Richterratschlag in Gießen im April 1983: Zahlreiche RichterInnen und StaatsanwältInnen aus ganz Deutschland fanden sich – besorgt wegen der Atomwaffenstationierung in der BRD - zu einer Protestgruppe zusammen, nannten sich „Richter und Staatsanwälte für den Frieden“ und organisierten das erste Friedensforum am 4. Juni 1983 in Bonn. Die Kundgebung in der Beethovenhalle und der anschließende Demonstrationszug von 450 Teilnehmern durch Bonn machten die Öffentlichkeit auf die Völkerrechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit der Atomwaffenstationierung aufmerksam. Dies war die erste Richter-Demonstration nach der öffentlichen Kundgebung der „Kollegen“ anlässlich der Gleichschaltung der Richterschaft zu Beginn des Dritten Reiches. Die in Bonn beschlossene Petition an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages führte zu einem „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung einer konsultativen Volksbefragung zur Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen (Pershing Il, Cruise Missile) in der Bundesrepublik Deutschland“, der allerdings im Bundestag scheiterte.

 

Auf dem dritten Friedensforum der „Richter und Staatsanwälte für den Frieden“ 1988 in Schwandorf, das sich gegen die Wiederaufbereitungsanlage und die Produktion von waffenfähigen Plutonium richtete und an dem über 300 Teilnehmer aus der BRD und dem Ausland teilnahmen, machten uns zwei Redner auf die Gründung der „International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms“ aufmerksam, die kurz zuvor in Stockholm ins Leben gerufen wurde. Es waren die Bundestagsabgeordnete und stellvertretene SPD-Vorsitzende Dr. Hertha Däubler-Gmelin und der Vorsitzende des Obersten Gerichts von Lettland Gvido Zemribo, einer unserer sowjetischen Gäste. Sie ermunterten uns in der IALANA mitzuarbeiten.

 

Drei gleichlautende Briefe von Bernd Hahnfeld vom 15. Juli 1988 an die drei Vorsitzenden der internationalen IALANA, den ersten Vorsitzenden und Reichstagsabgeordneten Stig Gustavsen aus Schweden, den Rechtsanwalt Peter Weiss aus den USA und den Generalstaatsanwalt der Sowjetunion Alexander Sukharev blieben zunächst ohne Antwort. Hertha Däubler-Gmelin bat schließlich Bernd Hahnfeld eine Satzung zu schreiben und lud Juristen verschiedener Organisationen und Vereinigungen für den 27. Juni 1989 in das Restaurant des Abgeordneten-Hochhaus „Langer Eugen“ in Bonn ein. Dabei waren (alphabetisch) Dr. Peter Becker (RAV) Dr. Hertha Däubler-Gmelin (AsJ, Int. IALANA), Dr. Dieter Deiseroth (ÖTV, VdJ, RiStAe fdF), Bernd Hahnfeld (NRV, RiStAe fdF), Dr. Helmut Kramer (ÖTV, RiStAe fdF), Dr. Till Müller-Heidelberg (HU), Ulrich Vultejus (HU, ÖTV, RiStAe fdF) und Dr. Reinhard Wieczorek (RiStAe fdF).

 

Außer den Anwesenden wirkten als Gründungsmitglieder mit Dr. Heinrich Comes, Prof. Dr. Wolfgang Däubler, Prof. Martin Hirsch, Dr. Marianne Hornung, Paul Hornung, Horst Isola, Ulf Panzer und Prof. Dr. Ulrich Klug.

 

Der vorgelegte Satzungsentwurf wurde erörtert, überarbeitet, ausformuliert und einstimmig beschlossen. Der Verein bekam den Namen

 

Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen

Sektion Bundesrepublik Deutschland der

International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms

(IALANA)

 

Ziel war es, durch juristische Argumentation und Hindernisse die Führung eines Atomkrieges zu verhindern und letztlich die totale Vernichtung der Atomwaffen durchzusetzen. Die Gründungsmitglieder bekannten sich dazu, die Menschenrechte und die nationalen Rechte der Völker zu achten und aktiv den Frieden zu fördern. Internationale Auseinandersetzungen sollten nur nichtmilitärisch gelöst werden.

 

Zum Vorsitzenden wurde Rechtsanwalt Dr. Peter Becker gewählt, zu stellvertretenen Vorsitzenden der Hochschullehrer Prof. Dr. Wolfgang Däubler sowie die Richter Dr. Dieter Deiseroth, Bernd Hahnfeld und Dr. Marianne Hornung-Grove, Kassenprüfer wurden Dr. Hertha Däubler-Gmelin und der Richter Ulrich Vultejus.

 

Für den ersten IALANA-Weltkongress in Den Haag am 22.-24. September 1989 wurden Dr. Peter Becker und ersatzweise Bernd Hahnfeld als Delegierte gewählt. Der Verein wurde eingetragen und als gemeinnützig anerkannt. Die Arbeit begann mit der Teilnahme an dem Weltkongress in Den Haag, Unter den vielen Teilnehmern entstanden blockübergreifend Kontakte nicht nur zu niederländischen, US-amerikanischen, japanischen und schwedischen Kollegen, sondern auch zu Teilnehmern aus der Sowjetunion und der DDR, darunter den Völkerrechtlern Prof. Bernhard Graefrath und Prof. Manfred Mohr, der später IALANA-Vorstandsmitglied werden sollte. In der Diskussion erreichten wir, dass auf dem Kongress beschlossen wurde, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht nur mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Androhung eines Atomwaffeneinsatzes zu befassen, sondern auch mit der Frage, ob der Einsatz von Atomwaffen selbst mit dem Völkerrecht vereinbar ist.

 

Bereits am 2.- 4. November 1990 veranstaltete IALANA in Berlin einen internationalen Kongress zu dem Thema „NUCLEAR WEAPONS IN A CHANGING WORLD – policy and legal issues“ . 140 Juristen und Militärs aus dreizehn Nationen setzten sich kritisch mit der herrschenden „nuklearen Abschreckung“ der NATO auseinander. Dieter Deiseroth als einer der Moderatoren im Plenum konnte durch nachhaltiges Fragen den anwesenden hohen Bundeswehroffizieren die Erklärung entlocken, dass die stationierten Atomwaffen im Falle eines drohenden Angriffs von ihnen tatsächlich eingesetzt würden.