Unter dem 10.10.2015 fordert der US-Friedensrat die deutschen Freunde und Genossen in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung auf, in einer Koalition zusammenzuwirken, um alle Angriffskriege zu beenden.

Hier der Brief im Wortlaut:

Offener Brief des US-Friedensrates an die Friedens- und Anti-Atom-Bewegung v. 10.10.15

 

Liebe Freunde und Mitstreiter für den Frieden,

wir sind uns bewusst, dass unsere Welt an einem kritischen Punkt angekommen ist: es besteht die Gefahr einer militärischen, möglicherweise nuklearen Konfrontation zwischen der NATO, ausgetragen von den USA und Russland. Die Streitkräfte der beiden nuklearen Supermächte stehen sich in Osteuropa wieder einander gegenüber, diesmal vor allem in der Ukraine und in Syrien. Und die Spannungen nehmen täglich zu.

In gewisser Weise kann man sagen, dass ein Weltkrieg bereits jetzt stattfindet.

Derzeit bombardieren die Regierungen von 15 Ländern in Syrien. Dazu gehören sieben verbündete NATO-Staaten: USA, Großbritannien, Frankreich, Türkei, Kanada, Belgien und die Niederlande. Ausserdem auch Nicht-NATO-Verbündete der USA: Israel, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien, Jordanien, Bahrain und Australien; und schließlich jetzt auch Russland.

An den westlichen Grenzen Russlands, wird ein anderer gefährlicher Krieg geführt. Die NATO baut ihre militärischen Kräfte in den Anrainerstaaten Russlands aus. Alle Regierungen der Nachbarländer Russlands erlauben es den NATO- und US-Streitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet zu operieren, dort wo die NATO jetzt nur Kilometer von russischen Großstädten entfernt bedrohliche Militärmanöver abhält. Dies verursacht zunehmend Spannung für die russische Regierung, so wie es das gleiche für die US-Regierung sein würde, wenn russische Streitkräfte an der US-Mexikanischen und der Grenze zwischen den USA und Kanada stationiert wären, und diese Militärs ein paar Meilen von US-amerikanischen Großstädten entfernt militärische Übungen abhalten würden.

In einer oder beider dieser Konfliktlagen kann es leicht zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und ihren NATO-Verbündeten auf der einen und Russland auf der anderen Seite kommen; eine Konfrontation, die das Potenzial der Eskalation zu einem Atomkrieg mit verheerenden Folgen hat.

Es geschieht angesichts dieser gefährlichen Situation, dass wir uns an unsere Freunde und Genossen in der Friedens- und Anti-Atombewegung wenden. Es scheint uns, dass viele unserer Verbündeten in der Bewegung diesen Gefahren wenig Aufmerksamkeit zollen, Ereignisse, die die gesamte Existenz der Menschheit bedrohen, auf globaler Ebene, und dass sich ihre Reaktionen darauf beschränken, dass sie gegen diese oder jene Handlung seitens dieser oder derjenigen anderen Seite protestieren. Im besten Fall stellen sie fest, dass die USA und Russland gleichermaßen schlecht sind, sie kritisieren beide Seiten gleichermaßen für die Erhöhung der Spannungen.

Dies entspricht aus unserer Sicht, einer passiven, ahistorischen und vor allem ineffektiven Reaktion, etwas was die Dringlichkeit der bestehenden Bedrohung ignoriert. Darüber hinaus werden durch die gleichmäßig verteilten Schuldzuweisungen, die wirklichen Ursachen der Problematik verschleiert.

Aber die Wurzeln der gegenwärtigen Krise liegen viel tiefer als die jüngsten Konflikte in Syrien und der Ukraine. Alles geht zurück auf die Zerstörung der Sowjetunion im Jahr 1991 und den Wunsch der USA, als die einzige verbliebene Supermacht zu verbleiben, welche die ganze Welt einseitig dominiert. Diese Tatsache wird sehr unverblümt zum Ausdruck gebracht in einem Dokument der Neokonservativen, dass im September 2000 publiziert wurde. Ein Dokument mit dem Titel “Amerikas Verteidigung, Wiederaufbau: Strategie, Kräfte und Mittel für ein neues Jahrhundert” (orig. Titel: "Rebuilding America’s Defenses: Strategy, Forces and Resources For a New Century"), ein Dokument auf dem die aktuelle US-Politik basiert:

(Auszüge)


Und dieses Dokument verkörpert seither das Leitprinzip der Politik der USA und zwar sowohl für die Regierungen von Präsident Bush und von Präsident Obama. Jeder Aspekt der heutigen US-Politik steht im Einklang mit den Worten dieses Dokuments, im Nahen Osten, Afrika, Osteuropa und Lateinamerika, unter Umgehung der UN als globale Friedenstruppe, ersetzt durch die Militärmacht der NATO als globaler Vollstrecker, so wie es in diesem Dokument empfohlen wird.

Jeder Regierungschef oder jede Regierung, die sich der geplanten US-Vorherrschaft in der Welt widersetzt, muss aus dem Weg geräumt werden, wenn nötig durch Anwendung von militärischer Gewalt!

Das "katastrophale und katalysierende Ereignis – so etwas wie ein neues Pearl Harbor", das was sie brauchten, wurde ihnen am 11. September 2001 auf einem Silbertablett gereicht, und der ganze Plan wurde in Bewegung gesetzt. Eine neuer "Feind", der islamische Terrorismus, trat an die Stelle des alten "Feindes", des Kommunismus. Der "globale Krieg gegen den Terrorismus" begann. Zuerst kam Afghanistan, dann Irak, dann Libyen, und nun Syrien, der Iran befindet sich in der Warteschlange (alle diese Staaten werden in dem Dokument als Ziele von Regimewechsel aufgeführt). 

In ähnlicher Weise und auf der Grundlage der gleichen Strategie, müssen auch Russland und später China als "globale Rivalen" und als "Abschreckung" der Weltherrschaft der USA geschwächt und eingedämmt werden. Daher auch die Massierung von NATO-Truppen an den russischen Grenzen und die Entsendung von Flugzeugträgern und Kriegsschiffen nach Ostasien, um China einzukreisen.

Leider scheint es, ist diese strategische Gesamtbild von einem signifikanten Teil unserer Friedensbewegung nicht erfasst wird. Viele vergessen, dass die Dämonisierung von ausländischen Politikern und Slogans wie "Saddam Hussein muss gehen", "Gaddafi muss gehen", "Assad muss gehen", "Chavez muss gehen", "Maduro muss gehen", "Janukowitsch muss gehen", und jetzt, "Putin muss gehen", (alle deutlich in Missachtung des Völkerrechts und der UN-Charta) Bestandteile derselben Weltherrschaft-Strategie sind, etwas was den Frieden und die Sicherheit der ganzen Welt bedroht, sogar die Existenz der Menschheit als Ganzes.

Die Frage, um die es hier geht, ist nicht, ob man diese oder jene Führer oder Regierung verteidigen sollte oder die Verletzung der Rechte ihrer Bürger durch sie vernachlässigen sollte. Das Problem ist, dass wir nicht auf jeden einzelnen dieser Fälle isoliert von den anderen sehen können, um dann mit ihnen umzugehen, ohne die eigentliche Grundursache zu erkennen, und zwar konkret das Verlangen der USA nach globaler Vorherrschaft. Wir können nicht darauf hoffen, Atomwaffen zu beseitigen, wenn gleichzeitig die beiden mächtigsten Nuklearmächte am Rande einer militärischen Konfrontation stehen. Wir können nicht unschuldige Zivilisten schützen durch die Finanzierung und Bewaffnung von Extremisten, egal ob direkt oder über Verbündete.

Wir können nicht Frieden und Zusammenarbeit mit Russland erwarten, während an der Grenze NATO-Streitkräfte massiert werden und während Militärübungen an den Grenzen zu Russland stattfinden. Wir können  keine Sicherheit haben, wenn wir nicht die Souveränität und die Sicherheit anderer Nationen und Völker respektieren.

Fair und objektiv bedeutet nicht, den Angreifer und seine Opfer gleichmäßig zu beurteilen. Wir müssen Aggressionen stoppen, bevor wir uns mit den Reaktionen der Opfer auf die Aggression befassen. Wir sollten nicht das Opfer der Aggression an Stelle der Aktionen des Angreifers verantwortlich machen. Und wenn man das Gesamtbild erfasst, sollte es keine Zweifel daran geben, wer die Angreifer sind.

In Anbetracht der Tatsachen sind wir der Meinung, eine sich abzeichnende Katastrophe nicht verhindern zu können, ohne eine Bündelung aller Kräfte, verbunden mit dem nötigen Gefühl von Dringlichkeit, um in Worten und Handlungen das Folgende zu fordern:

1.

Die NATO-Streitkräfte müssen sofort aus den Anrainerstaaten Russlands abgezogen werden;

2.

Alle ausländischen Truppen müssen Syrien unverzüglich verlassen, und die Souveränität und territoriale Integrität Syriens muss gewährleistet sein.

3.

Der syrische Konflikt kann nur durch politische Prozesse und diplomatische Verhandlungen zu einer Lösung gebracht werden. Die USA müssen ihre Politik  der Voraussetzung “Assad muss gehen” fallenlassen und dürfen nicht länger diplomatische Gespräche blockieren.

4.

Verhandlungen müssen insbesondere die Regierung Syriens mit einschließen, als auch alle regionalen und globalen Mächte umfassen, die von dem Konflikt betroffen sind.

5.

Die Zukunft der syrischen Regierung muss vom syrischen Volk allein entschieden werden, frei von allen äußeren Einflüssen.

6.

Die US-Strategie einer globalen Vorherrschaft muss zu Gunsten einer Politik der friedlichen Koexistenz aller Länder aufgegeben werden, unter der Voraussetzung des Respekts für das Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung und Souveränität.

7.

Der Prozess der Abschaffung der NATO muss sofort beginnen.


Wir appellieren an alle unsere Freunde und Genossen in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung, Hand in Hand in einer demokratischen Koalition mit uns zusammenzuwirken, um alle Angriffskriege zu beenden. Wir würden uns über alle kooperativen Reaktionen unserer Freunde und Genossen in der Bewegung freuen.

US-Friedensrat
am 10. Oktober 2015