Auf dem Prüfstand: die Aussagen in vier Europawahl-Programmen (CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke) zum „europäischen Friedensprojekt“


von Volkert Ohm, Mitglied im Vorstand der IALANA Deutschland,  vom 3.4.20

Alle vier Auszüge aus Programmen zur Europawahl (siehe Anhang) führen in den Überschriften „Frieden“ als Politikziel der Europäischen Union. Aber man darf sich nicht täuschen lassen: nicht in jedem Karton, auf dem das Etikett “Friedensprojekt” draufsteht ist, ist das Konzept für eine friedensstiftende Politik enthalten. Das haben schon die seit Gründung der Europäischen Union gemachten Erfahrungen gezeigt. Bereits mit dem Vertrag von Maastricht wurde 1993 die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als Politikbereich eingerichtet. Als Ziel dieses Politikbereiches wurde in Art. J.1 Abs.2 genannt: „die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechend den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen sowie den Prinzipien der Schlussakte von Helsinki und den Zielen der Charta von Paris“.



Dieses Friedensgebot ist seitdem auf den Politikfeldern Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik fortlaufend geschwächt und an den Rand gedrängt worden, und zwar sowohl auf der theoretisch- ideologischen Ebene in politischen und juristischen Debatten, als auch auf der praktischen Ebene des politischen Handelns. Auf beiden Ebenen dominierte sowohl in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU, als auch im Bündnis insgesamt die ideologische Unterstellung, dass Aufrüstung im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich sei und gleichzeitig – wegen der damit angeblich bewirkten Abschreckung - auch der Friedenssicherung diene.


 Infolge dieser Ideologie haben sich die Militärausgaben der fünf Mitgliedstaaten mit den höchsten Rüstungsetats (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien) von 1995 bis 2017 in der Summe von 184 Mrd. US$ auf 192 Mrd. US$ erhöht. Die Militärausgaben sämtlicher EU-Mitgliedstaaten beliefen sich 2017 laut SIPRI-Statistik auf insgesamt 253 Mrd. US$ (laut EU-Verteidigungsagentur 214 Mrd. US$). Zum Vergleich: Die Militärausgaben der USA beliefen sich 2017 auf 597 Mrd. US$, und die der Russischen Fed. beliefen sich 2017 auf 55 Mrd. US$. Die infolge des neu entbrannten Kalten Krieges bestehenden Tendenzen zu einer immensen weiteren Steigerung der Militärausgaben sind erschreckend. Diese Tendenzen werden gegenwärtig von den allermeisten Regierungsparteien der EU-Mitgliedstaaten mitgetragen – in Deutschland nicht nur von CDU/CSU und SPD, sondern auch von AfD und FDP.


„Artikel 41(2) des EU-Vertrages verbietet es – eigentlich – Militärausgaben aus dem EU-Budget zu bezahlen. Mit verschiedenen Tricks, u.a. indem behauptet wird, die Rüstungsgelder dienten primär der „Wettbewerbsförderung“, wird aktuell aber daran gearbeitet, dieses Verbot im nächsten EU-Haushalt 2021 bis 2027 endgültig ad acta zu legen. Der Haushaltsvorschlag der Kommission umfasst insgesamt 65,6 Mrd. Euro: 13 Mrd. Euro sind über den EU-Verteidigungsfonds (EVF) für die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsgütern vorgesehen (über nationale Hebel ergeben sich bis zu 48,6 Mrd.). Aus dem EVF sollen bevorzugt PESCO-Rüstungsprojekte finanziert werden. Damit sich Mitgliedsstaaten an diesem wichtigen neuen Mechanismus beteiligen können, müssen sie aber zustimmen, eine Reihe von Aufrüstungskriterien zu erfüllen. Weitere 6,5 Mrd. sollen in die „Militärische Mobilität“, also Infrastrukturmaßnahmen zur schnellen Verlegung von Truppen insbesondere nach Osteuropa fließen. Und schließlich ist die völlig irreführend benannte „Friedensfazilität“ zwar kein offizieller Teil des Haushalts, sie ist aber dafür vorgesehen, große Teile künftiger EU-Militäreinsätze zu finanzieren und auch die Kosten für die Ausbildung und besonders die Aufrüstung „befreundeter“ Staaten (oder Rebellengruppen), die sog. „Ertüchtigung“, sollen diesem Topf entnommen werden.“ (Auszug aus „Fact-Sheet: Rüstung“ IMI Dezember 2018)

Das Friedensgebot des EUV wird auch unterlaufen durch die Rüstungsexporte einzelner Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien gefolgt von Spanien und Italien. Im Jahr 2011 exportierten die Länder der Europäischen Union zusammen Rüstungsgüter im Wert von 37,52 Mrd. Euro – Tendenz steigend. Viele dieser Waffen wurden in Krisenregionen und/oder in Länder transferiert, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

Deutschland alleine hat in den Jahren 2004 bis 2015 Waffenexportgenehmigungen (Einzel- und Sammelgenehmigungen) in Höhe von 96,75 Mrd. Euro erteilt. (für weitere Informationen: Rüstungsexportberichte der Bundesregierung und IMI-Broschüre „Europas Rüstungsexportoffensive - Politische und industrielle Interessen hinter dem Geschäft mit dem Tod“ von Jürgen Wagner)


Weitere wichtige Gesichtspunkte/Kriterien für die Prüfung der Wahlprogramme neben Umfang und Art der Rüstung und neben den Rüstungsexporten sind:

Formierung gemeinsamer europäischer Streitkräfte,

    Auslandseinsätze bereits bestehender europäischer Armeeverbände incl. Ausbildungsmissionen u.ä.

    Stationierung nuklearer Waffensysteme in Europa (nukleare Teilhabe),

    Einbindung der GSVP in die strategischen Konzepte und Entscheidungen der NATO

    künftige Erweiterung der EU und der NATO Richtung Osten (z.B. Ukraine und Georgien)

    parlamentarische Kontrolle jeglicher Beschlüsse und Maßnahmen des Europarates betreffend Rüstungsprojekte, Rüstungsexporte, Auslandseinsätze etc. im Rahmen der GASP/GSVP

    Zuständigkeit der Europäischen Gerichtshofes für die Prüfung der Vereinbarkeit von GSVP-Maßnahmen mit dem Friedensgebot und mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen

  Förderung einer gemeinsamen europäischen Friedensforschung und Forschung über Rüstungskonversion.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


Anhang:  Auszüge aus Europawahl-Programmen betreffend das Thema „Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)“
 


Auszug aus dem Wahlprogramm der CDU/CSU für die Europawahl 2019



https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/europawahlprogramm.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=18290

2.3 Unser Europa schafft Frieden

Frieden: Unser Europa sorgt für Sicherheit und Stabilität. Unser Europa ist das erfolgreichste Friedensprojekt nach innen und behauptet sich außenpolitisch als Friedensmacht in der Welt. Unser Europa trägt so entscheidend zu Sicherheit und Stabilität bei. Wir wollen unsere zivilen und militärischen Kräfte im Rahmen des vernetzten Ansatzes bündeln, um eigenständig handlungsfähig zu bleiben. Unser Ansatz kombiniert die Mittel der Diplomatie, der Verteidigung und der Entwicklungszusammenarbeit für vorbeugende, friedensschaffende und friedenserhaltende Maßnahmen. In einem Zeitalter neuer globaler Unübersichtlichkeit müssen wir komplexen Krisen flexibel und individuell begegnen. Unser Europa wird noch stärker eine verantwortungsvolle internationale Politik gestalten. Gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir für den Erhalt einer regelbasierten Ordnung. Sicherheit und Stabilität in Partnerschaft: Das leitet uns auch künftig.

Außenpolitik: Unser Europa spricht mit einer Stimme und bringt sein politisches Gewicht in die Welt ein. Europa steht weltweit einzigartig für eine wertegeleitete Außenpolitik und für multilaterale Lösungen. Das gilt insbesondere im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und in anderen internationalen Organisationen. Wir treten dafür ein, dass für die EU ein zusätzlicher, gemeinsamer ständiger Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geschaffen wird. Wir müssen in der Europäischen Union schneller als bisher zu gemeinsamen Positionen kommen. Deshalb wollen wir auch in der Außen- und Sicherheitspolitik zu Mehrheitsentscheidungen kommen und das Einstimmigkeitsprinzip hinter uns lassen. Wir treten für die Schaffung eines europäischen Sicherheitsrats unter Einbezug Großbritanniens ein.

Ein außenpolitisch starkes Europa weist, wenn nötig, Aggressoren in die Schranken und macht sich nicht erpressbar. Daher setzen wir uns für eine europäische Energieunion ein und fordern gleichzeitig die Verlängerung der Russland-Sanktionen, bis die Minsker Vereinbarungen vollständig umgesetzt sind. In Bereichen gemeinsamer Interessen, beispielsweise bei der Abrüstung, der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen oder bei der Bekämpfung des Klimawandels, suchen wir die Zusammenarbeit mit Russland. Auch bei unterschiedlich gelagerten Interessen und Konflikten bleibt unser Europa im ständigen Gespräch, denn wir setzen immer zuallererst auf diplomatische Lösungen.

Transatlantische Beziehungen: Unser Europa tritt für die Werte des Westens ein. Unser Europa verteidigt im Wettbewerb der Systeme und rivalisierenden Weltmächte selbstbewusst seine Werte und Interessen. Es tritt für den Dreiklang des Westens ein: freiheitliche Demokratie, Soziale Marktwirtschaft und eine offene Gesellschaft. Wir sind weiterhin am stärksten mit Nordamerika über diese gemeinsamen Werte und Interessen verbunden. Wir wollen die transatlantische Freundschaft neu beleben und wieder intensivieren. Und das heißt für Europa: Wir müssen in Zukunft einen stärkeren Beitrag in dieser Partnerschaft leisten.

Verteidigungsunion: Unser Europa nimmt sein Schicksal verstärkt in die eigenen Hände. Unser Europa baut verteidigungspolitisch auf die transatlantische Rückversicherung im Rahmen der NATO. Gerade deshalb bekennen wir uns uneingeschränkt zur NATO. Zugleich erwarten die USA von uns Europäern, dass wir unser Schicksal verstärkt in unsere eigenen Hände nehmen. So muss gelten: Unser Europa muss sich selbst verteidigen können. Wir bleiben transatlantisch und werden zugleich europäischer. Daher wird unser Europa gemeinsame europäische Streitkräfte bis 2030 in die Tat umsetzen. Dabei wollen wir die militärische Zusammenarbeit der nationalen Streitkräfte erheblich verbessern und stärker vernetzen. Hierfür wollen wir im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit die Kooperation der schon bereits bestehenden europäischen Armeeverbände ausbauen. Wir wollen mit Hilfe der Europäischen Rüstungsagentur und dem Europäischen Verteidigungsfonds gemeinsame Rüstungsprojekte und Rüstungsbeschaffung fördern. Zudem wollen wir die Zahl der unterschiedlichen Waffensysteme reduzieren und die Entwicklung gemeinsamer militärischer Fähigkeiten und neuer Technologien vorantreiben. Unser Europa vermeidet so unnötige Ausgaben, erlangt bessere Verteidigungsfähigkeit und entwickelt Schritt für Schritt eine gemeinsame Sicherheitskultur sowie gemeinsame europäische Rüstungsexportrichtlinien.

Wir brauchen als Europäer eigene militärische Fähigkeiten, um auch selbst schnell und zielgerichtet auf Bedrohungslagen in der näheren Umgebung reagieren zu können. Wir wollen mit europäischen Partnern, die dazu willens und fähig sind, eine Europäische Eingreiftruppe aufbauen.

Unser Europa muss auch auf neue Bedrohungen aus dem Internet eine wirksame Antwort geben können. Daher bauen wir in den kommenden zwei Jahren eine schlagkräftige CyberBrigade auf, um Cyberattacken, Terrorismus, Bedrohung kritischer Infrastruktur und Desinformation europaweit erfolgreich abwehren und selbst offensive Fähigkeiten entwickeln zu können.



Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD für die Europawahl 2019



https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Europa_ist_die_Antwort/SPD_Europaprogramm_2019.pdf

VIII. Friedensmacht Europa stärken

70 Jahren lang traten die USA ein für Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in Europa. In dieser Zeit profitierten wir wie kaum ein anderes Land von der Europäischen Integration und der Einbindung in die transatlantische Gemeinschaft.

Die Dringlichkeit, mit der wir die Kraft Europas in der Welt bündeln müssen, ist heute größer denn je. Die Kündigung des INF-Abrüstungsabkommens ist ein schwerer Schlag für die internationale Rüstungskontrollpolitik und ein schlechtes Vorzeichen für die Sicherheit in der Welt. In den sechs Monaten der Suspendierung des Abkommens bis zu dessen endgültigem Aus wollen wir alles unternehmen, um Russland zu einer Rückkehr zur Vertragstreue zu bewegen und die Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, zu dem Abkommen zurückzukehren.

Das drohende Scheitern des INF-Abkommens deutet aber auch auf ein viel größeres Problem hin: immer mehr Staaten rüsten auf und wir haben keine ausreichenden internationalen Regelungen um Rüstungswettläufe zu verhindern. Vertragsgestützte Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung müssen wieder in den Mittelpunkt unserer Politik gerückt werden. Wir wollen in der Rüstungskontrolle die bestehenden Abkommen erhalten und möglichst viele Staaten in neue Abkommen einbinden. Außerdem müssen wir internationale Regeln für die Waffensysteme der Zukunft schaffen: Dazu gehören Letale Autonome Waffensysteme, Hyperschallwaffen, Cyber-Instrumente und der mögliche Missbrauch von Biotechnologie. Unsere Position ist klar: Wir wollen keine neue Aufrüstungsspirale. Eine Stationierung nuklearer landgestützter Mittelstreckenwaffen in Europa kann nicht die Antwort sein.

Die Sicherung des Friedens, die soziale Gestaltung der Globalisierung, der Klimawandel, die Ursachen von Flucht und Vertreibung – zu diesen weltweiten Herausforderungen kann Europa mit der vereinten Kraft seiner 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger einen entscheidenden Beitrag leisten. Wir wollen, dass Europas Fahne das neue Banner der freien Welt bleibt. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass Europa zusammen mit anderen Partnern sein ganzes politisches Gewicht einbringt und eine friedliche, gerechte und regelbasierte internationale Ordnung fortentwickelt. Hierfür brauchen wir Mut und politische Klarheit in Europa, um ein Gegengewicht zu Nationalismus und Abschottung der Populisten zu bilden.

Gemeinsame Außenpolitik stärken und für eine Politik der Abrüstung.

Wir wollen ein Europa, in dem die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien auch nach dem absehbaren Brexit eng und partnerschaftlich sind. Großbritannien verlässt zwar die EU, bleibt aber ein wichtiges und starkes Land in und für Europa. Die EU-Erweiterungspolitik bleibt wichtig, um Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit zu fördern. Zugleich muss die EU durch innere Reformen ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Wir halten an der Beitrittsperspektive für die Länder des westlichen Balkans fest. Wir schenken der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dabei besondere Aufmerksamkeit.

Eine besondere Herausforderung für uns ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten sind und bleiben die Beziehung zwischen der Türkei und Europa sowie Deutschland von großer Bedeutung - auch vor dem Hintergrund der vielen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland und Europa. Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten der Zivilgesellschaft steht im Widerspruch zu den Werten der Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die grundlegend für die europäische Wertegemeinschaft sind. Weder die Türkei noch die Europäische Union sind in absehbarer Zeit für einen Beitritt bereit. Die südliche und östliche Nachbarschaft der EU wollen wir durch eine immer engere Zusammenarbeit in ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützen, auch weil wir als EU selbst ein großes Interesse an einer stabilen Nachbarschaft haben.

Willy Brandt, Egon Bahr, Olof Palme, François Mitterrand…Wir sind die Partei des Dialogs und Ausgleichs, der Suche nach gemeinsamen Interessen sowie des mutigen Voranschreitens für Gerechtigkeit und Demokratie. Unsere EU-Außenpolitik basiert auf der Einhaltung der Menschenrechte mit einem besonderen Augenmerk auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Angesichts von Kriegsgefahren, Kriegen und Krisen sind hierfür die Herausforderungen deutlich gestiegen. Europa kann sich seiner eigenen Kraft besinnen – und seine Eigenständigkeit unter Beweis stellen. Europa muss sich stark machen für das internationale Recht, für multilaterale Lösungen, für Abrüstung und Frieden sowohl in Europa als auch in anderen Regionen der Welt.

Was wir machen:

Europa muss alles daransetzen, das internationale Abrüstungsregime vor dem Kollaps zu bewahren. Die noch verbleibende Zeit muss genutzt werden, um den INF-Vertrag zum Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen trotz der Kündigung durch US-Präsident Trump möglichst doch noch zu retten. Auch werden wir keinen Zweifel daran lassen, dass wir ein neues atomares Wettrüsten strikt ablehnen: keine neuen Atomwaffen in Deutschland und Europa! Wir wollen zudem die weiteren Abrüstungsinitiativen von Heiko Maas zur Einbeziehung von autonomen Waffensystemen und Cyberwaffen europäisch unterlegen.

Europa wird in der Welt durch einen europäischen Außenminister / eine Außenministerin vertreten. Das Amt des „Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ wollen wir fortentwickeln. Wer mit Europa verhandeln will, muss wissen mit wem er es zu tun hat.

Das Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Entscheidungen wird abgeschafft. Der Rat der europäischen Außenministerinnen und Außenminister soll mit Mehrheit entscheiden können. Es muss ein Ende haben, dass Mitgliedsstaaten sich auseinanderdividieren lassen und sich Europa damit außenpolitisch lähmt.

Europa strebt gemeinsam einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) an. Die deutsche Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat 2019 und 2020 wollen wir als europäische Mitgliedschaft gestalten.

Initiative für eine neue Nord-Süd Strategie. Wir wollen, dass die Beziehungen Europas mit seinen internationalen Partnern, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent, an den Prinzipien der Menschenrechte, der Friedenssicherung, der nachhaltigen Entwicklung und der Überwindung struktureller Ungleichheiten neu ausgerichtet werden. Um die weltweite Umsetzung der Pariser Klimaziele zu intensivieren, wollen wir die Bedeutung und die Kapazitäten der Klimadiplomatie Europas ausbauen.

Zur Stärkung der europäischen Friedenspolitik fordern wir ein neues ziviles „Europäisches Stabilisierungcorps“. Alle Mitgliedsstaaten entsenden dafür Expertinnen und Experten für demokratischen Staatsaufbau, Etablieren von Rechtsstaatlichkeit und-ordnung und Ausbildung von Sicherheitskräften. Wir wollen ferner die Internationalen Polizeimissionen ausweiten, damit die Polizei mit ihrer Expertise und ihren Fähigkeiten dazu beitragen kann, dass kriegerische Konflikte außerhalb Europas friedlich gelöst werden können. Im besten Fall können so auch rechtsstaatliche Strukturen gefördert und damit letztlich auch Fluchtursachen vor Ort bekämpft werden.

Unsere Entwicklungszusammenarbeit hat die Befähigung zu stabiler Staatlichkeit sowie eigenständiger sozialer, nachhaltiger und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zum Ziel. Eine Zweckentfremdung der Mittel, etwa um ausschließlich auf Migrationsbewegungen Einfluss zu nehmen, lehnen wir genauso ab, wie das Einsetzen von Entwicklungsgeldern für militärische Zwecke. Europa soll vielmehr eine Vorreiterrolle einnehmen bei der Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs). Ziel Nummer fünf, die Gleichstellung der Geschlechter, ist dabei für uns ein durchgängiges Prinzip. Die Fähigkeiten zur zivilen Krisenprävention und Konfliktbewältigung sowie die Programme zur Entwicklungszusammenarbeit müssen ausgebaut und mit ausreichend Ressourcen unterstützt werden. Wir stehen weiterhin zum Ziel, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Die Entwicklungszusammenarbeit wollen wir im Dialog mit den Staaten und den Zivilgesellschaften des globalen Südens ausgestalten.

Eine gemeinsame parlamentarisch kontrollierte europäische Armee. Der Ausbau der europäischen Verteidigungsfähigkeiten ist eine Voraussetzung für die Stärkung europäischer Souveränität und die richtige Antwort auf das Wiedererstarken des Nationalismus. Damit leisten wir auch einen Beitrag zur inneren Friedenssicherung. Um auch in Europa einen Rückfall in eine überkommene Aufrüstungslogik zu verhindern, setzen wir auf europäische Synergie, die eine effektive Konzentration der Verteidigungskräfte ermöglicht und damit eine generelle Erhöhung der Rüstungsausgaben unnötig macht. Der Einsatz darf nur durch das Europäische Parlament genehmigt werden. Ein neu zu schaffender Verteidigungsausschuss im Europäischen Parlament sichert die Kontrollrechte der Abgeordneten und begleitet parlamentarisch den Prozess der Integration der europäischen Streitkräfte.

Synergien statt pauschaler Erhöhung der Rüstungsausgaben und restriktive Exportkontrolle. Wir lehnen die pauschale Erhöhung der Rüstungsausgaben ab. Gleichzeitig wollen wir unsere Soldatinnen und Soldaten mit moderner Ausrüstung versorgen. Dafür setzen wir auch hier auf europäische Synergie durch den Aufbau einer gemeinsamen Beschaffungspolitik. Dafür führen wir auch eine gemeinsame restriktive Kontrolle von Rüstungsexporten ein, die durch ein parlamentarisches Kontrollgremium mitüberwacht wird und Verstöße hart sanktioniert. Wir wollen keine Rüstungsexporte in Krisengebiete und Diktaturen. Wir brauchen eine europäische Regelung für Rüstungsexporte, die eindeutig und verbindlich ist sowie restriktive Grenzen setzt.

Zusammenarbeit mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stärken. Die OSZE wollen wir als Instrument der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung stärken und weiterentwickeln. Gerade auch in diesem Rahmen gilt es eine neue europäische Ostpolitik zu entwickeln. Trotz aller Rückschläge und Probleme im Verhältnis zu Russland ist klar: Dauerhafter Frieden in Europa ist nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich. Deshalb ist es wichtig, trotz Differenzen im Dialog zu bleiben. Dafür nutzen wir auch die gewachsenen Strukturen der Ostseekooperation, in die Russland als Partner eingebunden ist.



Auszug aus dem Wahlprogramm der GRÜNEN für die Europawahl 2019



https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/B90GRUENE_Europawahlprogramm_2019.pdf

4.3 KRISEN VERMEIDEN, FRIEDEN UND SICHERHEIT GARANTIEREN

Als Friedensmacht ist es oberste Pflicht von uns Europäer*innen, aktiv an einer globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitzuarbeiten. Im Mittelpunkt muss eine Politik stehen, die verhindert, dass Krisen und Konflikte überhaupt entstehen. Von einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention der EU sind wir noch weit entfernt. Wenn die EU ihre Rolle als zivile Macht ernst nimmt, darf sie nicht nur auf die Verteidigung schauen. Zivile und präventive Maßnahmen sind frühzeitig zu ergreifen und nicht erst, wenn Konflikte schon entflammt sind. Das gilt besonders auch für Post-Konflikt-Situationen, auch in Regionen, die nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen. Das Wiederaufflammen von Kriegen und gewaltsamen Konflikten lässt sich am besten verhindern, wenn frühzeitig in Kooperation mit lokalen Akteur*innen Strukturen vor Ort unterstützt und gegebenenfalls aufgebaut werden, die Sicherheit herstellen und die Versorgung aller Menschen in einer Region ermöglichen. Damit sich Friedenspolitik auf europäischer Ebene nicht nur am kleinsten gemeinsamen Nenner orientiert, setzen wir uns für das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik im Europäischen Rat ein. Eine zivile Säule des außenpolitischen Handelns, die Diplomatie, ist der nachhaltigere, stärkere Pfeiler einer menschenrechtsorientierten Friedens- und Außenpolitik. Dementsprechend wollen wir den Europäischen Auswärtigen Dienst ausbauen und auch die Aus- und Weiterbildung der Diplomat*innen stärken. Wir plädieren dafür, die konsularischen Dienste der Mitgliedsländer gemeinsam in europäischen Botschaften zu bündeln und dadurch Personalkapazitäten für die eigentlichen diplomatischen Aufgaben freizusetzen. Gerade in Zeiten zahlreicher Krisen und Konflikte wollen wir zugleich die auswärtige Bildungs- und Kulturpolitik nutzen und stärken – als dritte Säule der Außenpolitik und wirkungsmächtiges Instrument europäischen Handelns, das den Kontakt mit der globalen Zivilgesellschaft sichert und Gesprächskanäle öffnet, wo sonst Schweigen und Blockade herrschen. Wir unterstützen den Europäischen Auswärtigen Dienst in seinen Bestrebungen, auch für den zivilen Bereich feste Ausbauziele und gemeinsame Schwerpunkte festzulegen. Ähnlich wie die Battlegroups im militärischen Bereich brauchen wir auch ein ziviles Einsatzteam, damit im Krisenfall schnell zivile staatliche und nicht staatliche Experten wie Polizisten, Juristen, Mediatoren oder Verfassungsexperten entsandt werden können. Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung gehören ins Zentrum der europäischen Friedens- und Außenpolitik. Wir wollen die Mittel und das Personal, zum Beispiel für die EU- Polizei- und Rechtsstaatsmissionen, deutlich erhöhen. Die Kapazitäten für Frühwarnung und Mediation wollen wir ausbauen und zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs stärker einbinden. Das Europäische Friedensinstitut wollen wir stärken, gerade auch mit deutscher Beteiligung. Wir stellen uns gegen den fatalen Paradigmenwechsel, zivile Gelder aus dem EU-Haushalt für militärische Zwecke oder zur Abwehr von Geflüchteten umzuwidmen. Die Trennschärfe zwischen entwicklungspolitischen und militärischen Maßnahmen muss bewahrt werden. Wir lehnen sowohl die Öffnung des Instruments für Stabilität und Frieden für militärische Zwecke als auch den Plan der EUKommission ab, dieses Instrument ab 2021 gemeinsam mit den elf anderen außenpolitischen Finanzinstrumenten zum "Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Kooperation" zu verschmelzen. Dieser neue große Topf birgt die Gefahr, dass die Bekämpfung von Fluchtursachen militärisch gedacht wird. Stattdessen fordern wir eine Verdoppelung der Mittel im Bereich der zivilen Krisenprävention.

Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete stoppen

Europa exportiert Waffen und Rüstungsgüter in Kriegs- und Krisengebiete sowie in Diktaturen. Das wollen wir stoppen. Wirtschaftsinteressen dürfen nicht den Frieden gefährden. Da viele Rüstungskonzerne über Grenzen hinweg eng zusammenarbeiten, brauchen wir auch eine effektive, strenge und gemeinsame Rüstungsexportkontrolle in der EU. Es braucht einklagbare strenge Regeln und Sanktionsmöglichkeiten. Deshalb wollen wir Nichtregierungsorganisationen ein Verbandsklagerecht einräumen, um die Rechtmäßigkeit genehmigter Rüstungsexporte überprüfen zu lassen. Besonders viele Opfer weltweit fordert der Einsatz von kleinen und leichten Waffen. Die Bundesregierung muss zunächst den Export dieser Waffen und ihrer Munition an Drittstaaten komplett verbieten und nur wenige und gut begründete Ausnahmen ausschließlich im Rahmen von Missionen mit UN-Mandat zulassen. Ein solches Exportverbot für Kleinwaffen fordern wir auch auf europäischer Ebene. Auch wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen genutzt werden. Wir fordern daher, dass die Einhaltung der gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von Militärtechnologie und Militärgütern (gemeinsamer Standpunkt des Rats von 2008) überprüft und Verstöße gerichtlich geahndet werden können. Im Rahmen der Überarbeitung der Dual-Use-Verordnung fordern wir die Einführung einer allgemeinen Menschenrechtsklausel, die nicht nur auf Überwachungstechnologie anzuwenden ist. Der Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland ist der wesentliche Pfeiler der internationalen Rüstungskontrolle und der europäischen Sicherheitsarchitektur. Die einseitige Aufkündigung dieses Vertrags durch die USRegierung wäre fatal. Seit 2014 gibt es substanzielle Vorwürfe gegen Russland, den Vertrag durch die Entwicklung eines neuen Raketensystems zu verletzen. Dennoch halten wir es für falsch, dieses Abkommen zu verlassen. Denn so steigt die Gefahr eines weltweiten nuklearen Wettrüstens dramatisch an – nicht nur zwischen den USA und Russland, sondern auch mit Blick auf andere Atommächte wie China, Iran oder Indien. Gegenseitige Inspektionen der umstrittenen Waffensysteme wären jetzt das Gebot der Stunde, so wie der INF-Vertrag es für den Streitfall vorsieht. Die EU muss jetzt alles dafür tun, dass der INF-Vertrag erhalten bleibt. Es ist nötiger denn je, glaubwürdig für den Erhalt und die Stärkung internationaler und regionaler Rüstungskontrollregime einzutreten. Maßnahmen zur Abrüstung muss die EU auch auf neue Bereiche der Kriegsführung – wie das Internet, den Weltraum und autonome Waffensysteme – ausdehnen. Wir wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Das gilt insbesondere für die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verbreitung voll-autonomer Waffensysteme, bei denen Auswahl und Bekämpfung von Zielen keiner Steuerung durch den Menschen unterliegen. Sie können zu massiven Völkerrechtsverletzungen führen und ein neues Wettrüsten ankurbeln. Deshalb soll sich die EU für eine umfassende völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme (LAWs) einsetzen. Außerdem muss die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein atomwaffenfreies Europa als auch international, und ihre Mitglieder zur Unterzeichnung des UN-Vertrags auffordern.

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Heutzutage werden Sicherheitsrisiken immer komplexer und reichen von der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen bis hin zur Bedrohung der Energie- und Umweltsicherheit, während zugleich militärische Annexionen direkt vor unserer Haustür stattfinden. Europa kommt gar nicht darum herum, sich diesen Herausforderungen stärker selbst zu stellen. Die NATO hat nach wie vor eine wichtige Bedeutung für die Sicherheit Europas. Doch auch angesichts der Spannungen und Konflikte im NATO-Bündnis ist es sinnvoll, die Sicherheit Europas stärker gemeinsam voranzutreiben. An der Vision einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung, die den Raum der OSZE umfasst, halten wir fest. In diesem Sinne wollen wir an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsunion arbeiten und die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, anstatt immer mehr Geld in nationale Rüstungssektoren zu pumpen. Den Aufbau einer europäischen Atommacht lehnen wir ab. Genauso wenig wollen wir, dass Deutschland sich atomar bewaffnet oder sich unter den Schutzschild der französischen Atomstreitkräfte stellt. Forderungen aus der NATO, die nationalen Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, lehnen wir ab. Aus Sicht der EU-Kommission würden sich schon jetzt durch eine tief gehende Kooperation im Verteidigungsbereich Einsparungsmöglichkeiten von 25 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr ergeben. Statt 17 nicht funktionsfähiger Systeme sollten wir besser ein funktionierendes System schaffen. Wir unterstützen daher grundsätzlich die ständige und strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO), wobei die zivile Seite der Sicherheitskooperation bislang deutlich hinterherhinkt. PESCO ist mit der Teilnahme von 25 der 28 Mitgliedstaaten zu einem Projekt nahezu der gesamten Europäischen Union geworden. Die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich darf aber nicht dazu führen, dass wir zusätzliches Geld in ein ineffizientes System der Verteidigungsbeschaffung stecken. Was europäisch getan wird, darf nicht noch parallel national weitergeführt und finanziert werden. Vielmehr wollen wir eine sicherheitspolitische Integration auf europäischer Ebene im Sinne einer echten Umsetzung des „Pooling & Sharing“. Die europäischen Verteidigungsausgaben dürfen auch nicht zulasten anderer Aufgaben der EU gehen. Die Umwidmung bisher ziviler Haushaltstitel auf EU-Ebene lehnen wir ab. Die Entwicklung des Europäischen Verteidigungsfonds verfolgen wir kritisch und setzen uns für mehr Transparenz und Kontrollmöglichkeiten durch das Europäische Parlament ein. Der Fonds darf nicht zu Aufrüstung führen. Wir sind gegen eine Etablierung von Parallelstrukturen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) wie die Europäische Interventionsinitiative (EII). Ein gemeinsames außen- und sicherheitspolitisches Vorgehen Europas kann es nur innerhalb der Strukturen der Europäischen Union geben. Damit der Einsatz des Militärs auch wirklich das äußerste Mittel bleibt, muss der zivile Aspekt der Sicherheit deutlich gestärkt werden, wozu vor allem die Nichtverbreitung von Waffen, die Verhinderung von Völkermord, die wirtschaftliche Entwicklung, die Rechtsstaatlichkeit, die Vermittlung und Versöhnung und die territoriale Integrität zählen. Wichtig ist für uns, dass die gemeinsamen Verteidigungsprojekte auch parlamentarisch durch das Europäische Parlament kontrolliert werden. Aus nationaler Erfahrung wissen wir, dass Großprojekte ohne Transparenz und echte Kontrollmöglichkeiten häufig in Missmanagement und Korruption enden. Außerdem brauchen wir eine regelmäßige Debatte zu Einsätzen, die im Rahmen der Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU durchgeführt werden. Auch die Evaluierung solcher Missionen sollte durch das Europaparlament erfolgen. Nationale Parlamentsvorbehalte dürfen im Zuge einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments aber nicht abgeschafft oder unterwandert werden. Mitgliedstaaten sollen auch in Zukunft die Möglichkeit haben, nicht an GSVP-Missionen teilzunehmen.

Europäischer Beitrag zur Konfliktprävention, Friedenssicherung und Schutz vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Eine an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik, die dem Schutzprinzip des Völkerrechts verpflichtet ist, bedeutet auch, zu handeln, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Wir setzen uns daher für den Ausbau der europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmissionen ein sowie auch für Ausbildungs- und Unterstützungsmissionen zur Vorsorge oder zur Stabilisierung von Friedensprozessen. Wir stehen zu einer Kultur der militärischen Zurückhaltung und für das Primat des Zivilen. Die Anwendung militärischer Gewalt ist immer ein Übel. Es gibt jedoch Situationen, in denen militärische Gewalt unter eng begrenzten Bedingungen als äußerstes Mittel im Sinne der Schutzverantwortung der UN notwendig ist, weil nationale Regierungen nicht in der Lage oder willens sind, Menschen vor schweren Menschenrechtsverbrechen zu schützen. Dabei steht an erster Stelle immer die Prävention, also das Verhindern gewaltsamer Entwicklungen. Wir machen uns die Entscheidung über Militäreinsätze niemals leicht, sondern prüfen mögliche Mandate kritisch und sorgfältig. Für uns gelten die UN-Charta und das Völkerrecht. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur auf Grundlage der UN-Charta und mit einem Mandat der Vereinten Nationen nach Kapitel VI oder VII der UN-Charta zustimmen. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockadehaltung einer oder mehrerer Vetomächte das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv beschädigen wie das Handeln ohne ein Mandat. Wenn der Sicherheitsrat anhaltend blockiert ist, muss die Generalversammlung an seiner Stelle friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit mandatieren, soweit sie das für notwendig befindet. Einsätze müssen grundgesetzkonform sein und im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen. Ohne eine umfassende zivile Gesamtstrategie und eine Einbettung in klare Konzepte für die Zukunft des betroffenen Staates dürfen militärische Interventionen nicht erfolgen.

Wer GRÜN wählt, stimmt für

mehr Finanzmittel und Personal für europäische Polizei- und Rechtsstaatsmissionen

eine europäische Sicherheitsunion, die parlamentarisch kontrolliert wird

nachhaltige Friedenspolitik statt Waffenlieferungen an Diktatoren und in Kriegs- und Krisengebiete

eine Verdoppelung der Mittel für zivile Krisenprävention





Auszug aus dem Wahlprogramm der LINKEN für die Europawahl 2019



https://www.die-linke.de/europawahl/wahlprogramm/

Für Frieden in Europa und der Welt

Der Frieden in Europa und in der Welt ist so bedroht wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Aufrüstung und Wettrüsten bestimmen die Strategien der alten und neuen Großmächte, der NATO und der EU. Auch Deutschland treibt die Aufrüstung voran. Russland wird als alter und neuer Feind dämonisiert – dabei gehört es auch zu Europa. Der NATO-Generalsekretär spricht wie im Kalten Krieg davon, dass ein »Gleichgewicht des Schreckens« her- gestellt werden müsse. Das treibt die weltweiten Ausgaben für Rüstung in die Höhe. Die Arsenale der Atomwaffen werden modernisiert – damit soll ein Atomkrieg führbar gemacht werden.


US-Präsident Trump setzt auf militärische Aufrüstung und Abschreckung und auf einseitige Durchsetzung seiner Interessen. Institutionen der gegenseitigen Verhandlung wie die UNO werden systematisch geschwächt. In der EU wird Trumps Vorgehen genutzt, um selber die Aufrüstung voranzutreiben. Als Ziel für die EU wird »strategische Autonomie« ausgegeben. Gemeint ist: ein eigener Militäretat, eigene Befehlsstrukturen und Einsätze, die von den nationalen Parlamenten unabhängig beschlossen werden können. Gerade die Bundesregierung aus Union und SPD ist hier eine treibende Kraft. Viele machen wie Olaf Scholz von der SPD »Eigenständigkeit« an einer »echten europäischen Armee« fest. Ziel ist ein gemeinsamer Rüstungsmarkt und dass die Rüstungsindustrie europäisiert wird. Der Binnenmarkt für Verteidigungsgüter soll gestärkt werden. Die Folgen sind: Die Aufkündigung internationaler Verträge und Abrüstungsvereinbarungen sowie Handelsauseinandersetzungen.


DIE LINKE weiß: Waffen schaffen keinen Frieden, und ein Gleichgewicht des Schreckens verbreitet vor allem eins: Schrecken. Gegen die neuen Kriege ist es noch dazu wirkungslos: Sie lassen sich nicht mit militärischer Übermacht gewinnen, sie führen wie etwa in Syrien eher zu endlosen Stellvertreter- und Bürgerkriegen. Die Anzahl militärischer Auseinandersetzungen nimmt zu: 2017 waren es weltweit 20 Kriege und 385 militärische Konflikte. Fast 70 Millionen Menschen sind auf der Flucht. 815 Millionen Menschen leiden an Hunger. Psychische und chronische Erkrankungen sind die Folge. Menschen mit Behinderungen sind besonders betroffen. Das sind die Herausforderungen, die im Mittelpunkt von globaler Politik stehen müssten.


Der Ausbau einer »Verteidigungsunion« oder »Militärunion« mit eigenständiger Militärpolitik, eine europäische Armee und andere Vorhaben der Militarisierung führen nicht zu mehr Sicherheit für die Menschen in Europa, sondern sichern nur Konzerninteressen militärisch ab. Wir wollen die Militarisierung der EU beenden. Sicherheit gibt es nur mit konsequenter Friedenspolitik und Förderung globaler Gerechtigkeit statt nationaler Standortkonkurrenz.


2012 hat die EU den Friedensnobelpreis erhalten. Zu Unrecht. Seitdem wurden neoliberale Wirtschafts- und Handelsabkommen ausgeweitet. Aufrüstung wird vorangetrieben und ein milliardenschwerer Europäischer Verteidigungsfonds (EVF) eingerichtet. Europa wird zur Festung ausgebaut, gestützt auf polizeiliche und militärische Maßnahmen von Frontex. Die EU muss endlich der Verleihung des Friedensnobelpreises gerecht werden und einen Wechsel von der militärischen Logik hin zur Friedenslogik vollziehen. Mehr Sicherheit heißt nicht mehr Militär. Mit dieser Logik muss Schluss sein.


DIE LINKE stellt sich Militarisierung und Aufrüstung entgegen. Wir wollen eine Union der Abrüstung und Entmilitarisierung. Wir wollen eine friedliche Außen-, Entwicklungs-, und Menschenrechtspolitik, die auf Solidarität, Kooperation und Entspannung setzt und eine starke parlamentarischen Kontrolle.


Gegen die Militarisierung der EU: Abrüsten!


Im Juni 2016 hat die EU eine Strategie verabschiedet, um Europa in Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik »unabhängiger« zu machen. Die Rolle der NATO wird nicht in Frage gestellt. Ihr soll eine bewaffnete EU an die Seite gestellt werden. Geplant ist eine große Umschichtung von finanziellen Mitteln zugunsten von Aufrüstung und Militarisierung: Der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) soll jährlich ca. 585 Millionen Euro aus EU-Haushaltsmitteln für Forschungsprogramme im Verteidigungsbereich sowie ca. 1,27 Milliarden Euro im Jahr für die Entwicklung und Beschaffung neuer Waffen-, Kommunikations- und Transportsysteme und weiterer Rüstungsgüter und -technologien bereitstellen. Diese Mittel sollen durch Beiträge der Mitgliedstaaten in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro ergänzt werden. Insgesamt sollen jährlich rund sieben Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Nicht für den gesellschaftlichen Bedarf, sondern für die Stärkung des Militärs. Das entspricht der Hälfte dessen, was weltweit zur Beendigung des akuten Hungers benötigt würde! Da wäre das Geld besser aufgehoben – und das wäre ein besserer Beitrag für die weltweite Sicherheit.


Insgesamt sind im mehrjährigen Finanzrahmen (2021– 2027) der EU bis zu 46 Milliarden Euro öffentliche Investitionen für Verteidigung, Rüstung und militärisch relevante Forschungsprojekte vorgesehen. Die Ausgaben der Mitgliedstaaten kommen noch hinzu. Und die müssen ständig steigen, so besagen es die Verträge der EU: »Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« »Verbessern« meint: erhöhen. Neben der »Verbesserung« der militärischen Kapazitäten durch neue Technologien und die Förderung von Standardisierung bei Rüstungsgütern geht es ausdrücklich darum, die europäische Rüstungsindustrie zu stärken.


Im Rahmen der ständigen strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) verpflichten sich die beteiligten Mitgliedstaaten zur Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben und schaffen eigene Entscheidungsstrukturen und Projekte. Mit dem Europäischen Verteidigungsfond (EVF) soll ein Militärhaushalt ins Leben gerufen werden, über den bevorzugt PESCO-Rüstungsprojekte finanziert werden sollen. Durch PESCO wird das Konsensprinzip in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ausgehebelt. Ein Projekt von PESCO ist die sogenannte Military Mobility: Infrastruktur soll geschaffen werden, um die schnellere Verlegung von Kriegsgerät auch an die Ostgrenzen der EU und der NATO zu ermöglichen. 6,5 Milliarden Euro sollen investiert werden, um Straßen und Brücken panzerfest zu machen. Es zeigt sich: Wenn es um Militarisierung geht, bricht die EU ihre eigenen Regeln, aber nicht, wenn es um den Bedarf der Bevölkerung geht!


Schon 2017 erreichten die weltweiten Militärausgaben mit 1,739 Billionen US-Dollar den höchsten Stand seit Ende des Kalten Krieges. Mit 630 Milliarden US-Dollar machen die Ausgaben der USA ein gutes Drittel davon aus. Die Europäischen NATO-Mitgliedstaaten geben alleine, ohne die USA, dreimal so viel für Rüstung aus wie Russland, die NATO insgesamt vierzehnmal so viel. Bei Erreichen ihres Aufrüstungszieles von zwei Prozent des Haushaltes hätte Deutschland alleine höhere Rüstungsausgaben als die Atommacht Russland. Das zeigt: Die angebliche Bedrohung durch Russland ist nur ein Vorwand für die Aufrüstungsprogramme von NATO und EU. Die EU muss sich dafür einsetzen, dass der INF-Vertrag wieder im vollen Umfange gilt, und ebenso gegen eine sogenannte atomare Nachrüstung in europäischen NATO-Staaten. Europäische Politik – auch und insbesondere gegenüber Russland – muss von den Zielen der Deeskalation und Entspannung geleitet sein und darf nicht geostrategischen Interessen der USA folgen.

Die EU will angeblich mit diesen Schritten zur Aufrüstung auch handlungsfähiger gegen terroristische Bedrohungen werden. Über die Europäische Friedensfazilität (EFF) sollen im nächsten EU-Haushalt EU-Militäreinsätze sowie die Aufrüstung und Ausbildung von Verbündeten in Höhe von bis zu 10,5 Milliarden Euro finanziert werden. Die Bilanz des »Kriegs gegen Terror«, der seit 2001 gegen Afghanistan, Irak, Libyen, Jemen und Pakistan geführt wird, ist desaströs: viele Hundertausende Tote – und der Terrorismus wächst. Terrorismus ist durch die politischen, ökonomischen und Militärinterventionen des Westens mit verursacht worden. Er kann militärisch nicht besiegt werden. DIE LINKE lehnt jegliches Denken und Handeln in Kategorien der Gewalt, der Bedrohung und der Machtpolitik ab und kämpft dafür, aus der Gewaltspirale auszusteigen und das Problem des Terrorismus an seiner Wurzel zu packen: Beendigung der Kriege und vollständige Achtung des Völkerrechts, soziale Gerechtigkeit und demokratische Entwicklung sind zentral. Das Ziel der EU-Maßnahmen ist dagegen, eine »Verteidigungsunion« zu gründen. Das bedeutet im Klartext: die EU zu militarisieren. Die Bundesregierung treibt diese Entwicklung voran. DIE LINKE lehnt eine militarisierte EU ab. Abrüstung, nicht Aufrüstung schafft Frieden!


    Wir fordern die Auflösung der EU Battlegroups.

    Die Verteidigungsagentur der EU wollen wir auflösen.


    Die »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« (PESCO), die eigenständige militärische Strukturen der EU bildet und Voraussetzungen für eine eigene europäische Armee schafft, wollen wir ohne Wenn und Aber beenden. Die geplanten Rüstungshaushalte EVF, EFF und die Ausgaben für Militärische Mobilität müssen gestrichen werden.


    Die Verträge der EU müssen geändert werden: Die Aufrüstungsverpflichtung für die Mitgliedstaaten schreibt die Militarisierung in die Grundlagen der EU und muss abgeschafft werden.

    Stattdessen muss die EU sich auf zivilen Konfliktlösungskapazitäten beschränken und diese stärken.

    Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnen wir auch weiterhin ab.

    Wir wollen konventionelle Streitkräfte abrüsten. Als ersten Schritt wollen wir eine konventionelle Rüstungskontrolle in Europa nach dem Vorbild des
    A-KSE-Vertrags (Angepasster Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa).


DIE LINKE fordert, dass die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag der UN unterzeichnet, der für den Abzug der US-Atomwaffen aus der BRD sorgt und die nukleare Teilhabe beendet mit dem Ziel einer atomwaffenfreien EU-Zone. Eine entsprechende parlamentarische Initiative wird eine der ersten Aktionen der LINKEN im EU-Parlament sein. Die EU-Abgeordneten der LINKEN werden die von der Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) initiierten »parlamentarische Erklärung« (parlamentary pledge) unter- schreiben. In Deutschland setzen wir uns für den Abzug der letzten verbliebenen US-Atomwaffen ein.


Rüstungsexporte verbieten


Waffen aus der EU kommen in vielen Konflikten und Kriegen zum Einsatz. Frankreich und Deutschland sind nach den USA und Russland die größten Rüstungsexporteure. Zu den Empfängerländern gehören kriegführende Länder wie Saudi-Arabien und Länder, in denen Menschenrechte missachtet und die eigene Bevölkerung mit Waffengewalt unterdrückt wird. Die EU hat sich auf verbindliche Regeln mit festen Kriterien zum Umgang mit Rüstungsexporten festgelegt, diese werden jedoch ständig übergangen.

Strengere Ausfuhrgenehmigungen oder Kontrollen blieben wirkungslos. Neben Panzern, Raketen oder Kleinwaffen werden auch militärische Dienstleistungen exportiert, die keiner Kontrolle unterliegen. Private Sicherheitsfirmen arbeiten als Söldner in Konfliktgebieten. Die mangelnden Vorschriften und Kontrollen bei der Auslieferung von so- genannten Dual-Use-Gütern haben dazu geführt, dass u. a. deutsche Firmen die Chemikalien für das in Syrien ein- gesetzte Giftgas lieferten. Rüstungsexporte bringen keinen Frieden, sondern verschärfen Konflikte!


Daher fordert DIE LINKE:


    Stopp aller Rüstungsexporte! Exporte von Waffen, Rüstung und Waffenteilen in Krisen- und Kriegsgebiete müssen sofort ausgesetzt werden.


    EU-Mitgliedstaaten, die die EU-Vorschriften für Waffenexporte nicht einhalten, müssen mit Sanktionen bestraft werden.


    Rüstungsindustrie, Zulieferer und Forschung dazu dürfen durch die EU nicht weiter gefördert werden.


    Dual-Use-Güter, die für die Produktion von ABC-Waffen eingesetzt werden können, dürfen nicht an Staaten geliefert werden, die das jeweilige Abkommen nicht ratifiziert haben.


    Entwicklung, Produktion und Verwendung insbesondere von vollautonomen Waffen müssen verboten werden und vollautonome Waffensysteme international geächtet werden.


    Der Handel mit militärischen oder militär-relevanten Dienstleistungen muss kontrolliert werden.

    Wir wollen die EU-Rüstungsagentur abschaffen und stattdessen eine Abrüstungsagentur durchsetzen.


    Unser Investitionsprogramm umfasst auch Mittel für den zivilen Umbau der Rüstungsindustrie. Die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie müssen in ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Arbeitsplätze überführt werden. Die bestehenden Rüstungskapazitäten müssen umgebaut werden (Rüstungskonversion).


Konflikte friedlich lösen


DIE LINKE steht für Frieden, für Demokratisierung der internationalen Beziehungen, für eine gerechte und solidarische Weltwirtschaftsordnung, für die Achtung des Völkerrechts und eine nachhaltige globale Entwicklung. Langfristig wollen wir ein Deutschland, eine EU und eine Welt ohne Armeen und ohne Kriege.


Was die EU und ihre Mitgliedstaaten – besonders die deutsche Regierung – in der Sicherheitspolitik vorantreibt, schafft keinen Frieden und keine Entspannung, sondern befeuert die Konflikte weiter. Die EU muss sich der Sicherung des Friedens in der Region verschreiben. DIE LINKE unterstützt die internationale Zusammenarbeit der Friedensbewegung, um gemeinsam Entspannungspolitik und Abrüstung voran zu bringen.


    Die OSZE sollte mehr als ein Instrument zur Bearbeitung und Lösung regionaler Konflikte sein. Sie muss das zentrale Forum für eine gesamteuropäische, gemeinsame Sicherheitsarchitektur werden, die auf Abrüstung und politische Veränderung in Richtung kollektiver Sicherheit und der Abschaffung aller Armeen zielt. Ein erster Schritt ist die strukturelle Nichtangriffsfähigkeit.


    Wir wollen, dass die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird und die Bundesrepublik aus den militärischen Strukturen des Bündnisses austritt. Perspektivisch wollen wir die NATO auflösen und durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Russland ersetzen, das auf Abrüstung zielt.


    Wir wollen eine neue, auf Entspannung orientierte Ostpolitik. Sicherheit in Europa kann nur Sicherheit mit und nicht gegen Russland sein. Das muss die sicherheitspolitische Orientierung von europäischem und deutschem Handeln werden. Militärmanöver oder Pläne zur Stationierung von Waffensystemen entlang der russischen Westgrenze heizen Konflikte an. Wir lehnen sie ab. Die EU-Sanktionen gegen Russland müssen beendet werden.


    Über die UNO muss eine globale Abrüstungsinitiative angestoßen werden, in der für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Abrüstungsziele festgelegt werden.


    Wir wollen die UNO und das Völkerrecht stärken.


    Zivile Konfliktprävention und -bearbeitung wollen wir stärken. Wir wollen einen europäischen Zivilen Friedensdienst ins Leben rufen und die Länder Afrikas bei der Einrichtung eines afrikanischen Zivilen Friedensdienstes unterstützen. Das kann aus einem Teil der Gelder finanziert werden, die bisher für Militärausbildungsmissionen ausgegeben werden.


Eine gerechte Handelspolitik als Motor für eine friedliche Entwicklung


Hunderttausende Menschen sind aus Protest gegen TTIP, TISA und ähnliche Freihandelsabkommen auf die Straße gegangen, auch DIE LINKE. Diese Abkommen unterwerfen zentrale Bereiche des Lebens Markt und Wettbewerb und schränken demokratische Entscheidungsmöglichkeiten ein. Über Handelsabkommen der Europäischen Union mit anderen Regionen oder Ländern entscheiden inzwischen nur noch das Europäische Parlament und der Rat der Regierungen der Mitgliedstaaten. Wir verteidigen das Recht nationaler Parlamente, bei gemischten Handelsabkommen mitzuentscheiden. Wir werden den Widerstand gegen Ab- kommen wie TTIP und gegen Sondergerichte für Investoren ins Europaparlament tragen und uns für gerechte und nachhaltige Handelsbeziehungen einsetzen.


    DIE LINKE will mit Abkommen über Partnerschaft und fairen Handel die globalen Wirtschaftsbeziehungen der Europäischen Union neu ausrichten und die bestehenden Handelsabkommen ersetzen.


    Bei transnationalen Unternehmen kommt es weltweit zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Wir unterstützen das »UN Treaty«-Abkommen, das Unternehmen verpflichten soll, Menschenrechte und Arbeitsrechtsnormen einzuhalten. Wir fordern die EU-Kommission auf, dieses Abkommen umzusetzen. Bislang gibt es nur Richtlinien, die auf freiwillige, unverbindliche Initiativen transnationaler Konzerne setzen. Sie sind nur schwer einklagbar und haben kaum rechtliche Folgen. Wir wollen, dass die menschenrechtliche Verantwortung transnationaler Konzerne und anderer Wirtschaftsunternehmen international festgeschrieben wird. Die EU muss ihrer internationalen Verantwortung gerecht werden und sich aktiv für den Schutz von Menschenrechten weltweit einsetzen. Wir wollen die Handelspolitik mit Entwicklungszusammenarbeit, Klimaschutz und friedenssichernder Politik in Einklang bringen. Dazu gehört die Überwindung der Armut, auch innerhalb Europas. In den Handelsbeziehungen, in den globalen Produktionswegen und Wertschöpfungsketten müssen anständige Arbeitsbedingungen und umweltgerechte Produktionsmethoden als Norm durchgesetzt werden.


    Wir wollen eine gesetzliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen durchsetzen, auf die Einhaltung dieser Norm bei ihren Bestellungen zu achten. In der letzten Legislaturperiode haben wir das im Europaparlament für die sogenannten Konfliktrohstoffe bereits geschafft und wollen es nun auf die Textilbranche und weitere Branchen aus- dehnen. Wir konnten auch bereits durchsetzen, dass die EU-Kommission künftig Fälle von Umweltdumping und Sozialdumping bei der Berechnung von Strafzöllen sanktionieren kann.


Zu den UNO-Zielen gehört die Abschaffung des Hungers. DIE LINKE will das zu einer Priorität der Europäischen Kommission machen. Weltweit ist die Zahl der Hungernden im letzten Jahr auf 821 Millionen Menschen gestiegen. Eine strukturelle Ursache sind benachteiligende Handelsbeziehungen und Billigexporte von Agrarüberschüssen, zum Beispiel Hühnerteile aus Europa. Dadurch werden Kleinbauern um ihre Existenz gebracht. Landwirtschaft muss vor Ort Ernährung sichern, statt zunehmend in Großbetrieben für den Weltmarkt zu produzieren. Auch in der EU soll Landwirtschaft gesund, umweltgerecht und regional orientiert produzieren können, statt in einen globalen Preiskrieg gezwungen zu werden. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Europäische Union für eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) eintritt, damit Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität nicht länger durch das Dogma des Freihandels verhindert werden.


    Schulden zurückzahlen! Auf UN-Ebene wollen wir einen Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus einrichten, der von den Industriestaaten finanziert wird. In diesen Fonds sollten ehemalige Kolonialmächte als Form der Reparation mehr einzahlen als andere Staaten. Außerdem fordern wir einen solidarischen Wissens- und Technologietransfer für eine Energiewende in den Ländern des Südens. Die entsprechenden Klimafinanztransfers wollen wir jährlich erhöhen und zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen.


DIE LINKE setzt sich für Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ein, die zu Zusammenarbeit und friedlicher Koexistenz beitragen. Dazu gehören der Schutz der Menschenrechte, demokratische Teilhabe, Umweltschutz und gewerkschaftliche Organisierung.


LINKE Entwicklungspolitik – so geht gerecht


Die europäische Entwicklungspolitik ist – ebenso wie die deutsche – durch Eigeninteressen der Mitgliedsländer bzw. von Konzernen geleitet. Entwicklungszusammenarbeit wird fast nur noch zur Abwehr von Migration instrumentalisiert. Mit dem Europäischen Treuhandfonds für Afrika (EUTF), der sich aus Entwicklungsgeldern speist, werden hauptsächlich Abschottungsmaßnahmen finanziert. Entwicklungspolitik wird zunehmend mit Sicherheitspolitik verzahnt. Diesen sogenannten »vernetzte Ansatz« drückt die EU vor allem in Afrika durch.


    DIE LINKE lehnt eine Verknüpfung von Entwicklungsgeldern und anderer Fördermittel mit Maßnahmen des Grenzschutzes und der Migrationskontrolle ab.


Die EU setzt Entwicklung immer mehr mit Wirtschaftsförderung gleich – und denkt dabei vor allem an die Förderung europäischer Unternehmen. Entwicklungsgelder sollen nach diesem Verständnis in Form von Risikoabsicherungen und Bürgschaften- als »Hebel« für Privatinvestitionen dienen. DIE LINKE lehnt eine Privatisierung von Entwicklungszusammenarbeit ab.


    Wir setzen uns für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit ein. Sie muss auf die Interessen und Bedürfnisse der unterstützten Länder ausgerichtet sein und Gerechtigkeit, Solidarität und nachhaltige Entwicklung Wirklichkeit werden lassen. Sie muss ein Instrument globaler Umverteilung im Sinne sozialer Gerechtigkeit sein und darf nicht als Instrument der Einmischung sowie als ein Druckmittel zugunsten der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Geberländer und internationaler Konzerne missbraucht werden.


    DIE LINKE will eine bessere Koordinierung der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union und der einzelnen Mitgliedstaaten.


    In der Zusammenarbeit mit afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP) müssen koloniale Beziehungen überwunden werden. Dies bedeutet, diesen Ländern keine Abkommen zu diktieren: Die Freihandelsabkommen (EPAs) müssen gestoppt werden.


DIE LINKE unterstützt den Kampf der fortschrittlichen Bewegungen, Parteien und Regierungen in Lateinamerika um das Recht, ihren Entwicklungsweg selbst zu bestimmen, um die Bewahrung der 2014 erklärten Friedenszone in Lateinamerika sowie gegen die Rechtsentwicklung auf dem lateinamerikanischen Kontinent.


    DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass der 2016 unter- zeichnete Grundlagenvertrag zwischen der EU und Kuba in allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert und der Vertrag mit Leben erfüllt wird.


Für eine solidarische Nachbarschaftspolitik


Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) ist auf die östlichen und südlichen Nachbarn der EU ausgerichtet, bedient aber vorrangig eigene Wirtschafts- und »Sicherheits-« Interessen. Sie zielt mittels ihrer Assoziationsabkommen und den darin enthaltenen »umfassenden und tiefen Freihandelsabkommen« auf den neoliberalen Umbau der Nachbarschaft und setzt die dortigen Länder einem unfairen Wettbewerb mit europäischen Konzernen aus.

Stattdessen sollte die Nachbarschaftspolitik Armutsbekämpfung und soziale Entwicklung in den Mittelpunkt rücken und zu Modernisierung und Stabilisierung sowie Reformen zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beitragen. Jeder Staat muss das Recht haben, sich selbstständig und ohne Druck und Erpressung von außen in das System internationaler Beziehungen einzuordnen.


Durch die bestehenden Assoziierungsabkommen wer- den die Nachbarstaaten verpflichtet, den heutigen und zukünftigen EU-Rechtsbestand zu übernehmen, ohne selbst EU-Mitglied zu werden. Das souveräne Recht der

Bürger*innen in den Partnerländern, ihre Zukunft ohne Einmischung von außen zu gestalten, muss gesichert werden.


DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die folgenden Themen in den Mittelpunkt der Nachbarschaftspolitik gestellt werden:


    Frieden,

    internationale Sicherheit und Stabilität,

    die Beseitigung von Armut und Unterentwicklung,

    die Gewährleistung grundlegender demokratischer, sozialer und Menschenrechte,

    die langfristige und ökologisch nachhaltige Sicherung der Energieversorgung und

    der Kampf gegen den Klimawandel.

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------