Iran/Israel: Was der Westen tun kann und sollte
Von Jan Oberg, Friedensforscher in Lund, Schweden *
Das Gesamtbild hat sich während der letzten Monate sehr verschlechtert. Insbesondere lassen die bereits vor den Istanbuler Konsultationen am 14. April veröffentlichten westlichen Forderungen an den Iran nichts Gutes erwarten für die nächste Runde der Gespräche in Bagdad. Von jedem wurden Ansichten geäußert, eine Rhetorik verwendet und konkrete Schritte eingeleitet, die uns alle näher an den Abgrund eines Krieges gegen den Iran bringen. Während es leicht und auch gefährlich ist, einen Konflikt zu eskalieren, ist es schwierig ihn ohne Gesichtsverlust zu de-eskalieren und Frieden zu schließen.


Zu den kontra-produktiven Schritten gehören der Stopp des Imports von iranischem Öl durch den Westen ab dem 1. Juli 2012 und das Verschärfen der Sanktionen, die die iranische Gesellschaft bereits ersticken. Es wird fälschlicher weise angenommen, dass Sanktionen irgendwie „weiche Waffen“ wären. Im Irak, mit einem Drittel der Bevölkerung Irans, verursachten westliche Sanktionen grob eine Millionen irakische Tote.

Was lässt nun Rückschlüsse auf einen Willen zum Fördern eines zukünftigen Friedens zwischen den Parteien zu? Jedenfalls nicht das folgende: Vorbedingungen für Verhandlungen stellen, Drohungen mit Zerstörungen, ein Öl-Embargo, Sanktionen die auf die Bevölkerung zielen, herablassende und abfällige Rhetorik gegenüber einer Nation mit einer der ältesten Zivilisationen der Welt, Tötungen ihrer Wissenschaftler, Versorgung ihrer im Ausland befindlichen terroristischen Dissidenten mit militärischer Ausbildung, die Forderung Dinge zu unterlassen, die man selbst bereits getan hat, und Inspektionen dort zu verlangen aber nicht bei der bereits nuklear bewaffneten „anderen Seite“. All dies sind Methoden, die Teheran dazu bringen, den Erwerb von Nuklearwaffen in Erwägung zu ziehen, obgleich der höchste iranische Führer wiederholt geäußert hat, dass diese Waffen „haram“, also nach dem Islam streng verboten sind ( etwas, das nie in den westlichen Medien berichtet wird ).

Die Militärausgaben (MILTAUS) sind der verlässlichste einzelne Indikator dafür, wer in der Lage wäre jemanden zu bedrohen oder zu schädigen, wenn es zum Schlimmsten käme. Irans MILTAUS belaufen sich auf etwa sieben Milliarden Dollar oder ca. ein Prozent der US-Militärausgaben. Israels MILTAUS betragen 13 Milliarden Dollar – bei nur einem Zehntel der Bevölkerung des Iran. Die USA geben vier Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die Rüstung aus, Israel 6,5 Prozent und der Iran 2,5 Prozent. Iran ist seit 1738 in Indien bisher in kein anderes Land mehr eingefallen und verfügt über keine ausländischen Stützpunkte. Israel und die USA sind Nuklearmächte und Besatzer, der Iran nicht.

Dank der allgegenwärtigen pro-israelischen Mainstream-Medien im Westen wird den meisten Menschen der Glaube vermittelt, dass der Iran eine Bedrohung für die Welt darstelle, weil grundlegende Zahlen wie diese in der Presse nie erwähnt werden. Bei diesen Zahlen wäre es selbstmörderisch für den Iran, gegen irgendjemanden einen Krieg zu beginnen. Und die Führer in Teheran sind weder verrückt noch dumm.

Was der Westen, inklusive Israel tun kann und sollte:

1. Verhandlungen beginnen, die eine Lockerung und Aufhebung der Sanktionen anbieten als Gegenleistung für Schritte des Iran; und der Verzicht auf jegliche Vorbedingungen vor dem Treffen.

2. Israel sollte damit aufhören, seine Bürger mit Horrorgeschichten über den Iran zu versorgen.

3. Iran erlauben, sein Urananreicherungsprogramm fortzusetzen, aber unter enger Überwachung der IAEA, entsprechend dem Zusatz-Protokoll.

4. Kein Fokussieren auf das derzeitige Regime ( um dadurch den Iranern die Entscheidung über ihre Führer zu überlassen).

5. Die USA sollten ihren Druck auf die IAEA einstellen.

6. Die USA sollten sich für ihre Beteiligung am Staatstreich gegen den Premier-Minister Mohammad Mossadegh im Jahre 1954 entschuldigen, wie auch für das Abschießen des Iran Air-Flugs 655 in 1988, bei dem 290 Passagiere ums Leben kamen.

7. Eine Entschuldigung für die westliche Unterstützung von Saddam Hussein während des Ira-Irak Krieges, der eine Millionen Tote kostete, sollte ebenfalls in Erwägung gezogen werden.

8. Die USA und Israel sollten ihre terroristischen Aktionen einstellen, die Tötung iranischer Zivilisten und den Cyber-Krieg wie etwa durch den Stuxnet-Virus.

Hier ist was der Iran tun kann und sollte:

9. Beendigung seiner Unterstützung terroristischer Gruppen, die Israel angreifen.

10. Beendigung seiner Hasstiraden gegen Israel und Klarstellung, dass er Israel nicht angreifen wird, außer im Falle eines vorausgehenden Angriffs durch Israel.

11. Iran sollte ein weitreichendes Zusatz-Protokoll für die Inspektion durch die IAEA akzeptieren,; den Umfassenden Nuklearen Test-Stopp Vertrag ratifizieren ( Comprehensive Nuclear Test Ban treaty) und dadurch eine gutes Beispiel für die USA abgeben.

12. Iran sollte das Projekt „Dialog der Zivilisationen“ intensivieren.

Andere Akteure, wie die UN, die EU oder einzelne Staaten können und sollten auf folgendes hinwirken:

13. Mediation, Beratungen und Hilfeleistungen bei jeder Art von Kontakten zwischen den Parteien.

14. Anhörungen im EU-Parlament und/oder der UN-Generalversammlung, bei denen iranische und westliche Repräsentanten die Welt über ihre Ziele, Beschwerden und bevorzugten Lösungen für die Zukunft informieren könnten.

15. Bereitstellung von Stipendien für iranische Studenten und Förderung jeder Art von direkten Kontakten von Mensch zu Mensch.

16. Wiederbelebung der von Iran, Brasilien und der Türkei 2010 unterzeichneten Vereinbarung, nach der Iran sein angereichertes Uran in die Türkei schickt (vielleicht könnten diese Länder auch in irgendeiner Art als Mediatoren fungieren).

17. Beschleunigung des Prozesses der Mitgliedschaft des Iran in der Welt-Handels-Organisation (WTO).

18. Schicken einer Delegation von früheren Friedens-Nobelpreis-Trägern in einer Dialog-Mission nach Teheran.

19. Einleitung konkreter Schritte zur Etablierung einer nuklearwaffenfreien Zone im Nahen/Mittleren Osten.

Kurz gesagt, ungefähr alles andere unternehmen als das, was alle Parteien gegenwärtig tun, also: Deeskalation der Spannungen bevor es zu spät ist.

Vergessen wir nicht was Pogo [1] angeblich einmal gesagt hat: "Wir sind dem Feind begegnet, und der sind wir." Der Westen scheint nicht in der Lage zu sein, ohne Feinde zu leben und erschafft sie sich durch seine eigene Politik. Es ist unfassbar, dass Vorschläge wie die obigen kaum jemals in der öffentlichen Diskussion auftauchen, dass Journalisten nie die Entscheidungsträger damit konfrontieren, die sich wieder und wieder für Krieg aussprechen.

Die Welt benötigt Konfliktlösungsfähigkeit, Wissen und Training. Die damit Befassten aber führen ihre Politik wie Fahranfänger ohne Führerschein. Unter derartigen Bedingungen wird es Unfälle geben und Menschen werden umkommen. Dabei gibt es eine breites Spektrum von Optionen zwischen Nichtstun und Länder mit militärischen Mitteln zu zerstören.

Zu diesem Zeitpunkt ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Regierungsmentalität einen anderen Kurs einschlägt oder grundlegendes Wissen über Konflikt und Frieden entwickelt. Daher ist es von enormer Bedeutung, dass die Bürger im Westen, in Israel und im Iran die sozialen Medien einsetzen um sich miteinander zu vernetzen und das Konzept von Bürger-Diplomatie stärken.

[1] Pogo ist die Titelfigur eines sehr erfolgreichen amerikanischen Comic strip, der zwischen 1948 und 1975 täglich erschien.

* Jan Oberg ist Direktor und Mitbegründer der „Transnational Foundation“ in Lund, Schweden.