Pressemitteilung vom 30. Oktober 2017

zur Verleihung des Whistleblower-Preises 2017

 

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Die 1959 u.a. von Prof. Carl-Friedrich von Weizsäcker und Prof. Otto Hahn gegründete "Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)" - http://www.vdw-ev.de - vergibt zusammen mit der Deutschen Sektion der IALANA http://www.ialana.de - seit 1999 zweijährlich den "Whistleblower-Preis", der mit der Verleihung einer Urkunde und einem Preisgeld sowie der nachfolgenden Publikation eines Dokumentations-Bandes verbunden ist.

Nähere allgemeineInformationen zum Whistleblower-Preissind zugänglich unter:Informationen zum Whistleblower-Preis und http://www.vdw-ev.de/whistleblower-preistraeger/

In diesem Jahr erfolgt die Preisverleihung zum zehnten Male. Der

Whistleblower-Preis 2017,

wird in einer öffentlichen Festveranstaltung am

Freitag, den 1. Dezember 2017, 18.00 – 20.30 Uhr

in Kassel, im Großen Saal des Anthroposophischen Zentrums,

Wilhelmshöher Allee 261,

vergeben (vgl. beigefügtes Programm), und zwar

 1. an den Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll (Bottrop) und an die Pharm.-Techn. Assistentin Maria-Elisabeth Klein (Bottrop)

für ihre im Herbst 2016 erfolgten Verdachts-Enthüllungen über die in derAlten Apothekein Bottrop (NRW) jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über die dadurch bewirkte Schädigung mehrerer Tausend schwer- und oft todkranker KrebspatientInnen in fünf oder sechs Bundesländern

sowie

2. an den früheren Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“ Dr. Can Dündar ( z.Zt. im Exil in Berlin) 

für seine Ende Mai 2015 und danach unter schwierigsten Repressionsbedingungen in der Türkei erfolgten Enthüllungen über ein illegales sog. Staatsgeheimnis des autoritären Erdogan-Regimes; Gegenstand war die Anfang 2014 unter Verstoß gegen geltendes Völkerrecht unternommene Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Syrien an terroristische Dschihadisten durch den Geheimdienst MIT des NATO-Mitgliedsstaates Türkei.

Die detaillierten Gründe für die Auswahl der diesjährigen Preisträger ergeben sich aus den von der Gemeinsamen Jury von VDW und IALANA vorgelegten Einzel-Begründungen, die über den nachfolgenden Link im Internet zugänglich sind: http://www.ialana.de/aktuell

 

Mit demWhistleblower-Preissoll signalisiert werden: Wir drücken unsere ganz besondere Wertschätzung für ein Verhalten aus, das am Gemeinwohl orientiert, primär von gemeinnützigen Motiven und von Gemeinsinn geprägt ist und das in einer für unser Zusammenleben bedeutsamen Frage ein großes Maß an Zivilcourage dadurch offenbart hat, dass unter Inkaufnahme gravierender beruflicher und persönlicher Nachteile illegales Handeln sowie schwerwiegende Gefahren und Risiken für Gesundheit und Leben, für das friedliche Zusammenleben der Menschheit oder für andere wichtige Gemeingüter enthüllt worden sind.

 

Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen.

Mit der Preisverleihung geht es ferner darum, eine möglichst breite gesellschaftliche Diskussion darüber anstoßen und befördern zu helfen, wie wichtig Whistleblower sind. Ihre Kenntnisse als Insider und ihre uneigennützige mutige Bereitschaft, Alarm zu schlagen, stellen häufig die einzige Möglichkeit dar, z.B. in staatlichen Bürokratien, im Gesundheitswesen, in der Wirtschaft, in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, aber auch in den internationalen Beziehungen grobe Missstände und Fehlentwicklungen aufzudecken und noch zu korrigieren.

Schließlich wollen wir deutlich machen: Whistleblower müssen besser geschützt werden - rechtlich, aber auch durch eine entsprechende Infrastruktur vor allem in den Betrieben, im Gesundheits- und Pflegebereich, in Forschungseinrichtungen, in Verwaltungen sowie bei Polizei und Militär.

In der Begründung der Jury für die Preisvergabe an die diesjährigen Preisträger heißt es unter anderem:

Die Preisträger Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein haben aufgrund ihres Insider-Wissens mit ihrem Whistleblowing wesentlich dazu beigetragen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwerer Straftaten eines Cyto-Apothekers, die strukturell nur schwer aufzudecken sind, überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen ihn vor einem unabhängigen Strafgericht erheben konnte. Ferner haben beide Whistleblower damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika-Panschereien mit schwersten Lebens- und Gesundheitsgefahren für eine unbekannte Vielzahl schwerkranker Krebs-PatientInnen geleistet. Ihr Whistleblowing ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von strukturellen Missständen in einem besonders kostenintensiven Bereich unseres Gesundheitswesen mit einem Jahresumsatz von ca. 4 Milliarden Euro, der sich auf ca. 50 Hersteller- und Vertriebsunternehmen; ca. 1200 Onkologen und ca. 250 Zytostatika-Apotheken verteilt: Durch das Whistleblowing wurde eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis der staatlichen Aufsichtsbehörden (Apothekenaufsichtdurch die Amtsapotheker bei Gesundheitsämtern sowie bei der Bezirksregierung und im zuständigen Landesministerium) offenbar; hier ist ein großes Umsteuern erforderlich.

 

Der Preisträger Dr. Can Dündar hat sich mit seinem Verhalten nicht nur als verantwortungsbewusster kritischer Journalist und Chefredakteur, sondern auch als couragierter Whistleblower erwiesen. Er war nicht nurMediumfür seinen Informanten. Sein mutiges und unerschrockenes Vorgehen unter den extremen Repressionsbedingungen des Erdogan-Regimes war schlechthin konstitutiv für das Öffentlichmachen und Verbreiten der auf dem ihm zugespielten Video-Stick enthaltenen Informationen. Im Rahmen dieses äußerst diffizilen Whistleblowing, an dem auch andere Personen beteiligt waren, war er (neben seinem bisher unbekannten Informanten) der zentrale Akteur und Protagonist. Sein aktives Handeln war letztlich entscheidend dafür, dass die brisanten Informationen nicht länger vom autoritären Erdogan-Regime unterdrückt werden konnten, sondern an die Öffentlichkeit gelangten und weltweit im Hinblick auf notwendige Konsequenzen diskutiert werden konnten.

Berlin, den 28. Oktober 2017

Für die Stifterorganisationen VDW und IALANA:

Rechtsanwalt Otto Jäckel (Vorsitzender der Deutschen Sektion der IALANA)

Prof. Dr. Hartmut Graßl (Vorsitzender der VDW)

Maria Reinisch, Geschäftsführerin der VDW

Lucas Wirl Geschäftsführer der IALANA


 

Die Mitglieder der Gemeinsamen Jury von VDW und IALANA:

Rechtsanwalt Gerhard Baisch (Bremen)

Dr. Dieter Deiseroth, Richter am BVerwG a.D.Sprecher der Jury -

Prof. Dr. Hartmut Graßl (Hamburg), ehemals  Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg)

Dr. Angelika Hilbeck, Agrarökologin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich

Juliane Drechsel-Grau (Berlin), Studentin der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Uni Berlin