Der Westen und Russland verweigern Regierungen die Anerkennung – in Kiew und Simferopol

Von Marian Krüger  aus: neues deutschland, Montag, 10. März 2014

Seit dem Umsturz in Kiew ist sowohl die Legitimation der neuen ukrainischen Regierung Gegenstand heftiger Debatten als auch die Rechtmäßigkeit der Autonomieregierung auf der Krim.


Obwohl der Regierungswechsel in Kiew widerrechtlich und mit Gewalt zustande gekommen sei, würden EU und USA die neue Führung der Ukraine als legitim anerkennen, beschwerte sich Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber dem russischen Fernsehsender Rossija-24. Ein solches Recht auf Selbstbestimmung verweigere der Westen andererseits jedoch der Autonomen Republik Krim, und Präsident Wladimir Putin stoße »auf eine Wand des Unverständnisses«.

Offenkundig hält im Ukraine-Konflikt jede Seite den Favoriten der gegnerischen für unrechtmäßig. Im Lichte der kurz nach dem Umsturz wieder in Kraft gesetzten Verfassung von 2004 bewegen sich allerdings beide Akteure auf einer höchst wackligen konstitutionellen Bühne. Die kann jederzeit einstürzen. Schon die Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch geschah außerhalb des verfassungsrechtlich Erlaubten. Weder wurden die aufwändigen Untersuchungsprozeduren eingehalten noch die parlamentarische Dreiviertelmehrheit erreicht.

Für die Absetzung stimmten nur 328 Abgeordnete. Das Quorum (338 Stimmen) war verfehlt, was aber im allgemeinen Jubel über den »Sieg der Demokratie« nicht interessierte. Niemand will Janukowitsch zurück haben, aber die Art seines Sturzes hat die Verfassung der Ukraine schwer beschädigt.

Die neue Parlamentsmehrheit der »proeuropäischen« Parteien unterließ danach nichts, um die Polarisierung der politischen Lager weiter anzuheizen: Das betrifft nicht nur den Vorstoß, das Sprachengesetz abzuschaffen, sondern auch Forderungen der rechtsextremen »Swoboda«-Partei, die KP der Ukraine zu verbieten und für alle Ukrainer das Recht einzuführen, Waffen zu tragen.

Die »Vaterlandspartei« der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko beantragte bereits die Wiederaufnahme der Integration der Ukraine in die NATO. Wer das nicht will, der hisst eben die russische Trikolore und quittiert Kiew den Dienst. Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in einer zu fernen Welt leben, um das zu verstehen, stößt der Westkurs der orange-braunen Maidan-Koalition nicht nur auf der Krim auf Ablehnung – er untergräbt die Legitimation des Regimes in der Ostukraine.

Dass in dieser Lage gerade die Krim zur politischen Speerspitze der Auflehnung gegen die neuen Machthaber in Kiew wurde, kann nicht ernstlich erstaunen. Schon im November hatte das Krim-Parlament gegen das EU-Assoziierungsabkommen votiert. Am 27. Januar wurde die Tätigkeit von »Swoboda« auf der Krim verboten, am 27. Februar Ministerpräsident Anatoli Mogiljow abgesetzt.

Das bezeichnete die Kiewer Regierung umgehend als illegal. Auch sie beruft sich dabei auf die Verfassung, wonach das Autonomieparlament den Regierungschef nur mit Zustimmung des ukrainischen Präsidenten ein- oder absetzen darf. Die Behörden der Krim quittieren das mit dem Verweis auf den »legitimen« Präsidenten Janukowitsch.

Die Krim ist mit Ausnahme des Gebietes um Sewastopol bereits jetzt autonom; ihr Parlament verfügt über beträchtliche zivile Befugnisse. Verfassungsrechtlich nicht gedeckt ist jedoch die Unterstellung des auf der Halbinsel stationierten ukrainischen Militärs und der Sicherheitsbehörden unter das Kommando der Krim-Regierung.

Das von ihr anberaumte Referendum zur Zukunft der Krim bewegte sich zunächst innerhalb des konstitutionellen Rahmens. Denn nach der Verfassung können lokale Volksentscheide auf der Krim abgehalten werden. Der Inhalt der Abstimmung ist jedoch verschärft worden. Zuerst lautete die Frage: »Unterstützen Sie eine staatliche Selbstbestimmung der Krim im Bestand der Ukraine auf der Grundlage internationaler Verträge und Abkommen?« Doch am Donnerstag wurde ein neuer Text vorgestellt: »Unterstützen Sie einen Beitritt der Krim zur Russischen Föderation?« und »Unterstützen Sie eine Wiedereinführung der Verfassung der Krim von 1992?« Die Verfassung von 1992 definierte die Krim als einen Teil der Ukraine. Damit würde die Tür für Kiew nicht ganz zugeschlagen.