Auszüge aus dem Koalitionsvertrag 2013 zur Außen- und Sicherheitspolitik.

Auszug aus der Präambel  (S. 11/12)

"Auch international ist sich Deutschland seiner Verantwortung bewusst. Wir stellen uns den internationalen Herausforderungen: Der Sicherung von Frieden und Freiheit und der Wahrung von Menschenrechten, der Unterstützung der Entwicklung von Staaten und Regionen und dem Schutz des Klimas und der Umwelt. Stabilität wollen wir nicht zuletzt durch neue Initiativen der Abrüstung und durch eine zurückhaltende Rüstungsexportpolitik fördern. Gemeinsam mit unseren Partnern in Europa wollen wir die globale Ordnung mitgestalten und zur Lösung von Krisen und Konflikten beitragen. Dabei leiten uns die Werte und Interessen unseres Landes.

6. Starkes Europa

(S. 167-178)

Europäische Außen- und Sicherheitspolitik 

(S. 176-178)

Wir wollen eine starke und selbstbewusste Europäische Union, die den Globalisierungsprozess maßgeblich mit gestaltet und dabei entschlossen für die Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand eintritt. Deutschland wird aktiv dazu beitragen, das Vertrauen in das europäische Einigungswerk zu stärken. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Partnern ist für den gemeinsamen Erfolg unerlässlich. Die Berücksichtigung der Interessen der kleinen und mittleren Mitgliedstaaten ist konstitutiver Bestandteil unserer Europapolitik.
Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union in ihrem internationalen Einsatz für Menschenrechte hängt maßgeblich davon ab, wie konsequent sie ihre Werte lebt und deren Verletzung im Innern ahndet. Die Bundesregierung setzt sich auf Grundlage von Artikel 7 EUV für einen wirksamen Mechanismus zur Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Standards in Europa ein, um den Schutz der Werte, wie sie in Artikel 2 EUV verankert sind, zu gewährleisten.

Die deutsch-französische Partnerschaft ist in ihrer Breite und Tiefe einzigartig. Unsere Länder haben als starke Wirtschaftsnationen ein besonderes Interesse, aber auch besondere Möglichkeiten, die europäische Einigung maßgeblich zu fördern und Wohlstand, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Wir werden die am 22. Januar 2013 beschlossene deutsch-französische Agenda Schritt für Schritt weiter umsetzen. Unsere Partnerschaft mit Polen weiter vertiefen und die vielfältigen nachbarschaftlichen Beziehungen weiterentwickeln. Die Arbeitsmöglichkeiten des Deutsch-Polnischen Jugendwerks werden wir ausweiten und den Jugendbegegnungsstätten in Kreisau und Auschwitz eine langfristige Perspektive geben. Wir werden die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck intensivieren. Bilaterale Initiativen mit unseren mitteleuropäischen Partnern wollen wir ausbauen. Dem deutsch-tschechischen Zukunftsforum und dem deutschtschechischen Zukunftsfonds sichern wir eine Perspektive über 2017 hinaus.

Erweiterungen und östliche Nachbarschaft

Die Erweiterung der EU ist aktive europäische Friedenspolitik. Die bisherigen EU-Erweiterungen sind im Interesse Deutschlands und Europas. Wir stehen dazu, dass dieser Prozess unter strikter Beachtung der Beitrittskriterien fortgesetzt wird und die Staaten des Westlichen Balkans eine Beitrittsperspektive haben. Sowohl Serbien als auch Kosovo müssen ihre eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Wir wollen KFOR im Einklang mit der Sicherheitsentwicklung schrittweise reduzieren und zum Abschluss führen. Gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten werden wir die Heranführung der Länder des Westlichen Balkans an EU und NATO aktiv vorantreiben. Für die EU-Erweiterung sind die Anwendung strenger Kriterien und klar überprüfbarer Fortschritte wichtig. Maßgeblich sind sowohl die Beitrittsfähigkeit der Kandidaten als auch die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union.

Die Türkei hat für Europa strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Wir sind darüber hinaus mit der Türkei durch vielfältige Beziehungen zwischen den Menschen in unseren beiden Ländern eng verbunden. Wir möchten die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei weiter vertiefen, einschließlich einer engen strategischen Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Wir sehen nicht nur die eindrucksvolle wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, sondern begrüßen vor allem die mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen unternommenen Reformanstrengungen. Der Verhandlungsprozess läuft mit der Eröffnung neuer Verhandlungskapitel weiter. Die unbedingte Achtung der Werte, auf denen auch die EU fußt, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Religions- und Meinungsfreiheit, und deren innerstaatliche Durchsetzung sind Voraussetzung für weitere Fortschritte. Die 2005 aufgenommenen Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts sind ein Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt. Auch in der Türkei wird eine Diskussion über die Frage der EU-Mitgliedschaft geführt. Sollte die EU nicht aufnahmefähig oder die Türkei nicht in der Lage sein, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, muss die Türkei in einer Weise, die ihr privilegiertes Verhältnis zur EU und zu Deutschland weiter entwickelt, möglichst eng an die europäischen Strukturen angebunden werden.

Es liegt im vitalen Interesse Deutschlands und der EU, Stabilität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung auch in den anderen angrenzenden Regionen zu fördern. In diesem Zusammenhang hat sich die Europäische Nachbarschaftspolitik bewährt. Für die Östliche Partnerschaft bleiben Assoziierungs-, Freihandels- und Visaerleichterungs-Abkommen die besten Instrumente.

Die Nachbarländer an der südlichen und östlichen Küste des Mittelmeers sind von strategischer Bedeutung für Europa. Eine engere Anbindung dieser Staaten an die EU kann zu einer Stabilisierung der Region beitragen.

Ein starkes Europa in der Welt

Wir wollen, dass die Europäische Union ihrer Verantwortung als Trägerin des Friedensnobelpreises auch künftig gerecht wird. Sie muss in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts die internationale Politik mitgestalten und hierfür eine starke eigenständige Rolle wahrnehmen. Die Bundesregierung wird anknüpfend an den EU-Gipfel im Dezember 2013 neue politische Initiativen zur Stärkung und Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ergreifen. Der Europäische Rat sollte sich auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs in der Regel einmal im Jahr mit Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik befassen.

Wir setzen uns dafür ein, das Amt des/der Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik, zu stärken. Die Handlungsfähigkeit des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) für ein präventives Krisenmanagement und für eine schnelle Krisenreaktion muss verbessert werden. Ein schlanker EAD hat eine funktionale und keine überwiegend repräsentative Aufgabe. Außenpolitische Fragen, Handelspolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit müssen zwischen EU-Kommission und EAD besser verknüpft und enger abgestimmt werden.

Die Europäische Union braucht mehr denn je eine strategische Diskussion, was sie mit vorrangig zivilen Mitteln oder gegebenenfalls auch militärischen Einsätzen erreichen kann und will. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten können wertvolle Hilfe beim Aufbau von Demokratie, rechtsstaatlichen Systemen und einer leistungsfähigen Verwaltung in Drittländern leisten. Das gilt insbesondere für die Bereiche der Polizei und Justiz.

Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern. Die Streitkräfteplanung in Europäischer Union und Nordatlantischer Allianz ist enger aufeinander abzustimmen. Dopplungen sind zu vermeiden. NATO- und EU-Fähigkeiten müssen komplementär zueinander sein.

Wir wollen, dass gemeinsame europäische Einsätze zur Wahrung und Stärkung der Sicherheit Europas vorrangig in unserer geographischen Nachbarschaft durchgeführt werden. Einsätze jenseits dieser Nachbarschaft sollten vermehrt regionalen Partnern und Organisationen übertragen werden, beispielsweise der Afrikanischen Union (AU), der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) oder dem Golf-Kooperationsrat (GCC). Diese und weitere regionale Organisationen sowie verlässliche Partner vor Ort müssen bei der Übernahme von Verantwortung unterstützt werden.

OSZE und Europarat

Wir wollen die OSZE stärken. Die Bundesregierung erklärt sich in Absprache mit den OSZE-Partnernationen, insbesondere Polen und Frankreich, dazu bereit, mehr Verantwortung in der OSZE zu tragen. Wir wollen, dass der Europarat und seine Organe sich auf ihre Kernkompetenz als Hüter und Bewahrer elementarer Grund- und Menschenrechte besinnen. Darauf wollen wir intensiv hinarbeiten.

7. Verantwortung in der Welt

Verlässlicher Partner in der Welt

(S. 179)

Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten. Dabei lassen wir uns von den Interessen und Werten unseres Landes leiten. Deutschland setzt sich weltweit für Frieden, Freiheit und Sicherheit, für eine gerechte Weltordnung, die Durchsetzung der Menschenrechte und die Geltung des Völkerrechts sowie für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung ein.

Wir stehen bereit, wenn von unserem Land Beiträge zur Lösung von Krisen und Konflikten erwartet werden. Dabei stehen für uns die Mittel der Diplomatie, der friedlichen Konfliktregulierung und der Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund. Wir stehen für Verlässlichkeit und Bündnistreue. Wir wollen ein guter Partner bei der Gestaltung einer gerechten Weltordnung sein.

Transatlantische Partnerschaft und NATO stärken

(S. 179-180)

Die transatlantische Zusammenarbeit ist sowohl für Europa als auch für Nordamerika von grundlegender Bedeutung. Die transatlantische Partnerschaft basiert auf einem Fundament gemeinsamer Werte und Interessen und ist deshalb auch heute der Schlüssel zu Freiheit, Sicherheit und Wohlstand für alle. Dort, wo in jüngster Zeit Vertrauen in Frage gestellt wurde, muss es wiederhergestellt werden. Dazu erwarten wir ein deutliches Bekenntnis und entsprechende Maßnahmen der US-Administration. Wir wollen die Regeln, die für den Umgang zwischen Partnern gelten, klarer definieren und streben glaubhafte und überprüfbare Vereinbarungen an, um die Privatsphäre unserer Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA ist eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen. Wir wollen, dass die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss geführt werden, ohne im Vertrag parlamentarische Kontrolle und gerichtlichen Schutz in Frage zu stellen. Unser Ziel ist dabei, bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handels- und Investitionsbeziehungen so umfassend wie möglich abzubauen. Die Zulassung begründeter Ausnahmen muss für jede Vertragspartei Teil des Abkommens sein. Wir werden auf die Sicherung der Schutzstandards der Europäischen Union insbesondere im Bereich des Datenschutzes, der europäischen Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelstandards sowie auf den Schutz von Verbraucherrechten und öffentlicher Daseinsvorsorge sowie von Kultur und Medien Wert legen.

Wir bekennen uns zur NATO und zu ihrem neuen strategischen Konzept. Die transatlantische Allianz ist und bleibt das zentrale Fundament unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesichts neuer Risiken und Bedrohungen einer globalisierten Welt. Sie ist die Organisation, in der die transatlantischen Partner ihre strategischen sicherheitspolitischen Vorstellungen gleichberechtigt konsultieren und koordinieren. Wir wirken im Bündnis aktiv mit und setzen uns auch auf diese Weise dafür ein, dass die Bindungen zwischen Nordamerika und Europa tragfähig bleiben und vertieft werden. Deutschland wird auch künftig seinen angemessenen Teil der Lasten im Bündnis verlässlich leisten. Gemeinsam mit unseren NATO-Partnern setzen wir konsequent die Beschlüsse von Chicago zur strategischen Neuausrichtung der Allianz um.

Wir unterstützen die Verteidigungskooperation auf Grundlage der Smart-Defence Initiative, militärische Fähigkeiten gemeinsam zu planen, zu beschaffen und bereitzustellen und die Interoperabilität der Streitkräfte im Bündnis zu erhalten. Deutschland ist bereit, als Rahmennation dazu beizutragen, zusammen mit anderen NATO-Partnern Fähigkeiten für das Bündnis zu erbringen.

Das Instrument des NATO-Russland-Rates wollen wir weiterhin nutzen und den strategischen Wert dieses Gremiums stärken. Gerade beim Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan hat sich gezeigt, dass die Kooperation zwischen NATO und Russland möglich und im gegenseitigen Interesse ist. Diese positiven Erfahrungen sollten auch für andere sicherheitspolitische Herausforderungen, wie die Gespräche über den Aufbau der NATO-Raketenabwehr, genutzt werden. Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren bündnispolitischen Zusagen und wird ihren Beitrag zum Aufbau der NATO-Raketenabwehr leisten, die wir für den effektiven Schutz vor der Bedrohung durch Raketen in den Händen von Risikostaaten benötigen. Die Bundesregierung wird dabei mit ihren NATO-Partnern gemeinsame und kooperative Lösungen suchen, die nicht zu neuen Spannungen und Rüstungswettläufen führen.

Offener Dialog und breitere Zusammenarbeit mit Russland

(S. 180-181)

Deutschland und Russland sind durch eine wechselvolle Geschichte eng miteinander verbunden. Russland ist der größte und wichtigste Nachbar der Europäischen Union. Ein modernes, wirtschaftlich starkes und demokratisches Russland liegt in deutschem wie europäischem Interesse. Wir wollen die Modernisierungspartnerschaft auf weitere Bereiche ausdehnen, um gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich zu Fortschritten zu kommen. Wir werden dazu mit der russischen Führung offen über unterschiedliche Vorstellungen einer Modernisierungspartnerschaft sprechen.

Wir begrüßen und unterstützen die vielfältigen Bemühungen um eine Verbreiterung und Vertiefung der Beziehungen auf staatlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene. Wir streben die Weiterentwicklung des Petersburger Dialogs an. Darüber hinaus wollen wir neue Formen des gesellschaftlichen Dialogs mit Russland ins Leben rufen und die bilateralen Kontakte zu Vertretern der neuen russischen Mittelschicht und Zivilgesellschaft intensivieren. Russland ist gefordert, rechtsstaatliche und demokratische Standards einzuhalten, zu denen sich Russland auch international verpflichtet hat. Das gilt auch für die Einhaltung der WTO-Verpflichtungen.

Wir streben eine weitere Liberalisierung der Visaregelungen für Unternehmer, Wissenschaftler, zivilgesellschaftliche Akteure und Studenten an. Wir wollen die Russland- und Osteuropa-Kompetenz in Deutschland auf eine solide Grundlage stellen. Dazu wollen wir die wissenschaftlich-analytische Expertise über diese Region stärken.

Wir werden uns in der Europäischen Union für mehr Kohärenz in der Russland-Politik einsetzen. Wir verfolgen auch weiterhin die Ziele eines neuen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Russland, des Ausbaus der Ostseezusammenarbeit sowie der Verstärkung der Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei kommt der Vertiefung des trilateralen Dialogs zwischen Deutschland, Polen und Russland eine Schlüsselrolle zu. Bei der Gestaltung unserer Beziehungen zu Russland wollen wir die berechtigen Interessen unserer gemeinsamen Nachbarn berücksichtigen.

Sicherheit in und für Europa lässt sich nur mit und nicht gegen Russland erreichen. Dabei wollen wir gemeinsam mit Russland vor allem die Regelung von Konflikten in der gemeinsamen Nachbarschaft voran bringen und erwarten insbesondere in der Transnistrienfrage Fortschritte.

Neue Dynamik für Abrüstung und Rüstungskontrolle

(S. 181-182)

Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik sind ein bedeutsames Element deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung tragen wesentlich zum Frieden sowie zu unserer Sicherheit und Stabilität bei. Wir treten für allgemeine und weltweite Abrüstung und Rüstungskontrolle sowohl von konventionellen als auch von Massenvernichtungswaffen ein.

Gemeinsam mit unseren NATO-Partnern haben wir uns auf dem Gipfel von Chicago zum Ziel gesetzt, die Bedingungen für eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen und bis dahin die Rolle von Nuklearwaffen zu reduzieren. Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.

Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass zwischen den USA und Russland Verhandlungen zur verifizierbaren, vollständigen Abrüstung im substrategischen Bereich beginnen, und entsprechende Schritte beider Partner engagiert unterstützen. Erfolgreiche Abrüstungsgespräche schaffen die Voraussetzung für einen Abzug der in Deutschland und Europa stationierten taktischen Atomwaffen.

Gleichzeitig braucht die konventionelle Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa neue politische Impulse. Wir werden uns über das KSE-Vertragswerk hinaus für die Modernisierung der Rüstungskontrollarchitektur in Europa auf Grundlage verifizierbarer Transparenz einsetzen. Wir wollen das Open-Sky-Abkommen durch eine deutsche Beobachtungsplattform unterstützen.

Wir werden uns international für die vollständige Implementierung des VN-Kleinwaffenabkommens einsetzen und die Umsetzung in adäquate nationale Kontrollmechanismen unterstützen. Alle im nichtstaatlichen Bereich in Deutschland gehandelten und geführten sowie für den Export vorgesehenen und vom VN-Kleinwaffenaktionsprogramm erfassten Klein- und Leichtwaffen sollten in Zukunft mit einer möglichst unauslöschlichen Markierung versehen werden, um deren Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen. Auch die weltweite Umsetzung des internationalen Waffenhandelsvertrags (ATT) wollen wir energisch vorantreiben. Deutschland wird regionale Abmachungen zu massenvernichtungswaffenfreien Zonen unterstützen. Mit einem gemeinsamen EU-Standpunkt wollen wir zum Gelingen der bevorstehenden Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag im Jahr 2015 beitragen.

Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien hat deutlich gemacht, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, um die globale Gültigkeit des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) mit neuen Initiativen voranzutreiben. Exporte dual-use-fähiger chemischer Substanzen und Anlagen in Nicht-CWÜ-Staaten müssen einer besonders strikten Kontrolle unterzogen werden.

Vereinte Nationen, globaler Dialog und strategische Partnerschaften

(S. 182)

Den Vereinten Nationen kommt eine Schlüsselrolle für die Wahrung des Friedens und zur Bewältigung von globalen Herausforderungen zu. Mit neuen Initiativen, die wir mit unseren europäischen Partnern abstimmen, wollen wir unseren Beitrag zur Erneuerung und Weiterentwicklung der Strukturen der Vereinten Nationen leisten, einschließlich einer Reform und Erweiterung des Sicherheitsrates. Deutschland bleibt bereit, mehr Verantwortung auf Ebene der Vereinten Nationen zu übernehmen, auch mit der Übernahme eines ständigen Sitzes im Sicherheitsrat. Wir streben für die Zukunft einen ständigen Sitz der Europäischen Union an.

Zur Erfüllung ihrer friedenswahrenden Aufgaben benötigen die Vereinten Nationen eine angemessene Ausstattung für ihre Friedensmissionen (Peacekeeping) und der politischen Missionen der Weltorganisation, damit effektive multilaterale Friedenspolitik betrieben werden kann.

Zur Besetzung von Führungspositionen in den Vereinten Nationen streben wir ein effektives Personalkonzept an. Dafür werden wir auch die ressortübergreifende Koordinierung der VN-Politik aufwerten. Wir werden den VN-Standort Bonn stärken. Eine Weiterentwicklung des Völkerrechts muss dazu beitragen, dass die Vereinten Nationen einen wirksameren Beitrag zur weltweiten Durchsetzung von Freiheit und Menschenrechten leisten. Das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) bedarf der weiteren Ausgestaltung und einer völkerrechtlich legitimierten Implementierung. Dabei gilt es vor allem die präventive Säule der Schutzverantwortung international zu stärken.

Die Koalition erkennt die Schlüsselrolle von Frauen sowohl bei der Prävention als auch bei der Regelung von Konflikten an. Sie wird den Nationalen Aktionsplan zur VN-Resolution 1325 in enger Abstimmung mit der Zivilgesellschaft schrittweise umsetzen.

Wir wollen unser Engagement für Sicherheit und Frieden auch im außereuropäischen Raum durch strategische Partnerschaften konsequent fortentwickeln.

Deutschland wird im Jahr 2015 erneut die G8-Präsidentschaft übernehmen. Wir werden darüber hinaus die Kooperation mit den Partnern der G20 engagiert fortsetzen. Wir werden das „Internationale Deutschlandforum“ fortführen.

Naher Osten und arabische Welt

 (S. 183-186)

Wir bekennen uns zu der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel als jüdischem und demokratischem Staat und dessen Sicherheit. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind für uns nicht verhandelbar. 2015 feiern wir das 50-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Staat Israel. Dieses Jubiläum wird die Bundesregierung angemessen würdigen.

Deutschland und Europa haben ein hohes Interesse an Frieden und Stabilität im Nahen und Mittleren Osten. Unser Ziel ist eine Zweistaaten-Lösung mit einem Staat Israel in anerkannten und dauerhaft sicheren Grenzen sowie einem unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben.

Wir unterstützen die Transformationsprozesse derjenigen arabischen Staaten, in denen sich eine positive Entwicklung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus abzeichnet. Die begonnenen Transformationspartnerschaften wollen wir fortführen. Der Umgang mit der jeweiligen Opposition, die Gewährung elementarer Grund- und Freiheitsrechte einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit sowie die Existenz einer freien Presse- und Medienlandschaft sind für uns ausschlaggebende Kriterien für die Unterstützung dieser Staaten. Religiöse Minderheiten müssen ihren Glauben frei ausüben können und vor Gewalt geschützt werden. Das Urteil gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung und die mehrjährigen Haftstrafen dürfen keinen Bestand haben. Die deutsch-ägyptische Erklärung vom Januar 2013 muss Gültigkeit haben. Die deutschen politischen Stiftungen müssen in Ägypten frei arbeiten dürfen.

Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Lage der Christen und anderer religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordafrika, dem Nahen oder Mittleren Osten nach dem Sturz der autoritären Regime sich zum Schlechteren entwickelt. Auch deshalb werden wir die Entwicklung von pluralistischen Gesellschaften, in denen Religionsfreiheit garantiert und umgesetzt wird, dort mit aller Kraft unterstützen. Christen müssen in dieser Region eine Zukunft haben.

Deutschland wird sich gemeinsam mit seinen Partnern aktiv an der Suche nach einer politischen Lösung des Syrienkonflikts beteiligen. Gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft werden wir den Druck auf das Regime in Damaskus aufrecht erhalten, die gemachten Zusagen vollständig einzuhalten. Den wachsenden Einfluss islamistischer Kräfte betrachten wir mit Sorge. Wir wollen das Leiden der syrischen Flüchtlinge und Vertriebenen in den Anrainerstaaten lindern helfen und setzen uns für einen humanitären Zugang von Hilfsorganisationen innerhalb Syriens ein. Wir werden uns gemeinsam mit dem UNHCR gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten für eine gemeinsame europäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge einsetzen.

Wir fordern den Iran auf, alle Zweifel am ausschließlich friedlichen Charakter seines Atomprogramms auszuräumen. Ein nuklear bewaffneter Iran stellte eine Gefahr für die gesamte Region und darüber hinaus dar und würde den weltweiten Bemühungen um Abrüstung und Nonproliferation schweren Schaden zufügen. Um die Gefahr abzuwenden, dass der Iran die Fähigkeit hat, Nuklearwaffen herzustellen, unterstützen wir im Rahmen der Verhandlungsgruppe von Großbritannien, Frankreich, Deutschland USA, Russland und China, (E 3 plus 3) alle Anstrengungen für eine diplomatische Lösung des Irankonflikts. Dabei halten wir am „doppelten Ansatz“ fest. Die Politik der internationalen Gemeinschaft gegenüber dem Iran, die auf Kooperationsangebote und gezielte Sanktionen setzt, hat zu Bewegung in den zuvor festgefahrenen Verhandlungen geführt. Unser Ziel ist die Rückgewinnung des Iran als vertrauensvoller Partner auf der internationalen Bühne.

Asien

Wir wollen die Beziehungen mit den Staaten Asiens auf der Basis universeller Werte weiter intensivieren. Wir wollen die stärkere Orientierung der amerikanischen Außenpolitik auf den asiatisch-pazifischen Raum auch als Chance nutzen und dazu beitragen, dass auch in dieser Region die Politik der Kooperation und des Interessensausgleichs Vorrang bekommt vor einer Politik der Konfrontation. Die Freundschaft mit Japan ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik. Wir begrüßen die laufenden Verhandlungen zum Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Japan.

China ist aufgrund einer Vielzahl gemeinsamer Interessen strategischer Partner Deutschlands und der EU. Wir werden unsere vielfältige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auch im Rahmen unserer regelmäßigen Regierungskonsultationen weiter intensivieren. Wir setzen uns dafür ein, dass in China die in der Verfassung garantierten Rechte wie die Gewährleistung der universellen Menschenrechte für alle Bürger respektiert werden. Der Schutz des geistigen Eigentums und unsere Cyber-Sicherheit sollen gestärkt werden. China ist aufgefordert, im Rahmen der Vereinten Nationen einen Beitrag zur internationalen Konfliktlösung zu erbringen, der seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung entspricht.

Indien ist unser strategischer Partner. Die politische, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit wollen wir ausbauen. Dem dienen auch unsere regelmäßigen Regierungskonsultationen. Wir unterstützen die Verhandlungen der EU mit Indien für ein Freihandelsabkommen.

Afghanistan

Nach über zehn Jahren wird sich unser sicherheitspolitisches Engagement in Afghanistan verändern. Mit einem ressortübergreifenden Engagement streben wir eine gefestigte Zukunft Afghanistans an. Der Kampfeinsatz ISAF in Afghanistan ist bis Ende 2014 abzuschließen und die militärische Handlungsfähigkeit zur Sicherung des Abzuges bis zu diesem Zeitpunkt zu erhalten. Die Menschen in Afghanistan und die internationale Gemeinschaft können sich darauf verlassen, dass wir zu unseren Zusagen stehen – gerade auch mit Blick auf die zivile Hilfe, die Schwerpunkt unseres Afghanistan-Engagements wird. Dabei wollen wir auch den bestmöglichen Schutz unserer zivilen Kräfte erreichen. Afghanische Ortskräfte, die für uns in Afghanistan gearbeitet haben und deren Sicherheit und Leben nach Beendigung des Einsatzes bedroht sind, sollen zusammen mit ihren Familien in Deutschland eine Aufnahme angeboten bekommen.

Die Koalition steht zu einer angemessenen Beteiligung Deutschlands im Rahmen einer Beratungsmission unter NATO-Führung, für den Fall, dass die völkerrechtlichen Voraussetzungen und die Beteiligung unserer Partner sichergestellt sind.

Afrika und Lateinamerika

Der wachsenden Bedeutung Afrikas und seiner zunehmenden Eigenverantwortung wollen wir verstärkt Rechnung tragen und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausbauen. Deutschland hat ein besonderes Interesse, dass die Staaten Afrikas regionale Probleme selbst lösen können. Deshalb werden wir die Bemühungen zur Stärkung sub- und interregionaler Zusammenarbeit unterstützen. Wir setzen auf Kooperation und partnerschaftlichen Umgang auf Augenhöhe, indem wir die Institutionen unserer afrikanischen Partnerländer stärken, den Privatsektor fördern und gute Regierungsführung verstärkt in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Die Bemühungen zur Schaffung einer Sicherheitsstruktur im Rahmen der Afrikanischen Union werden wir weiter unterstützen und uns im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union an Friedensinitiativen beteiligen.

Die starke Partnerschaft zwischen Deutschland, der EU und Lateinamerika basiert auf gewachsenen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen, die von gemeinsamen Werten und Interessen geprägt sind. Diese traditionellen Gemeinsamkeiten und Bindungen wollen wir vertiefen. Unsere strategische Partnerschaft mit Brasilien wollen wir ausbauen.

Gemeinsam mit allen Staaten Lateinamerikas wollen wir Fortschritte bei den drängenden globalen Herausforderungen erzielen. Wir wollen die Wirtschaftschancen zum beiderseitigen Vorteil nutzen und dafür die wirtschaftlichen Beziehungen weiter ausbauen und Investitionen und Handel fördern.

Wir werden unseren Beitrag zur Stärkung der grenzüberschreitenden Vernetzung von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Kultur leisten. Dabei wollen wir uns insbesondere auf die Länder konzentrieren, die unsere Werte teilen.

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

(S. 186-187)

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bleibt die dritte Säule der deutschen Außenpolitik. Die zur Verfügung stehenden Mittel sollen für die Förderung des Dialoges der Kulturen und zur Krisenprävention im weiteren Sinn sowie für die Vermittlung von Werten der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eingesetzt werden. Der kulturelle Austausch und deutsche Kultureinrichtungen wie das Deutsche Archäologische Institut, die Goethe-Institute, der DAAD, die Humboldt- Stiftung sowie die deutschen Auslandsschulen und Wissenschaftskooperationen übernehmen dabei wichtige Brückenfunktionen. Das Goethe-Institut wird insbesondere für die Programm- und Spracharbeit adäquat ausgestattet und bleibt - wie die deutschen Auslandsschulen – fester Bestandteil der Auslandsaktivitäten der Bundesregierung.

Mit unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wollen wir ein positives und wirklichkeitsgetreues Bild unseres Landes im Ausland vermitteln, Interesse an der deutschen Sprache und Kultur wecken und für den Wirtschafts-, Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland werben. Die Vermittlung und Förderung der deutschen Sprache im Ausland ist eine herausragende Aufgabe der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Wir werden die internationalen Bildungskooperationen im schulischen und universitären Bereich ausbauen, die erfolgreichen Stipendienprogramme stärken und dem im Ausland gestiegenen Interesse am dualen Ausbildungssystem Rechnung tragen, auch durch berufsbildende Angebote an den deutschen Auslandsschulen, die weiterhin gemeinwohlorientiert arbeiten.

Dem Dialog mit der islamischen Welt messen wir in unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eine besondere Bedeutung zu. Dabei ist es in unserem Interesse, die moderaten Kräfte in ihrem Streben nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen. Das entschiedene Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus ist auch ein Kennzeichen unserer Außenpolitik.

Europa ist auch ein kulturelles Projekt. Deutschland mit seinen Mittlerorganisationen trägt eine besondere Verantwortung für einen gemeinsamen europäischen Kulturraum.

Die Koalition bekennt sich zu der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt und zu der UNESCO-Konvention zum Kulturgüterschutz. Sie wird die Initiative ergreifen, auch dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser beizutreten.

Politische Stiftungen

Die politischen Stiftungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum internationalen Dialog und stärken damit auch das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen die internationale Arbeit der politischen Stiftungen auch in Zukunft unterstützen und rechtlich sichern. Dabei wollen wir neue regionale Schwerpunkte durch die Bereitstellung entsprechender Ressourcen stärken.

Außen- und Sicherheitspolitik ressortübergreifend gestalten

(S. 187)

Die Koalition bekennt sich zur Stärkung einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit im Verständnis einer effektiven Außen- und Sicherheitspolitik, für deren Erfolg sich zivile und militärische Instrumente ergänzen müssen. In der Außen- und Sicherheitspolitik denken und handeln wir vernetzt. Im Konzept von Krisenfrüherkennung, Krisenprävention, Ursachenbekämpfung und Konfliktbewältigung ist die Entwicklungszusammenarbeit integraler Bestandteil. Eine besondere Bedeutung kommt der zivilen Krisenprävention zu, deren Strukturen wir stärken und weiterentwickeln werden.

Wir werden die Förderung der Friedens- und Konfliktforschung in den kommenden vier Jahren ausweiten. Die bestehenden deutschen Institutionen der Friedensförderung und Friedensforschung wie das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), der Zivile Friedensdienst, die Bundesakademie für Sicherheitspolitik und die Deutsche Stiftung Friedensforschung haben sich bewährt und sollen stärker in die Politikberatung einbezogen werden.

Wir werden durch gezielte Maßnahmen deutsche Beamte, Richter und Staatsanwälte ermutigen, an Auslandseinsätzen teilzunehmen. Wir wollen die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für den Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in Friedensmissionen verbessern. Hierzu wird die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode mit den Bundesländern eine umfassende Bund-Länder-Vereinbarung verhandeln, die der gemeinsamen Verantwortung gerecht wird.

Unseren Soldaten, Polizisten, Diplomaten, Entwicklungs- und Aufbauhelfern gebühren unser Dank und unsere Anerkennung. Ihnen gilt unsere besondere Fürsorge.

Neuausrichtung der Bundeswehr

 (S. 188-191)

Wir bekennen uns zu einer starken Verteidigung mit modernen und leistungsfähigen Streitkräften. Die Bundeswehr hat sich als Armee in der Demokratie und für die Demokratie bewährt. Das zentrale Leitbild der Inneren Führung und des Soldaten als Staatsbürgers in Uniform prägt auch weiterhin den Dienst in der Bundeswehr und den Einsatz der Bundeswehr für Frieden und Freiheit weltweit. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Mit ihrer Neuausrichtung wird sie auf die veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet. Wir werden diese Neuausrichtung konsequent fortsetzen und zum Erfolg führen.

Die Umsetzung ist mit erheblichen Anpassungsprozessen für die gesamte Bundeswehr verbunden. Die Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien brauchen Berechenbarkeit und Planungssicherheit. Die bestehende mittelfristige Finanzplanung bildet dafür die Grundlage. An den getroffenen Entscheidungen halten wir besonders im Sinne der Planungssicherheit für die Soldatinnen und Soldaten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich fest. Wo sich im Rahmen der bis spätestens Ende 2014 laufenden Evaluierung der Neuausrichtung Änderungsbedarf ergibt, werden wir entsprechend nachsteuern.

Auch bei der Umsetzung der nächsten Schritte werden wir streng auf Wirtschaftlichkeit, Funktionalität, Attraktivität und Präsenz in der Fläche achten. Der festgelegte militärische Personalumfang von bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten entspricht dem Bedarf einer leistungsfähigen aufgaben- und einsatzorientierten Bundeswehr und der Rolle Deutschlands im Vergleich zu unseren europäischen Partnern. Den Bereich der Zivilbeschäftigten wollen wir aufgabenbezogen evaluieren. Eine weitere Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr ist keine Perspektive.

Attraktivität

Wichtig ist es, dass der Dienst in der Bundeswehr attraktiv bleibt. Wir werden eine Attraktivitätsoffensive voranbringen: Wir setzen uns für mehr Familienfreundlichkeitein, insbesondere für den Aufbau der Kinderbetreuung, bei Bedarf in Absprache mit den Kommunen. Mit Blick auf die hohen Pendlerzahlen streben wir eine möglichst heimatnahe Verwendung an. Darüber hinaus werden wir die Wahlmöglichkeit zwischen der Gewährung von Trennungsgeld und Zusage der Umzugskostenvergütung dauerhaft schaffen. Durch die Neuausrichtung sind Dienststellen, in denen militärisches und ziviles Personal gemeinsam arbeiten, die Regel. Das Soldatenbeteiligungsgesetz werden wir entsprechend anpassen. Wir streben Regelungen an, die die Besonderheiten des Soldatenberufes und die Sicherstellung der Einsatzbereitschaft mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Einklang bringen. Wir wollen die Nachversicherung für Zeitsoldaten nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst so gestalten, dass sie hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung keine Nachteile erfahren. Die Koalition wird die geltenden Beschränkungen des Hinzuverdienstes für ausgeschiedene Soldaten bei späteren Verwendungen in der Wirtschaft aufheben.

In der Mitte der Gesellschaft

Wir treten dafür ein, das Verständnis für die Besonderheiten des Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften sicherzustellen. Feierliche Gelöbnisse etwa sind Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft. Die Koalition unterstützt den fortgesetzten Dialog der Bundeswehr in und mit der Gesellschaft. Die Verantwortung für unsere Veteranen wollen wir gemeinsam tragen. Dies gilt auch für die Fürsorge für Verwundete und Versehrte und die würdige Gestaltung der Erinnerung an unsere Gefallenen und Toten. Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.

Der neue Freiwillige Wehrdienst hat sich bewährt. Die gegenwärtig möglichen Verpflichtungszeiten des Freiwilligen Wehrdienstes werden überprüft und gegebenenfalls angepasst. Die Koalition erkennt den Wert der Reserve für die Auftragserfüllung der Bundeswehr und als Bindeglied und Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft an. Die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte werden für ihre Aufgaben im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit angemessen ausgestattet. Zur Steigerung der Attraktivität des Reservistendienstes prüfen wir die Anpassung und Vereinfachung der Vergütung wie der rentenrechtlichen Absicherung. Wir werden die Vereinbarkeit von Reservistendienst und zivilberuflichem Fortkommen gezielt fördern. Dafür kommt dem öffentlichen Dienst eine Vorbildfunktion zu.

Auf die Einsätze der Zukunft vorbereitet sein

Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsätzen gefordert. Das setzt ein breites militärisches Fähigkeitsspektrum voraus. Wir setzen uns, so weit es sinnvoll und möglich ist, für eine gemeinsame Nutzung nationaler militärischer Kapazitäten im Rahmen der EU (pooling and sharing) ebenso ein wie für eine stärkere Aufgabenteilung. Das gilt auch für die entsprechenden Aktivitäten der NATO (smart defence). Der Ansatz hierzu könnte die Anlehnungspartnerschaft bzw. das Konzept der Rahmennation sein, bei der sich Staaten zu Gruppen wechselseitiger Unterstützung zusammenfinden. Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern wollen wir zu schwach ausgebildete Fähigkeiten stärken und die Durchhaltefähigkeit erhöhen. Wir streben einen immer engeren Verbund der europäischen Streitkräfte an, der sich zu einer parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee weiterentwickeln kann.

Die Bundeswehr bleibt auch in Zukunft Parlamentsarmee. Die parlamentarische Beteiligung an der Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie ist eine Grundlage für die breite Verankerung der Bundeswehr und ihrer Einsätze in der Gesellschaft. Der Parlamentsvorbehalt ist keine Schwäche Deutschlands, sondern eine Stärke. Wir wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte gesichert werden können. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen formulieren.

Einsätze des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sind immer mit einer hohen Gefährdung unserer Spezialkräfte verbunden und unterliegen der Geheimhaltung. Wir werden die Unterrichtung des Parlaments über KSK-Einsätze in der bewährten Form sicherstellen.

Ausrüstung, Beschaffung und Nutzung

Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmögliche Ausrüstung. Dabei steht ihre Sicherheit im Mittelpunkt. Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird. Der Staat kann erwarten, dass bestellte militärische Ausrüstungsgüter vertragsgerecht, pünktlich und unter Einhaltung der verabredeten Preise und Qualität geliefert werden. Die Vertragsbeziehungen mit der Industrie müssen klar und deutlich sein. Die jüngsten Erfahrungen mit Großgeräten zeigen, dass Projektbegleitung und Controlling auf allen Ebenen verbessert werden müssen. Die mit der Neuausrichtung begonnene Neustrukturierung des Beschaffungsprozesses muss konsequent umgesetzt werden. Die Information des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags über den jeweiligen Sachstand bei der Entwicklung und Beschaffung von Gerät und Material wird verbessert.

Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Wir setzen uns für den Erhalt ausgewählter Schlüsseltechnologien und industrieller Fähigkeiten, insbesondere auch bei mittelständischen Unternehmen, ein. Wir setzen auf eine verstärkte europäische und euroatlantische Rüstungskooperation, die konkrete gemeinsame Ausrüstungs- und Beschaffungsvorhaben nach den gleichen Standards für alle Nationen umsetzt. Hierbei spielt die Europäische Verteidigungsagentur eine Schlüsselrolle.

Eine Voraussetzung für die Verbesserung der militärischen Zusammenarbeit in der EU und in der NATO sind einheitliche Standards bei Zertifizierung und Zulassung militärischer Geräte. Dies gilt in besonderer Weise für die militärische Luftfahrt. Deutschland wird hier mit gutem Beispiel vorangehen: Vom Frühjahr 2014 an wird eine einheitliche militärische Luftfahrtbehörde aufgebaut.

Unbemannte Luftfahrzeuge spielen bereits heute beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bei der Aufklärung und dem Schutz unserer Soldaten eine wichtige Rolle. Auch künftig wird die Bundeswehr auf derartige Fähigkeiten angewiesen sein. Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen. Europa braucht schnell ein gemeinsames Regelwerk für ihre Zulassung und Teilnahme am europäischen Luftverkehr. Die Koalition wird die entsprechenden Initiativen hierzu weiterführen.

Extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen mit bewaffneten Drohnen lehnen wir kategorisch ab. Deutschland wird für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintreten und sich für eine völkerrechtliche Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme einsetzen, die dem Menschen die Entscheidung über den Waffeneinsatz entziehen. Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen. Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben.

Staatliches Gewaltmonopol schützen

Die in internationalen Auslandseinsätzen vermehrt zu beobachtende Auslagerung von militärischen Aufgaben auf private Unternehmen kommt für uns nicht in Frage. Der Bundestag erteilt der Bundeswehr das Mandat für Auslandseinsätze, einschließlich der Anwendung von militärischen Mitteln im Bedarfsfall. Militärische Aufgaben dürfen nicht auf private Unternehmen übertragen werden.
Die Bundesregierung wird sich in der OSZE dafür einsetzen, dass im Rahmen des OSZE-Verhaltenskodex zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit private militärische Sicherheitsfirmen in die nationale Berichterstattung einbezogen werden.

Schutz und Förderung der Menschenrechte

(S. 191-192)

Menschenrechte sind unteilbar und universell gültig. Wir setzen uns für ihren Schutz und ihre Förderung ein, sowohl innerstaatlich als auch in den auswärtigen Beziehungen. Verstöße gegen die Menschenrechte verletzen nicht nur die Würde der jeweils Betroffenen, sondern sie können auch den Frieden und die internationale Sicherheit bedrohen. Unser Ziel ist eine menschenrechtlich konsequente und kohärente Politik. Die Basis bilden das Grundgesetz, die europäischen und internationalen Menschenrechtskonventionen sowie das humanitäre Völkerrecht. Wir unterstützen die neue Strategie der EU-Menschenrechtspolitik.

Wir engagieren uns weiterhin konsequent für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe sowie für das Verbot von Folter. Gemeinsam mit den Ländern unterstützen wir die Arbeit der Nationalen Anti-Folter-Stelle.

Die Menschenrechte von Frauen und Kindern sind besonders gefährdet. Wir bekämpfen alle Formen von Menschenhandel, Sklaverei, Organhandel, Zwangsprostitution und -verheiratung, Genitalverstümmelung, Anschläge im Namen der „Ehre“ sowie andere menschenverachtende Praktiken. Die Chancen von Kindern auf ein Leben in Würde wollen wir verbessern. Kinder brauchen Nahrung, Bildung und medizinische Versorgung. Wir unterstützen alle Bemühungen, dass sie nicht als Arbeits- und Sexsklaven oder als Soldaten missbraucht werden.

Wir treten für die Religionsfreiheit als elementares Menschenrecht ein. Dies gilt auch für das Recht, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören und die Religion zu wechseln. Die Solidarität mit benachteiligten und unterdrückten religiösen Minderheiten ist uns ein besonderes Anliegen. In vielen Ländern der Welt werden besonders Christen wegen ihres Glaubens bedrängt, verfolgt und vertrieben. Religiöse Konflikte vermischen sich oftmals mit sozialen und wirtschaftlichen Spannungen.

Wir treten international für Presse- und Meinungsfreiheit als wesentliches Fundament einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft ein. Wir stützen und schützen mutige Menschenrechtsverteidiger und fördern zivilgesellschaftliche Kräfte, die unsere Hilfe brauchen.

Wir verurteilen homophobe Tendenzen und fördern tolerante lebendige Zivilgesellschaften.

Wir setzen uns bei den Vereinten Nationen für die weltweite Ächtung von Vertreibung sowie für die Erweiterung des Weltflüchtlingstages um das Gedenken an die Opfer von Vertreibungen ein. Die Mehrheit der Flüchtlinge auf der Welt sind Vertriebene innerhalb der Grenzen ihres Landes. Deshalb fördern wir die Verbreitung und Umsetzung der UN-Leitlinien für Binnenflüchtlinge, damit auch diese Menschen Schutz und humanitäre Hilfe erhalten.

Wir setzen uns für einen höheren Stellenwert des Menschenrechtsschutzes und für die Stärkung seiner Instrumente bei den Vereinten Nationen ein. Wir wollen, dass der VN-Menschenrechtsrat weltweit glaubwürdig gegen Menschenrechtsverletzungen vorgeht. Für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) machen wir uns stark und unterstützen seine Funktion als unabhängiges Organ der Weltstrafjustiz. Bestrebungen, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu schwächen, treten wir entschlossen entgegen. Die Bundesregierung wird sich aktiv an der Weiterentwicklung der humanitären Völkerrechts beteiligen.

Wir werden darauf dringen, dass transnationale Unternehmen soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einhalten. Die ILO-Erklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die OECD-Leitsätze und die UN-Leitprinzipien über Wirtschaft und Menschenrechte stecken hierfür den Rahmen ab. Wir werden die UN-Leitprinzipien auf nationaler Ebene umsetzen.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte soll eine stabile Grundlage auf der Basis der „Pariser Prinzipien“ erhalten.

Humanitäre Hilfe

(S. 192)

Wir werden der Humanitären Hilfe gemäß ihrer größer gewordenen Bedeutung ein höheres Gewicht einräumen. Wir werden die internationalen humanitären Prinzipien stärken, u. a. durch die Umsetzung des „Europäischen Konsens über die humanitäre Hilfe“. Wir werden uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die für Humanitäre Hilfe zuständigen Organisationen unabhängig bleiben. Wir wollen unsere Humanitäre Hilfe an der Bedürftigkeit ausrichten und uns auch um die Menschen in den Krisengebieten kümmern, die aus dem öffentlichen Blickfeld geraten sind.

Wir werden zur Prävention von Naturkatastrophen starkes Gewicht auf Frühwarnsysteme, Katastrophenvorsorge und Reduzierung von Katastrophenrisiken legen und uns für die Entwicklung internationaler Instrumente bei dem zunehmend wichtigen Thema der Klimaflüchtlinge engagieren.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung

 (S. 192-195)

Ziel unserer Entwicklungspolitik ist es, auf der Grundlage unserer Werte und Interessen weltweit Hunger und Armut zu überwinden und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Wir setzen uns ein für Frieden, Freiheit und Sicherheit, die Achtung und Verwirklichung der politischen und sozialen Menschenrechte sowie die Bewahrung der Schöpfung. Wir fördern den Aufbau einer sozial und ökologisch ausgerichteten Marktwirtschaft, gute Regierungsführung und die Mitwirkung der Zivilgesellschaft. Unsere Entwicklungspolitik leistet Hilfe zur Selbsthilfe. Wir verstehen Entwicklungspolitik auch als globale Strukturpolitik und wollen die Globalisierung nachhaltig und gerecht für alle Menschen gestalten. Entwicklungspolitik hat präventiven Charakter und ist damit auch vorausschauende Friedenspolitik. Wir richten uns an den Millenniumszielen und an deren Weiterentwicklung im Rahmen der Post-2015-Entwicklungsagenda aus.

Gestaltung der Rahmenbedingungen

Wir setzen uns ein für den Schutz globaler öffentlicher Güter und für gerechte Welthandelsbedingungen. Deshalb streben wir insbesondere einen entwicklungsorientierten Abschluss der WTO-Welthandelsrunde und einen fairen Interessenausgleich mit den Entwicklungsländern an. Das muss auch für den weltweiten Agrarhandel gelten.
Wir wollen die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern verbessern. Wir setzen uns für verbindlich festgeschriebene, international anerkannte menschenrechtliche, ökologische und soziale Mindeststandards wie der ILO-Kernarbeitsnormen ein. Wir setzen uns deshalb für die Aufnahme dieser Standards in allen Handelsabkommen der EU ein.

Wir streben für die Zeit nach 2015 Nachhaltigkeitsziele (SDG) an, die auf breitenwirksames, inklusives, ressourcenschonendes und kohlenstoffarmes Wachstum ausgelegt sind. Wir wollen eine aktive Rolle dabei spielen, dass die Weiterentwicklung der Millenniumsziele zu universellen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen führt.

Entwicklungspolitik soll prominent auf den Tagesordnungen der G8- und G20-Gipfel behandelt werden. Wir werden dafür sorgen, dass entwicklungspolitische Gipfel-Zusagen in Zukunft schneller umgesetzt werden können.

Die Institutionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wollen wir im Sinne des Effizienzgedankens weiter verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen GIZ und KfW soll intensiviert werden. Die entwicklungsorientierte ressortübergreifende Zusammenarbeit wollen wir verbessern. Unsere Beiträge an multilaterale Entwicklungsorganisationen richten wir an deren Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit aus, die wir bewerten wollen. In diesem Sinne werden wir die bilateralen und multilateralen Instrumente entsprechend ihrer komparativen Vorteile flexibel einsetzen. Wo die Rahmenbedingungen wie eine effektive und transparente Kontrolle der Mittelverwendung sichergestellt sind, kann Budgethilfe ein Instrument zur Steigerung der Eigenverantwortung sein.

Nachhaltige Finanzierung

Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir werden uns diesem Ziel durch jährliche Steigerungen der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des Bundeshaushalts annähern. Wir wollen Deutschland weiter auf einen Finanzierungspfad zum 0,7-ODA-Ziel führen.

Deutschland wird für international gegebene Zusagen ein verlässlicher Partner in der Welt sein. Wir werden mit internationalen Partnern und mit wissenschaftlicher Unterstützung Vorschläge für eine Weiterentwicklung des ODA-Konzepts entwickeln. Wir wollen eine zweckentsprechende Verwendung der ODA-Mittel sicherstellen. Wir stehen zu den in Kopenhagen eingegangenen Verpflichtungen. Die damit verbundenen Ausgaben sollen in fairer Weise zwischen den Ressorts verteilt werden.

Thematische Schwerpunkte

Im Rahmen der grundsätzlichen Ausrichtung unserer Entwicklungszusammenarbeit fördern wir insbesondere die ländliche Entwicklung. Unverantwortlicher Spekulation mit Nahrungsmitteln treten wir entgegen und wollen die Freiwilligen Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zur verantwortungsvollen Landnutzung umsetzen. Für uns ist das internationale Engagement für die Sicherung der Welternährung und für das Recht auf Nahrung von zentraler Bedeutung. Deshalb wird die Bundesregierung als verlässlicher Partner in internationalen Organisationen wie der FAO fachlich mitwirken.

Gesundheit bildet die Grundlage für nachhaltige Entwicklung. Der Globale Fonds spielt hierbei eine wichtige Rolle, die sich in der Politik der Bundesregierung widerspiegeln soll. Zur besseren Absicherung gegen Lebensrisiken wollen wir beim Aufbau grundlegender sozialer Sicherungssysteme helfen. Dazu gehört auch der Aufbau funktionierender und gerechter Steuersysteme.

Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Durchsetzung der Rechte von Mädchen und Frauen zu einer Querschnittsaufgabe deutscher Entwicklungszusammenarbeit machen.

Bildung ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Entwicklung. Wir wollen für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen gleichermaßen gute Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen soll in der Entwicklungszusammenarbeit stärker verankert und systematischer ausgestaltet werden.

Wir werden unseren Fokus auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, wie auf Maßnahmen des Klimaschutzes einschließlich einer effizienten und erneuerbaren Energieversorgung, des Schutzes der Wälder und der biologischen Vielfalt richten. Entwicklungsländer müssen bei der Anpassung an den Klimawandel und dessen Folgen unterstützt werden.

Wir unterstützen Maßnahmen der zivilen Krisenprävention, der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und der Post-Konfliktbewältigung.

Regionale Schwerpunkte und Kooperationspartner

Um noch nicht erreichte Millenniumsziele und die Überwindung von Hunger und Armut zu erreichen, werden wir künftig unsere Anstrengungen in den ärmsten Ländern stärken. In fragilen Staaten wollen wir einen besonderen Schwerpunkt setzen.

Zwischenstaatliche Zusammenarbeit mit Ländern, in denen das Regierungshandeln systematisch im Widerspruch zu unseren Werten steht, soll nur erfolgen, wenn unsere Unterstützungsmaßnahmen zu Veränderung beitragen können, wenn dies aus humanitären Gründen geboten ist oder wenn es Frieden und Sicherheit dient.

Die bilaterale staatliche Zusammenarbeit mit Schwellenländern muss deren höhere Leistungsfähigkeit und gewachsene internationale Verantwortung berücksichtigen. Von den Schwellenländern muss die eigenverantwortliche Verwirklichung der Menschenrechte auf Nahrung, Gesundheit und Bildung für die eigene Bevölkerung eingefordert werden. Wir konzentrieren uns auf den Schutz globaler öffentlicher Güter, die Suche nach rohstoffschonenden nachhaltigen Entwicklungspfaden sowie fallweise auch auf Dreieckskooperationen zugunsten armer Entwicklungsländer. Die Förderung der Zivilgesellschaft in diesen Ländern sowie der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit ist besonders wichtig.

Unsere Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Transformationsprozesse im südlichen und östlichen Mittelmeerraum sowie in den Mitgliedstaaten der Östlichen Partnerschaft. Diese Regionen sind neben Subsahara-Afrika ein besonderer Schwerpunkt unserer Entwicklungspolitik.

Die Bundesregierung wird das zivilgesellschaftliche Engagement fördern und die Wahrnehmung entwicklungspolitischer Verantwortung von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, politischen und privaten Stiftungen und der Wirtschaft sowie von Kommunen stärken. Dies gilt bei uns hierzulande ebenso wie inden Partnerländern. Intensive Kooperationen wie Kammer- und Verbandspartnerschaften sowie Berufsbildungspartnerschaften sollen weiter gestärkt werden. Wir wollen die entwicklungspolitische Bildungsarbeit stärken und den fairen Handel unterstützen. In der Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft (PPP) unterstützen wir auf der Basis einer ausgeglichenen Rollenverteilung von Staat und Privatwirtschaft den Auf- und Ausbau des privaten Sektors in den Entwicklungsländern, sofern dies einer nachhaltigen, sozialen und ökologischen Entwicklung dient.

Quelle: Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 18. Legislaturperiode.