriegsgerät - mehr als dreimal so viel wie Russland und dreizehnmal so viel wie China.

weiterlesen: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7885/

Erstmals in der Firmengeschichte von Heckler & Koch wurde das Unternehmen wegen illegalen Waffenhandels schuldig gesprochen

Pressemitteilung vom 21.2.2019

Zwei ehemalige H&K-Beschäftigte, der Vertriebsleiter I. Sahlmann und die Sachbearbeiterin M. Beuter, wurden zu Haftstrafen zur Bewährung verurteilt. Ihnen wurde bandenmäßiger widerrechtlicher Waffenhandel mit Mexiko nachgewiesen. Die beiden Geschäftsführer P. Beyerle und J. Meurer sowie der Ex-Vertriebsleiter W. Mackrodt wurden freigesprochen.„Ein klarer Fall von Zweiklassenjustiz: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, sagt Jürgen Grässlin, Vorsitzender des RüstungsInformationsBüro, Bundessprecher der DFG-VK und von Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!

Trotz klarer Beweislage keine Haftstrafen. Deal zwischen Justiz und Angeklagten. Paramilitärs in Kolumbien nutzen deutsche Waffen

Von Ani Dießelmann | amerika21 | vom 2.3.19

Am Mittwoch haben sich in Kiel Staatsanwaltschaft, Verteidiger und das Landgericht auf Bewährungsstrafen für die drei Angeklagten im Prozess wegen Waffenhandels geeinigt. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Waffenfirma SIG Sauer mit Sitz in Eckernförde, unter ihnen der Firmenmiteigentümer Michael Lüke, erwarten laut Gericht Bewährungsstrafen in Höhe von bis zu elf Monaten. Ron Cohen, der Topmanager der Schwesterfirma SIG Sauer Inc. in den USA, wird mit einer Bewährungsstrafe von maximal einem Jahr und zehn Monaten bestraft, zudem mit einer Geldstrafe in Höhe von maximal 900.000 Euro. Zugleich erklärten die Angeklagten ihre Bereitschaft zu Geständnissen.

weiter lesen:  sig_sauer_waffen_kolumbien_deutschland.jpg

In ihrer jährlichen Bewertung der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung haben die beiden großen christlichen Kirchen scharfe Vorwürfe gegen die schwarz-rote Koalition gerichtet

Vor allem die Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern an Staaten, die am Jemen-Konflikt beteiligt sind, kritisierte die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) nicht nur politisch – sondern sieht auch einen Strafrechtsverstoß:

"Mit ihren positiven Lieferentscheidungen über Rüstungsexporte an Saudi-Arabien und weitere Staaten der Kriegs-Koalition verstößt die Bundesregierung aus Sicht der GKKE außerdem eklatant gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen ihre eigenen politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern."

heißt es in dem am 17.12.18 in Berlin vorgelegten GKKE-Rüstungsexportbericht

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