Ein Video der  Video über die Kundgebung vom, 12. Februar, ("Julian Assange
muss aus der Haft entlassen werden!") finden sie hier
https://youtu.be/f3L5YMFpXL4
(Auszüge aus den Reden von G.Baisch und G.Werner- beide IALANA)

Anrede,

vor 2 Jahren kam Corona nach Bremen. Am 11.März 2020 mussten wir schweren Herzens unsere Solidaritäts-Veranstaltung für Assange absagen.  Damals hatte Assange eben die 11  ½ Monate wegen Ungehorsam abgesessen,fast die höchst zulässige Strafe, nur dafür, dass er sich 7 Jahre davor in die Botschaft von Ecuador in Asyl begeben undnicht mehr bei der Polizei gemeldet hatte ?? Nicht die übliche Strafe von max .1-2 Monaten?

Es machte Sinn: der britische Richter verschaffte so der US-Regierung alle Zeit der Welt, das Auslieferungsverfahren weiter vorzubereiten. Ein Skandal!  

Und dieses Jahr musste Assange absitzen in Belmarsh im Hochsicherheitstrakt, im Volksmund  das „britische Guantanamo“, unter Schwerverbrechern.  Wieso kein hundsnormales Gefängnis ?? Mit normalen Besuchszeiten, Kontakt mit anderen Gefangenen, Umschluss ?? Statt dessen Einzelhaft und  Einschränkung aller Außenkontakte.   Obwohl Assange dringend ins Krankenhaus gehört hätte, geschwächt und durch den Dauerstress zuletzt in der Botschaft psychisch am Ende.

Das ließ schlimmes ahnen, wie die britische Justiz mit ihm umgehen würde in dem anstehenden Auslieferungsverfahren. Assange durfte nur in Haft gehalten werden, um seine Anwesenheit für die Dauer des Auslieferungsverfahrens sicherzustellen. Jede darüber hinausgehende Einschränkung seiner Rechte ist ungesetzlich. Die Unterbringung in einem Hochsicherheitsgefängnis mit scharfen Einschränkungen seiner Rechte ist gewolltes Übermaß und unzulässig.  Hausarrest hätte genügt.  Anträge auf Haftverschonung wurden denn auch ohne Wimpernzucken abgelehnt.

Bereits zuvor hatten sich  britische Behörden rege beteiligt an der Jagd auf Assange: 7 Jahre lang hatten sie einen Bewachungsring um die Botschaft von Ecuador gelegt, rund um die Uhr, mit Millionenkosten. Dann mit Ecuadors Regierung einen Coup ausgearbeitet und Assange unter Bruch aller seiner Rechte in der Botschaft festgenommen.

Und seither läuft die Uhr gegen Assange. Es ist richtig tückisch: Die USA haben keinerlei Interesse an einer raschen Entscheidung über ihr Auslieferungsgesuch, solange Assange in Belmarsh auf irgendwelche  Entscheidungen in seinem Auslieferungsverfahren warten muss. Mögen die Gerichte die Sache ruhig mal zurückweisen zu neuer oder weiterer Entscheidung. Die Hauptsache: es dauert und Assange sitzt unter möglichst harten Haftbedingungen weiter ein.

Wir dürfen in dieser Sache nicht auf die englische Justiz und notfalls den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg  vertrauen, die das schon irgendwie richten werden. Wir haben eben gehört, wie die englische Justiz schon in der Berufung die eigentlichen Fragen des Verfahrens ausgegrenzt , den Prozessstoff auf die Zusicherungen der USA beschränkt und die Revision weiter eingeschränkt hat.

Auf die Zusicherungen der USA kann man im übrigen nichts geben. In der ersten Instanz berichteten Verteidiger aus anderen Fällen, dass diese Zusagen schlicht nicht eingehalten wurden.

Bei Assange haben die USA  im Laufe des Berufungsverfahrens jetzt zugesichert, Assange käme in kein Hochsicherheitsgefängnis wie ADX Florence. Er werde auch nicht besonderen Verwaltungsmaßnahmen (sog. SAMs)wie unbefristete Einzelhaft unterworfen werden -  es sei denn, er werde etwas tun, das die Voraussetzungen für diese Maßnahmen erfüllt. Das entscheiden dann die US-Instanzen (der Generalstaatsanwalt im Benehmen mit den Geheimdiensten) .  Damit ist die Zusicherung wertlos.  Im ADX-Florence-Gefängnis  sind viele  Gefangenen seit Jahren in Einzelhaft, was klar gegen die Anti-Folter-Konvention verstößt und nach übereinstimmenden Expertenaussagen schon nach 15 Tagen bleibende Persönlichkeitsstörungen auslöst.  Erst recht bei vorgeschädigten Gefangenen wie Assange. Es wäre ein Todesurteil auf Raten.

 

Was wollen die USA erreichen?

1) Das ganze Projekt WikiLeaks soll beendet oder zumindest entscheidend geschwächt werden, indem man den  Kopf aus dem Verkehr zieht und kaltstellt. Trump  sagte zu Assange  schon früh: „Todesstrafe oder was ähnliches“. Dazu wird Vokabular aus dem Krieg verwendet: WikiLeaks als  „gefährlichster Geheimdienst“. Dazu wird uns eingehämmert: Assange ist ein gefährlicher Hacker und Spion, kein Journalist. Schon deswegen kann er sich nicht auf die Garantien der Pressefreiheit berufen. - Aber A. ist Journalist, er gehört einer australischen Journalistenvereinigung an und hat auch deren Presseausweis.

2) Die USA wollen künftige Whistleblower mit drohenden härtesten Strafen abschrecken: das lief an unter Obama an, der 7 Verfahren gegen Whistleblower in Gang gesetzt hat, und kulminierte im Fall Chelsea Manning, die zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde – ein beispiellos hartes Urteil. Die Strafen in den anderen Fällen lagen alle unter 4 Jahren.

Mittel dazu: das Anti-Spionage-Kriegs-Gesetz von 1917 mit völlig unbestimmten Strafen,  bis 30 Jahre incl. Todesstrafe  für schwere Fälle.

Dabei dürfen das Gericht die Motive nicht interessieren, weshalb der Wh.-Blower das getan hat.  Auch nicht, ob damit ein Verbrechen der Regierung aufgedeckt wird, dass diese  zur   Verdeckung für geheim erklärt hat.  Auch der Grad der Geheimerklärung ist egal. Es genügt, dass irgendjemand aus der Regierung das aufgedeckte  Dokument für geheim erklärt hat.

Am Beispiel des Materials von C.Manning:  hier sind über 300 Kriegsverbrechen der USA dokumentiert darunter auch das Video Collateral murder. Viele hier werden es gesehen haben, sonst sollte man es unbedingt im internet ansehen:  Es zeigt, wie feixende Piloten eines US-Kampfhubschraubers unschuldige Zivilisten niedermähen, darunter Kinder und zwei Reuters-Journalisten. Die US-Behörden bezeichnen die Weitergabe des Videos  als "Verbreitung geheimer Informationen", als "Verschwörung" und "Spionage". Aus Aufdeckung wird also Spionage, aus Journalismus wird Verschwörung. Allein wegen der Weitergabe dieses Videos wurde CM zu einer Einzelstrafe von 2 Jahren verurteilt. Die StA hatte dafür sogar 10 Jahre gefordert.

3)  Drittens geht es m.E. den USA auch um Rache, Rache  für die Veröffentlichung der  „Cables“, des diplomatischen Schriftwechsels zwischen Regierung und den Botschaftern im Ausland.    Die aufgedeckten Kriegsverbrechen sind den USA egal. Sie haben den Internationalen Strafgerichtshof  nicht anerkannt  und versuchen mit allen Mitteln, ihren Soldaten Immunität zu sichern,  notfalls durch  Fallschirmjägerangriff auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu Befreiung angeklagter Soldaten. Auch das Collateral Murders- Video führte nicht zu neuen Ermittlungen.

Aber die „cables“ ! Die waren höchst peinlich für die USA mit dem despektierlichen Klartext über die  ausländischen Regierungschefs.  Diese Art Transparenz musste hart bestraft und künftig unterbunden werden!

4) Trump wollte nun  - das war neu! - Whistleblowing dadurch unterbinden, dass diejenigen, die Dokumente von Whistleblowern annehmen und veröffentlichen,  ebenfalls nach dem Spionagegesetz bestraft werden.  Also die Journalisten und Verleger der „investigativen Presse“.  Dadurch sollte den Whistleblowern die Bühne genommen werden. Obama hatte das zwar geprüft, war dann aber zurückgeschreckt vor einem solchen Angriff auf die Pressefreiheit.

Trump kannte solche Rücksichten nicht und nahm Julian Assange ins Visier. Anklage und Auslieferungsforderung folgten.

Was aber geschah mit den Leuten vom Guardian, NYT , SPIEGEL und El Pais, die ebenso die von Manning stammenden Dokumente veröfffentlicht haben?? - Nichts! Die ließ Trump in Ruhe und spaltete so mal gleich den Protest gegen den Angriff auf Assange als Journalisten und Kollegen. Was ist mit der Solidarität derer, die mit hohen Auflagen von den Enthüllungen Mannings profititiert  haben? Sie, die anfangs mit Assange zusammen arbeitsteilig die Dokumente für die Veröffentlichung vorbereitet haben? Sehen sie nicht, dass mit jedem Tag, den Assange in Belmarsh der Auslieferung entgegen sieht, die investigative Presse insgesamt bedroht wird? Warum nicht mal einen Tag diese großen Zeitungen mit nur 2 Worten auf dem Titelblatt:   Free Assange! ?

Wir reden vom notwendigen Schutz für Whistleblower, diskutieren Asyl für Snowden und hoffen auf das anstehende Wh.-Gesetz in Deutschland, sehen aber nicht, dass Wh.-Blower ohne eine Presse, die ihre Kontrollfunktion wahrnimmt und diese Infos veröffentlicht, nichts bewirken können.

Im Januar 2020 hat der Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), Fred Turnheim, die sofortige Freilassung von  Assange aus britischer Haft verlangt. Auch hat das deutsche PEN-Zentrum, dessen Ehrenmitglied J.Assange ist, vor 2 Wochen  Außenministerin Annalena Baerbock in einem offenen Brief aufgefordert, sich für die Freilassung von Julian Assange einzusetzen und ihm Asyl anzubieten. Als Oppositionpolitikerin habe sich Baerbock im September 2021 „aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention“ für eine sofortige Freilassung von Assange ausgesprochen, der seit beinahe drei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in London inhaftiert ist. Diesen Worten sollten nun auch Taten folgen.

Solche Vorstöße in Solidarität mit Assange sind wichtig. Ich begrüße es auch, dass inzwischen Amnesty International in die Spur gefunden hat und solidarisch agiert.

Wir müssen auch unsere eigene Regierung schärfer angehen. Es ist noch nicht so lang her, da haben die Grünen der schwarz-roten Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel "Feigheit" im Fall Assange vorgeworfen. Das fällt jetzt auf sie zurück. Am 14. September 2021, kurz vor der Bundestagswahl, hat sich die damalige grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock noch vehement für die Freilassung von Assange ausgesprochen.

Wörtlich: 

Wir verfolgen den Umgang mit Wikileaks und Julian Assange sehr aufmerksam und setzen uns bei der Bundesregierung mit Nachdruck dafür ein, dass sich die jeweiligen Regierungen klar für die Einhaltung seiner grundlegenden Menschenrechte aussprechen. Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention im Umgang mit Julian Assange – allen voran gegen das Verbot von Folter (Art. 3), gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) und gegen das Recht, keine Strafe ohne Gesetz zu erhalten (Art. 7) – schließen wir uns der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer an und fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.

Jetzt ist sie Außenministerin; jetzt ist Schweigen im grünen Wald. Baerbock hat zum Amtsantritt eine deutlich hörbare und wertebasierte Außenpolitik angekündigt; aber davon ist bisher im Fall Assange nichts zu hören. Der Spiegel hat vor kurzem Baerbock gefragt, ob sie sich noch für die Freilassung von Assange einsetzen will. Sie hat geantwortet: "Die Zuständigkeit liegt derzeit bei der britischen Justiz." Auf Deutsch: sie will nichts unternehmen!

Damit können wir uns nicht zufrieden geben.  Herbert Prantl mahnte letzte Woche: Es ist nicht nur der Mensch Assange in Gefahr. Es ist die Pressefreiheit in Gefahr. Wenn Assange an die USA ausgeliefert wird, bricht das dem globalen investigativen Journalismus das Rückgrat.                                             

Wir haben auch in Deutschland Angriffe auf die investigative Presse erlebt und müssen  wachsam bleiben:

- Carl von Ossietzky hat die Enthüllung in der „Weltbühne“ von 1929, dass die Reichsregierung unter Bruch des Versailler Vertrags geheim eine Luftwaffe aufbaute, mit 1,5  Jahren Haft und anschließendem KZ mit  seinem Leben bezahlt ;

- 1962 traf es den SPIEGEL: wochenlange Durchsuchung der Redaktionsräume, U-Haft und Beugehaft für Herausgeber und Autor;

- und 2015 das Blog  Netzpolitik.org mit einem Strafverfahren wegen Spionage nach § 94 StGB

Was ist zu tun?

Wir müssen durch gemeinsame Aktionen wie Petitionen im internationalen Rahmen unseren Protest gegen die drohende Auslieferung Assanges in die USA immer wieder neu und so laut äußern, dass er nicht überhört werden kann.

Die hier ausliegende Petition ist ein Teil solcher Aktion . Bitte unterschreibt alle.

Wir dürfen unsere Regierung nicht in ihrer Lethargie lassen. Frau Baerbock muss in Washington und  London Klartext reden und sich für die Beendigung des Auslieferungsverfahrens von  Assange einsetzen. Das ist unsere Forderung.assange-soli-vera in HB vom 12.2.21

Vor allem anderen muss Assange sofort aus Belmarsh entlassen werden. Free Assange! 

 

Gerhard Baisch