Innerhalb der IALANA hat sich eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die sich mit Wesen und Wirken von Sanktionen befasst. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Untersuchung der völkerrechtlichen Grenzen. Dies ist – wie die folgenden Artikel zeigen – eine umfangreiche und komplexe Aufgabe, und zwar aus mehreren Gründen:

1. Sanktionen haben viele Gesichter. Sie wirken in verschiedener Weise, und zwar zumeist auch auf verschiedene Inhaber von Rechten: Staaten, deren Regierungen und Völker, sowie Einzelpersonen, Wirtschaftsunternehmen und Medien.

2. Sanktionen werden unterschiedlich verhängt: entweder von einzelnen Staaten, die sich ggf. zu einer koordinierten Ausübung verbünden (sogenannte einseitige oder unilaterale Sanktionen – im Folgenden auch als einseitige Zwangsmaßnahmen (EZM) benannt), oder aber von den Vereinten Nationen im Falle „einer Bedrohung oder eines Bruches des Friedens oder einer Angriffshandlung“ (Art. 39 UN-Charta) (sogenannte multilaterale Sanktionen). Die Feststellung, ob der letztgenannte Fall vorliegt, trifft der Sicherheitsrat. Er legt auch fest, welche Maßnahmen zu ergreifen und von den Mitgliedern der UN durchzuführen sind, um die Beendigung des festgestellten völkerrechtswidrigen Verhaltens zu erzwingen (Art. 41 UN-Charta).

3. Die völkerrechtlichen Regeln, welche die Zulässigkeit von Sanktionen begrenzen, wirken in unterschiedlicher Weise auf unilaterale Sanktionen einerseits und multilaterale Sanktionen andererseits.

Aufbau des Dossiers

Wir wollen in diesem Dossier versuchen, die vorstehend skizzierte Komplexität an konkreten Länderbeispielen darzustellen, mit Artikeln über die UN-Sanktionen gegen Irak, sowie über einseitige Zwangsmaßnahmen gegen Syrien, Kuba und Venezuela.

Zwei weitere Artikel befassen sich mit einer allgemeinen Bewertung von Sanktionen als Mittel der Außenpolitik und mit dem Umgang einzelner Organe der Vereinten Nationen mit einseitigen Zwangsmaßnahmen.

Zudem werden in zwei Artikeln die beiden zentralen völkerrechtlichen Schranken beschrieben, die grundsätzlich für beide unter Ziff. 2 genannten Sanktionsarten gelten, nämlich:

- das aus der Souveränität abgeleitete Interventionsverbot und

- die Internationalen Menschenrechte.

Prüfungsschema für Völkerrechtskonformität von Sanktionen

Um darzustellen, ob und wie diese Schranken wirken, haben wir ein Prüfungsschema entworfen, das im Dossier dargestellt ist.

Wissenschaft und Frieden COVER 2024 2 Dossier 98