Friedensbewegung gegen Modernisierung der Kernwaffen und für Ausstieg aus Atomtechnologien
Von Reiner Braun, Hiroshima

Zehntausende haben am Montag im Friedenspark der westjapanischen Stadt Hiroshima der Opfer des ersten Atombombenangriffs durch die USA vor 67 Jahren gedacht. Zeitgleich fand eine Demonstration gegen die zivile Nutzung der Atomkraft statt.

6. August 2012. Schon seit sieben Uhr versammeln sich bei tropischer Hitze Tausende Bürgerinnen und Bürger im Friedenspark von Hiroshima zu einer eindrucksvollen Kundgebung der Erinnerung und des Willens, alles zu tun, damit die Nuklearwaffen von der Erde verbannt werden. Kurz nach acht trifft auch die politische Prominenz ein, darunter der japanische Premierminister Yoshihiko Noda und Angela Kane, die Verantwortliche für Abrüstung bei den Vereinten Nationen, als Vertreterin des UN-Generalsekretärs. Ban Ki Moon betont in seinem Grußwort, dass es »ohne aktive Zivilgesellschaft keine Nuklearwaffenkonvention geben« werde.

Vertreten ist auch die internationale Friedensbewegung - mehr als 500 Aktivisten debattierten in Hiroshima auf einer mehrtägigen Konferenz über Strategien für eine atomwaffenfreie Welt.

Über 7000 Teilnehmer waren es dann auf der anschließenden japanischen Friedensveranstaltung. Die Friedensbewegung im Lande ist eine wirkliche Massenbewegung.

Es war kurz nach acht Uhr am 6. August 1945, als am strahlend blauen Himmel von Hiroshima ein Flugzeug auftauchte. Die Luftabwehr nahm es nicht zu Kenntnis. In Bruchteilen von Sekunden verwandelten die ungeheure Explosion und die unmittelbar folgenden Feuerwellen die Stadt mit ihren 350 000 Einwohnern in ein gigantisches Inferno. Drei Tage später wurde eine weitere US-Atombombe auf die Stadt Nagasaki abgeworfen. Mehr als 100 000 Menschen wurden in diesen beiden Städten sofort getötet, 400 000 starben bis heute auf schreckliche Weise an den Folgen der atomaren Verseuchung.

67 Jahre danach lagern weltweit noch immer fast 20 000 Atomsprengköpfe mit einer Zerstörungsgewalt, die 900 000 Mal so groß ist wie die der Hiroshima-Bombe. Das Leben, wahrscheinlich sogar der Planet würden bei einem Atomwaffenkrieg unwiderruflich zerstört. Trotzdem werden Kernwaffen weiter modernisiert. Neben diesem Thema bestimmte ein weiteres Schlagwort die aktuellen Debatten aller offiziellen und friedensbewegten Veranstaltungen dieser Tage: Fukushima.

Es war ein Schicksalsschlag, dass das Land des ersten Atombombenabwurfs auch zum Ort einer der größten Katastrophen der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernkraft geworden ist. Die japanische Friedensbewegung hat nach dem Desaster mit ihrer Forderung nach einem Ausstieg aus dieser nicht beherrschbaren Technologie, deren Nutzung zutiefst unethisch und verantwortungslos ist, endlich die notwendige Konsequenz gezogen. Anders die Regierungspolitik, die mit dem Wiederanfahren von zwei Reaktoren auf das Vergessen der Bürger setzt. Doch zeigt der überwältigende Protest in Japan in den vergangenen Wochen, dass dies nicht gelingen wird.

Unwidersprochen blieb die grundsätzliche Absage an die Nukleartechnologien aber nicht. Es sind nicht nur Regierungen und die UNO, die bei allen Worten der Trauer über Fukushima die Ursache dieser Katastrophe, die Atomtechnologie, mit Verweis auf den Atomwaffensperrvertrag (NPT) weiter anwenden wollen. Auch Friedensbewegte etwa aus Indien, China und Vietnam waren noch nicht bereit, sich in die weltweite Anti-Atombewegung einzureihen.

Einhelliger ist da die Ablehnung der Modernisierung von Atomwaffen. Das Pleiteland USA beispielsweise will dafür in den nächsten Jahren 700 Milliarden Dollar ausgeben, Russland, wo ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsschwelle lebt, mehr als 100 Milliarden. Im ökonomisch taumelnden Europa werden die britischen Tridents modernisiert und neue französische Atom-U-Boote gebaut. Auch die in Deutschland stationierten US-amerikanischen Atombomben sollen modernisiert werden.

So bestimmte die Forderung nach Intensivierung und Radikalisierung der Aktionen gegen alle Kernwaffen, aber auch gegen die Atomkraftwerke in der Welt die Friedenskonferenz in Hiroshima. Intensiv wurde dabei der Vorschlag diskutiert, die Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag 2015 in New York zu boykottieren, wenn es bis dahin nicht zu einem Beginn von Verhandlungen über eine Konvention zur Abschaffung aller Atomwaffen kommt.

  aus: neues deutschland, Dienstag, 7. August 2012