"Selig sind die Friedfertigen"- unter diesem Titel zog die Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Dezember 2013 ihr Fazit des Afghanistankriegs und Lehren für weitere Auslandseinsätze.

EKD-Texte 116

Die Theologin Horsta Krum kritisiert in der "junge Welt" vom 01.02.14 die Grundlinie der EKD heftig:

Selig sind die Friedfertigen« – unter diesem biblischen Zitat hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) diese Woche eine Stellungnahme zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan veröffentlicht, in der sie nach ethischen Kriterien für einen »gerechten Frieden« fragt.

Wie sonst auch, arrangiert sich die EKG mit den Mächtigen.

Krieg wird beispielsweise als »militärische Friedensmission« bezeichnet. Zwar zieht das Papier eine realistische Bilanz der Situation in Afghanistan und schildert ungeschönt die katastrophalen Zustände, unter denen die Zivilbevölkerung leidet. Aber immer wieder wird diese Bestandsaufnahme relativiert. Die Verantwortlichen werden damit entlastet. Daß es in manchen Detailfragen Differenzen unter den Autoren gibt, ändert nichts am Grundkonsens, »daß ein militärisches Eingreifen zur Erhaltung oder Aufrechterhaltung einer Rechtsordnung (...) möglich« ist. Ungeachtet der Realität von Brüchen des Völkerrechts sowohl beim Afghanistan-Einsatz als auch in anderen Kriegen, an denen sich die Bundesrepublik beteiligt, zeigt sich die EKD zuversichtlich, daß in Zukunft militärische Gewalt »an hohe rechtliche Schranken und verläßliche völkerrechtliche Verfahrensregeln« gebunden sein wird.

Und der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider demonstrierte im Deutschlandfunk-Interview am Montag in aller Deutlichkeit, daß die Regierenden von seiner Institution auch in Zukunft kein ernsthaftes Veto befürchen müssen, wenn Deutschland weiterhin Kriege führt. Wie weiland Außenminister Joseph Fischer (Grüne) bei der Intervention in Jugoslawien, bemühte er das Wüten der deutschen Faschisten als Begründung dafür, daß militärische Gewalt manchmal »die Ultima ratio« sein müsse, die somit auch »eine relative Legitimität« habe.

Mit Blick auf den von einem Bundeswehroberst befohlenen Bombereinsatz am 4. September 2009 bei Kundus räumte Schneider ein, es hätten sich während des Afghanistan-Einsatzes »Konstellationen ergeben«, die »dann sehr gewaltförmig waren«. In der »Kammer für öffentliche Verantwortung«, in der die Schrift erarbeitet wurde, habe es verschiedene Positionen gegeben, darunter auch solche, denen zufolge solche Vorkommnisse »gerade noch zu rechtfertigen« seien. Nach Einschätzung Schneiders hat die Bundeswehr insgesamt »Voraussetzungen verbessert, daß Frieden geschaffen werden kann«. Gleichwohl ist ihm bewußt, daß Krieg »mit den Worten Jesu« nicht zu rechtfertigen ist. Aber die heutige Welt sei eben »noch nicht das Reich Gottes«. Will der Theologe Schneider damit suggerieren, Jesus habe seinerzeit in einer weniger gewalttätigen, ungerechten und konfliktbeladenen Welt gelebt als wir? Oder meint er, der Gottessohn sei eben zu naiv gewesen?

Papst Franziskus sagte vor zwei Monaten in aller Deutlichkeit: »Diese Wirtschaft tötet.« Er meinte explizit den Kapitalismus. Die deutsche evangelische Kirche beruft sich auf den mutigen Martin Luther. Warum kann sie nicht sagen: Krieg tötet, und die Überlebenden schädigt er in nicht zu rechtfertigender Weise? Sie kann es nicht, solange die enge personelle und strukturelle Verflechtung von Kirche und Staat in der Bundesrepublik weiter besteht, solange die Kirche finanziell vom Staat anhängig ist und dies auch nicht anders will. So lange werden wir vergebens auf ihr klares Nein zum Krieg warten.

* Die Autorin ist Pfarrerin im Ruhestand und langjähriges Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz.

Aus: junge Welt, Samstag, 1. Februar 2014