Gerhard Baisch: Hinweisgeberschutzgesetz vom Bundestag verabschiedet

Am 16.12.2022 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Hinweisgeber-Schutzgesetz, das – nach der erforderlichen Zustimmung durch den Bundesrat – drei Monate nach Verkündung, also frühestens im April 2023 in Kraft treten wird.

Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte zuvor den Entwurf der Bundesregierung trotz der breiten Kritik nur in wenigen Punkten noch geändert:

Für anonyme Meldungen muss jetzt in den internen und externen Meldesystemen ein Meldekanal vorgehalten werden, der den Whistleblower:innen eine anonyme Kontaktaufnahme und anschließend eine anonymisierte Kommunikation ermöglicht (§§ 16 Abs.1 und 27 Abs. 1). Anonyme Meldungen müssen jetzt auch bearbeitet werden. Das wird jedoch erst ab 1.1.2025 verpflichtend sein (§ 42 Abs.2). Da 70% der Unternehmen in Deutschland, die bereits interne Meldesysteme eingerichtet haben, auch anonyme Meldungen bearbeiten, zielt die jetzt verabschiedete lange Übergangsfrist auf die Einschränkung der ungeliebten externen Meldungen – eine Tendenz, die auch andere neue Formulierungen zeigen, die entgegen der EU-Richtlinie den Grundsatz der Gleichbehandlung der internen und externen Meldekanäle zu unterlaufen drohen (§§ 7 Abs.3 und § 24 Abs.2).

Die Aufbewahrungsfrist für die Dokumentation der Meldungen wird von zwei auf drei Jahre erhöht. Das ist immer noch erheblich zu kurz für Hinweisgeber:innen, die Repressalien erleiden und den Zusammenhang mit der Meldung beweisen müssen.

Bei Verstößen gegen das Repressalien-Verbot sollen die Benachteiligten auch Schmerzensgeld für immaterielle Schäden geltend machen können (§ 37 Abs.1).

Trotz der breiten Kritik am Entwurf wird die Einschaltung der Presse weiterhin praktisch verhindert. Der sachliche Anwendungsbereich bleibt beschränkt auf Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind. Die Meldung von erheblichen Missständen, deren Aufdeckung im öffentlichen Interesse ist, bleibt weiterhin ungeschützt – mit zwei Ausnahmen: verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt:innen unterhalb der Strafbarkeit, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, dürfen geschützt gemeldet werden (§ 2 Abs.1 Nr. 10). Und Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz gewerblich gehaltener landwirtschaftlicher Nutztiere dürfen Tierärzt:innen nun ohne Einhaltung der Schweigepflicht nach § 203 StGB auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle melden (§ 5 Abs.1 Ziff.4). Keinen Schutz gibt es auch künftig für Meldungen in Bereichen der nationalen Sicherheit, der Nachrichtendienste und bei Verschlusssachen. Das – nach der EU-Richtlinie unzulässige – Konzernprivileg (Meldekanäle nur auf Konzernebene) bleibt und wird ausdrücklich bestätigt (Begründung des Rechtsausschusses – BT-Drs. 20/4909, S. 56).

Anstatt aktuell den Gesetzentwurf zu verbessern, reicht der Bundestag mit einer begleitenden Entschließung die Aufgabe der Verbesserung des Whistleblowerschutzes an die Bundesregierung zurück, als Programm für einen „weiteren Gesetzgebungsprozess“. In diesem soll geprüft werden, ob der sachliche Anwendungsbereich um die Meldung von erheblichem Fehlverhalten erweitert werden soll. Erst dort soll auch geprüft werden, ob „das bestehende Hinweisgebersystem“ (?) in den Bereichen der nationalen Sicherheit, der Nachrichtendienste und der Verschlusssachen ausreicht. Unter anderem soll eine unabhängige Kontrollinstanz zur materiellen Einstufung von Verschlusssachen „zügig aufgebaut“ werden. Trotz der Kritik, größere Unternehmen würden die Bußgelder von maximal 100.000 € bei Verstößen gegen das Repressalienverbot „aus der Portokasse bezahlen“, wird der Bußgeldrahmen in § 40 Abs.6 nicht einfach erhöht, sondern eine „Evaluierung“ vorgeschlagen. Wann und wie das geschehen soll, wird nicht festgelegt. Sanfter kann man nicht mit Unternehmern umgehen,wenn sie Hinweisgeber entlassen oder anders schikanieren! Ein Hinweisgeberschutzgesetz, das in einem weiteren Gesetzgebungsprozess erst zur Wirkung gebracht werden muss –ein Armutszeugnis. Die parlamentarischen Mehrheiten, die das erzwingen sollen, müssen offensichtlich erst noch mobilisiert werden.

P.S.: Da der Bundesrat dem Gesetz in dieser Fassung nicht zustimmte, wurde der Vermittlungsausschuss angerufen. Mit weiteren Abschwächungen – u.a. wurde der Schmerzensgeldanspruch in § 37 wieder gestrichen – fand das Gesetz dann im Mai 2023 die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat und trat zum 2.Juli 2023 in Kraft.

Weitere Beiträge zum Thema