Erklärung über die Anerkennung der obligatorischen Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs nach Artikel 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs

Deutscher Bundestag Drucksache 16/9218, zugeleitet mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 30. April 2008.

Aus dem Schreiben des AA: "Für die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, des Hauptrechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen, bedarf es einer besonderen Zuständigkeitsgrundlage. Artikel 36 Abs. 2 des IGH-Statuts sieht die Möglichkeit vor, dass die Vertragsstaaten, zu denen alle Mitglieder der Vereinten Nationen gehören, eine Erklärung abgeben, mit der sie die Zuständigkeit des IGH von Rechts wegen und ohne besondere Übereinkunft gegenüber jedem anderen Staat anerkennen, der dieselbe Verpflichtung übernimmt.

Die Abgabe der Erklärung entspricht der deutschen Völkerrechtspolitik, die auf Grundlage der völkerrechtsfreundlichen Ausrichtung des Grundgesetzes die Stärkung der internationalen Gerichtsbarkeit und der friedlichen Streitbeilegung sowie die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen zum Ziel hat. Sie steht zugleich im Einklang mit unserer Anerkennung der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge sowie mit der Haltung einer klaren Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. Daneben haben z. B. Australien, Kanada, die Schweiz, Indien, Japan, Liechtenstein, Mexiko, Neuseeland und Norwegen eine solche Erklärung abgegeben. Die Abgabe dieser Erklärung durch die Bundesrepublik Deutschland sendet ein starkes und positives Signal der Stärkung des Völkerrechts in die internationale Gemeinschaft.

Auch der Deutsche Bundestag hatte die Bundesregierung in der Vergangenheit mit breiter Mehrheit aufgefordert, eine Erklärung gemäß Artikel 36 Abs. 2 des IGH-Statuts abzugeben (Antrag vom Februar 2001, Bundestagsdrucksachen 14/5243, 14/5855).

Die Bundesregierung hat die Abgabe einer solchen Erklärung seit dem deutschen Beitritt zu den Vereinten Nationen (VN) 1973 immer wieder erwogen. Es bestanden jedoch zunächst u. a. auf Grund der deutschen Teilung und der besonderen Situation Berlins deutschlandpolitische Bedenken; in den 80er Jahren spielte auch die Frage nach den Auswirkungen des VN-Seerechtsübereinkommens eine Rolle, danach europarechtliche und andere Erwägungen. Die Bedenken sind jedoch mittlerweile weggefallen oder konnten durch die Formulierung sog. Vorbehalte ausgeräumt werden.

Solche Vorbehalte sind nach dem IGH-Statut ausdrücklich zulässig und in der Staatenpraxis üblich. Sie schränken die durch die Erklärung umfassend begründete Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs für bestimmte Bereiche oder Zeiträume ein."

Anlage

Erklärung nach Artikel 36 Abs. 2 des IGH-Statuts

1. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland erkennt im Einklang mit Artikel 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs von Rechts wegen und ohne besondere Übereinkunft gegenüber jedem anderen Staat, der dieselbe Verpflichtung übernimmt, bis zu einem an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichteten Widerruf, der vom Zeitpunkt der Notifikation sofortige Wirkung entfaltet, für alle Streitigkeiten, die nach dem Datum dieser Erklärung entstehen, in Bezug auf Situationen oder Tatsachen, die auf das genannte Datum folgen, an, mit Ausnahme von:

(i) Streitigkeiten, hinsichtlich derer sich die Streitparteien geeinigt haben oder einigen, sie durch ein anderes Mittel der friedlichen Streitbeilegung beizulegen, oder hinsichtlich derer sie übereinstimmend ein anderes Mittel der friedlichen Streitbeilegung gewählt haben;

(ii) Streitigkeiten, welche

a) die Verwendung von Streitkräften im Ausland, die Mitwirkung hieran oder die Entscheidung hierüber betreffen, daraus herrühren oder damit in Zusammenhang stehen oder

b) die Nutzung des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des dazugehörenden Luftraumes sowie von deutschen souveränen Rechten und Hoheitsbefugnissen unterliegenden Seegebieten für militärische Zwecke betreffen, daraus herrühren oder damit in Zusammenhang stehen;

(iii) Streitigkeiten, bezüglich derer eine andere Streitpartei die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs nur im Zusammenhang mit oder für die Zwecke der Streitigkeit angenommen hat, oder in Fällen, in denen die Annahme der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs im Namen einer anderen Streitpartei weniger als zwölf Monate vor der Einreichung der Klageschrift, mit der die Streitigkeit beim Gerichtshof anhängig gemacht wird, hinterlegt oder ratifiziert wurde.

2. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland behält sich ferner das Recht vor, einen der vorstehenden Vorbehalte oder einen späteren Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation mit Wirkung vom Zeitpunkt dieser Notifikation zu erweitern, zu ändern oder zu widerrufen.

Erklärung nach Artikel 36 Abs. 2 des IGH-Statuts (englisch)

1. The Government of the Federal Republic of Germany declares that it recog- nizes as compulsory ipso facto and without special agreement, in relation to any other state accepting the same obligation, the jurisdiction of the Interna- tional Court of Justice, in conformity with paragraph 2 of Article 36 of the Statute of the Court, until such time as notice may be given to the Secretary- General of the United Nations withdrawing the declaration and with effect as from the moment of such notification, over all disputes arising after the present declaration, with regard to situations or facts subsequent to this date other than:

(i) any dispute which the Parties thereto have agreed or shall agree to have recourse to some other method of peaceful settlement or which is sub- ject to another method of peaceful settlement chosen by all the Parties;

(ii) any dispute which

a) relates to, arises from or is connected with the deployment of armed forces abroad, involvement in such deployments or decisions thereon, or

b) relates to, arises from or is connected with the use for military pur- poses of the territory of the Federal Republic of Germany, including its airspace, as well as maritime areas subject to German sovereign rights and jurisdiction;

(iii) any dispute in respect of which any other Party to the dispute has accepted the compulsory jurisdiction of the International Court of Justice only in relation to or for the purpose of the dispute; or where the acceptance of the Court's compulsory jurisdiction on behalf of any other Party to the dispute was deposited or ratified less than twelve months prior to the filing of the application bringing the dispute before the Court.

2. The Government of the Federal Republic of Germany also reserves the right at any time, by means of a notification addressed to the Secretary-General of the United Nations, and with effect as from the moment of such notification, either to add to, amend or withdraw any of the foregoing reservations, or any that may hereafter be added.