Der Jahrestag des Kriegsverbrechens durch Oberst Klein im afghanischen Kunduz gibt Anlass, an die aktuelle Situation der Überlebenden und den Stand der Schadensersatzprozesse zu erinnern. 

Die Fraktion DIE LINKE hat für den 3.9.2019 in Berlin zu einem Pressegespräch im Jakob-Kaiser-Haus eingeladen. Dort wird u.a. RA. Karim Popal über die aktuelle Situation der Opfer berichten.

Zum Stand der Schadenersatzprozesse zitieren wir zunächst die Presseerklärung der IALANA Deutschland zum Urteil des BGH vom 6.10.16 im Fall Kunduz:

"Bei dem von Oberst Klein am 4.9.2009 befohlenen Bombardement auf 2 Tanklastzüge in der Nähe von Kunduz waren weit über 100 Unbeteiligte, darunter zahlreiche Kinder, ums Leben gekommen. Die Bundesregierung hatte zwar anfangs zugesagt, die Opfer rasch angemessen zu entschädigen, rückte davon aber bald wieder ab. So blieb den Opfern nur der Klageweg zu den deutschen Zivilgerichten.

Die Verfahren ruhen großenteils beim Landgericht Bonn; nur ein Verfahren ging durch die Instanzen. Das Landgericht Bonn hielt die auf das deutsche Amtshaftungsrecht gestützte Klage für zulässig und prüfte demgemäß, ob Oberst Klein das Kriegsvölkerrecht nach den Genfer Konventionen von 1949 eingehalten hatte, das die Tötung Unbeteiligter bei militärischen Aktionen möglichst ausschließen will. Auch das OLG Köln sah kein Problem in der Berufung auf die Amtshaftung. Die beiden Gerichte kamen zum Ergebnis, dass ein Verstoß  nicht nachgewiesen werden könne. Nach der von Oberst Klein vorgenommenen Aufklärung habe er zu Recht annehmen dürfen, dass es sich bei den ums Leben gekommenen Zivilisten um bewaffnete Kämpfer gehandelt habe. Dagegen richtete sich die Revision mit der Rüge, die Beweismittel seien nicht ausgeschöpft worden.Das Revisionsurteil des 3. Zivilsenats lehnt nun den Schadensersatzanspruch der Kläger grundsätzlich ab. Das deutsche Amtshaftungsrecht sei auf bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht anwendbar."

Gegen das Urteil des BGH wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, die angenommen, aber noch nicht entschieden ist. Solange ruhen auf Grund einer Prozessvereinbarung die anderen Verfahren beim Landgericht Bonn.

Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Zehn Jahre nach der Tat keimt Hoffnung auf. Am Mittwoch vergangener Woche, kurz vor dem Jahrestag des Massakers von Kundus, gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg bekannt, seine Große Kammer habe Abdul Hanans Klage gegen die Bundesrepublik angenommen. Hanan hatte bei dem Massaker in der Nacht vom 3. zum 4. September 2009, für das der damalige Bundeswehroberst Georg Klein militärisch Verantwortung trug, zwei Söhne im Alter von acht und zwölf Jahren verloren. Insgesamt waren Dutzende, vermutlich gar über hundert Zivilisten zu Tode gekommen. Hanan fordert Gerechtigkeit – und obwohl seine Klage wie die anderer Opferangehöriger von deutschen Gerichten letztinstanzlich abgewiesen wurde, hat er nicht aufgegeben: Er ist einen Schritt weiter gegangen und hat sich an den EGMR gewandt. Dessen Große Kammer wird sich nun damit befassen.

weiterlesen: https://www.jungewelt.de/artikel/362026.massaker-von-kundus-neue-hoffnung.html

 

Die NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" hat am 31.8.2019 einen langen Beitrag zu Afghanistan gesendet, in dem das Bombardement von Kundus als Schlüsselereignis für den deutschen Einsatz verhandelt wird. Dadurch wurde der breiten Öffentlichkeit deutlich, dass die Bundeswehr in Afghanistan an einem Krieg beteiligt war. Es handelte sich nicht um eine Stabilisierungsmission, wie es jahrelang beschönigend von der Bundesregierung geheißen hatte
Die Themen:     Afghanistan - vom Luftschlag bei Kundus zum Karfreitagsgefecht |     Aussagen der früheren Verteidigungsminister Franz Josef Jung und Karl-Theodor zu Guttenberg |     Wie beteiligte Soldaten das Karfreitagsgefecht heute sehen - Gespräch mit den ehemaligen Korrespondenten Christoph Heinzle und Kai Küstner
https://www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript744.pdf