Von der IALANA- Tagung am 26./27. Juni 2009 in Berlin  berichtet Bernd Hahnfeld.

Können wir unserem Ziel, Frieden durch Recht zu sichern, besser durch die Zusammenfassung aller einschlägigen Rechtsregeln zu einem „Friedensrecht“ dienen oder würden wir damit eher dazu beitragen, das Friedensrecht endgültig in eine Nische abzudrängen, in der es seine Kraft noch weniger entfalten kann?
Über diese Frage haben wir uns im Vorfeld auseinandergesetzt und sie nach dem Entschluss zur Durchführung der Konferenz schließlich in der Formulierung des Themas zum Ausdruck gebracht. Dabei war uns klar, dass Recht allein den Frieden nicht bewirken kann, Frieden ohne Recht aber undenkbar ist. Hervorheben wollen wir vor allem die friedenschaffende Kraft des Völkerrechts, welche das Verhalten der Staaten untereinander berechenbarer macht und institutionelle Rahmenbedingungen für den Verzicht auf Gewalt oder deren Begrenzung zur Verfügung stellt. Für die Austragung, die Regelung und Beilegung von Streitigkeiten der Staaten und Völkerrechtsubjekte hält das Völkerrecht Rechtsvorschriften und Verfahren bereit.
Wie kann der alltäglichen Erfahrung entgegengewirkt werden, dass Regierungen und Exekutivorgane, aber auch Gerichte die auf die Bewahrung und Schaffung von Frieden ausgerichteten Normen des Völkerrechts und die Friedensgebote des nationalen Rechts übersehen oder sogar bewusst missachten? Wie kann der Abstumpfung gegenüber dem Recht, wie kann dem in der Politik weit verbreiteten Rechts-Nihilismus Einhalt geboten werden? Wie ist zu erreichen, dass auf der politischen Herrschaftsebene vor Entscheidungen wieder häufiger die Fragen gestellt werden: „Dürfen wir das überhaupt?“ „Welche rechtlichen Rahmen gibt es und welche Grenzen?“



Beispiele für die Nicht- oder sogar Missachtung des Rechts haben sich in den letzten Jahren gehäuft:
- die Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg der NATO,
- die Unterstützung des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges der USA und ihrer Verbündeten,
- die Duldung oder Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen der USA im „Krieg gegen den Terror,
- die Weigerung der Bundesregierung, die obligatorische Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (IGH) auch für Militäreinsätze und für die Nutzung ausländischer Militärbasen in Deutschland anzuerkennen,
- die dem Recht widersprechende Aufrechterhaltung der NATO-Nuklearstrategie sowie der „nuklearen Teilhabe“ der Bundeswehr und
- die Missachtung der seit 1970 bestehenden Völkerrechtsverpflichtung, Verhandlungen über die vollständige nukleare Abrüstung zu beginnen und erfolgreich abzuschließen.

Die Konferenz sollte auch die Fragen klären helfen, wie Juristinnen und Juristen erfolgreicher bei der Anwendung und bei der praktischen Umsetzung der völkerrechtlichen und der innerstaatlichen Friedensregeln mitwirken können. Ist eine stärkere Verrechtlichung der internationalen Beziehungen wünschenswert? Welche Rolle können die internationalen und die innerstaatlichen Gerichte bei der Friedenssicherung einnehmen? Ist es ratsam, bei Verstößen gegen das Friedensrecht die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen oder den Staat durch Schadensersatzklagen in Anspruch zu nehmen?
Wie kann bei den Rechtsanwendern das juristische Bewusstsein für Friedensrecht geschärft werden? Wie kann bewusst gemacht werden, dass friedensrechtlich relevante Völkerrechtsnormen höherrangiges Recht sind, das von Amts wegen zu beachten ist?

Mitveranstaltet von sieben deutschen und europäischen Organisationen, darunter auch von den „RichterInnen und StaatsanwältInnen in Ver.di“, hat IALANA in- und ausländische Juristen und Fachleute, Politiker und BürgerInnen zum Informieren, Diskutieren und zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch eingeladen. Dabei wurde auch angeregt, ein Netzwerk für die weitere friedensrechtliche Kooperation zu schaffen.
180 TeilnehmerInnen haben aufmerksam den Beiträgen gefolgt und sich engagiert an den Diskussionen beteiligt.
Nach der Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden der deutschen IALANA, den Rechtsanwalt Dr. Peter Becker, ergriff der Senior der internationalen IALANA das Wort, der in New York lebende IALANA-Vizepräsident und Rechtsanwalt Dr. Peter Weiss. Er analysierte die sich aus Artikel 6 des Nichtverbreitungsvertrages (NPT) für alle Staaten ergebende Rechtspflicht, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zum Abschluss eines Vertrages über die vollständige nukleare Abrüstung.
Peter Weiss wies auf die ebenfalls in Art. 6 NPT enthaltene Verpflichtung zur nicht-nuklearen Abrüstung hin und bewertete anschließend das vom IGH auf Ersuchen der UN-Generalversammlung am 8. Juli 1996 erstattete Völkerrechtsgutachten. Darin hat der IGH einstimmig als Grundsatz die Verpflichtung festgestellt, dass die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen und deren Anwendung im Einklang mit dem Völkerrecht und insbesondere mit den Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts stehen muss.
Der IGH hat mit deutlicher Mehrheit weiterhin festgestellt, dass die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen und deren Anwendung grundsätzlich gegen diese Regeln verstossen. Soweit der IGH es offen gelassen hat, ob die Drohung mit oder der Einsatz von Atomwaffen im Falle einer extremen Notwehrsituation, in der die Existenz eines Staates auf dem Spiel steht, rechtmäßig oder rechtswidrig wäre, hat der IGH keine Ausnahme von den oben genannten Rechtsgrundsätzen postuliert, demnach Drohung und Einsatz mit dem Völkerrecht im Einklang stehen muss.
Peter Weiss wies auf die einstimmig vom IGH betonte Verpflichtung aller Staaten hin, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu vollständiger nuklearer Abrüstung unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen. Das weltpolitische Klima zu dieser Frage habe sich verändert. Das habe sich bereits auf der NPT-Prepcom-Konferenz dieses Jahres gezeigt, auf der die für Mai 2010 vorgesehene NPT-Überprüfungskonferenz vorbereitet worden ist. Nicht zu akzeptieren sei die von den USA und Russland zu erwartende Herabsetzung der Atomwaffen auf jeweils 1.000 nukleare Sprengköpfe. Auch seien die Ratifizierung des Teststopp-Vertrages CTBT und Verhandlungen über einen „Fissile Material Cutt-Off Treaty“ (Verbot der Herstellung waffenfähigen Materials) sowie einen Nachfolge-Vertrag zum START-Abrüstungsvertrag noch nicht der Beginn von redlichen Verhandlungen mit dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt. Dazu müsst endlich über eine Nuklearwaffenkonvention gesprochen werden, denn die nukleare Abrüstung auf Null sei das erstrebte Ziel.

Das folgende Podiumsgespräch mit den Bundestagsabgeordneten Dr. Gregor Gysi (LINKE), Dr. Hermann Scheer (SPD) und Willy Wimmer (CDU) zum Konferenzthema ergab wenig Kontroverses. Gregor Gysi wies darauf hin, dass seit 1990 durch Militäreinsätze der Bundeswehr Völkerrecht gebrochen werde. Er stellte die Frage, wie die Einhaltung des Völkerrechts friedenssichernd gewährleistet werden könne und betonte, dass auf jeden Fall die UN gestärkt werden müsse.
Herman Scheer kritisierte unter Hinweis auf Art. 6 NPT die NATO-Nuklear-Strategie, die auf dem NATO-Gipfel in Rom im November 1991 neu beschlossen worden ist und weiter gilt. Er kritisierte die Doppelmoral der Atomwaffenstaaten, von den anderen Staaten Verzicht zu verlangen, selbst aber die Atomwaffen behalten zu wollen. Es sei internationaler Druck auf die Atomwaffenstaaten nötig, damit es bei der NPT-Überprüfungs-Konferenz in NY im Mai 2010 zu substantiellen Ergebnissen kommt.
Willy Wimmer überraschte das Auditorium mit der Feststellung, er sei wohl der einzige im Raum, der bereits an einem Atomkrieg mitgewirkt habe. Er hoffe, dass er kein Staatsgeheimnis verrate, wenn er von der NATO-Übung berichte, an der er als Vertreter der Bundesregierung im Regierungsbunker an der Ahr teilgenommen habe. Als von NATO-Vertretern die Zustimmung der Bundesregierung zum Abwurf von Atombomben auf Dresden und andere deutsche Städte verlangt worden sei, sei er nach Rücksprache mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl aus der Übung ausgestiegen. Die anderen NATO-Staaten hätten die Übung ohne deutsche Beteiligung fortgesetzt. Willy Wimmer erklärte, er betrachte sorgenvoll, dass durch die Fluktuation der Abgeordneten im Bundestag kaum noch kompetentes Wissen über die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands vorhanden sei und der Bundestag sich nicht ausreichend mit den existenziellen Fragen Deutschlands befasse. Das Interesse der Abgeordneten an der Arbeit des Verteidigungsausschuss sei ebenfalls gering.
Gregor Gysi beklagte, dass der Bundestag kaum noch eine Rolle für die Regierung spiele. Den Maßstab für das Regierungshandeln setze das Bundesverfassungsgericht, nicht die Volksvertretung. Wegen des Kompetenzverlustes des Bundestages gegenüber der Regierung könne nur noch das Bundesverfassungsgericht der Regierung Schranken setzen. Deutschland begebe sich auf einen gefährlichen Weg, wenn Fragen von Krieg und Frieden künftig nicht mehr vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden könnten.

Am nächsten Morgen referierte Dr. Dieter Deiseroth über „Das Friedensgebot des GG und der UN-Charta“. Er stellte die wichtigsten Rechtsregeln des „kollektiven Sicherheitssystems“ UN dar, beantwortete die Frage nach den Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates und setzte sich kritisch mit den Gewalteinsätzen von Staaten und Staatenbündnissen auseinander. Er untersuchte die neun Elemente des Friedensgebots des Grundgesetzes und betrachtete kritisch die Umsetzung der Verfassungsgebote sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts  zur Bewertung der NATO als „System der kollektiven Sicherheit“.
Die Darstellung und Analyse Dieter Deiseroths hob konkrete, aber leider vernachlässigte Verpflichtungen von Rechtsprechung, Regierung und Verwaltung hervor. Seine Gedanken zum verfassungsrechtlichen Friedensgebot eröffnen Handlungsoptionen für alle Rechtsanwender.
Sein Vortrag war einer der Höhepunkte der Konferenz.

Der Frankfurter Politiloge Prof. Lothar Brock von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung sprach sich für eine zukunftsorientierte Interpretation der Rechtsregeln aus. Er bewertete die Bedeutung des Rechts bei Friedensstrategien. Die Völkerrechts-Politik sei eingebettet in den öffentlichen Diskurs. Das Völkerrecht müsse weiterentwickelt werden in Richtung der Ausweitung von Friedensmissionen durch „Responsibility to Protect“ und durch weitere Kompetenzen für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH). Lothar Brock kritisierte, dass im Spannungsfall zwischen den Friedensmissionen zum Schutze der Menschenrechte und dem Friedensgebot versucht werde, das Völkerrecht zu unterlaufen.

Prof. Daniel-Erasmus Kahn von der Bundeswehr-Universität in München befasste sich mit der Definition der militärischen Aggression im Verfassungsrecht, im Völkerrecht und im Völkerstrafrecht. Er stellte dar, warum es im Statut des IStGH noch keine verbindliche Definition der Aggression gibt. Er zeigte die Bandbreite der verschiedenen Definitions-Möglichkeiten und die künftig gangbaren Wege.

Der Völkerrechtler Prof. Dr. Michael Bothe gab in seinem grundlegenden Referat über die Grenzen der Steuerungsfähigkeit des Rechts und die Frage, ob das Recht militärischer Gewalt Schranken setzen kann und soll, Antworten durch verschiedene Beispiele. Er zeigte die wechselvolle Geschichte der Entwicklung des Gewaltverbots seit dem Brian-Kellog-Pakt auf, die Bedeutung des Gewaltverbots in der Rechtsprechung des IGH, die Bemühungen der UN, eine Definition der Aggression zu finden und die Bedeutung der Kontrolle der nationalen Parlamente als Schranke für die Eindämmung militärischer Gewalt. Die Rolle des BVerfG in diesem Zusammenhang bewertete Professor Bothe als vorbildlich. Artikel 26 GG sei das Ergebnis der Diskussionen in Deutschland; jedoch sei von dem formulierten Anspruch wenig verwirklicht worden. Auch sei die Praxis der Bundesanwaltschaft überaus restriktiv. Die Politik setze im Sinne von Clausewitz („für einen guten Zweck“) militärische Gewalt dort ein, wo es politisch opportun erscheine. Und die Gerichte wollten der Regierung nicht in den Arm fallen.
Nötig wären rechtliche Verbote, die sich gegen das Konzept führbarer Kriege aussprechen und mit der Illusion aufräumen, durch militärische Gewalt könnten Probleme gelöst werden. Dann bekäme auch das Gewaltverbot eine Chance.

Zum Thema „Europa, Frieden, Militarisierung und Recht“ zeigte Prof. Andreas Fisahn von der Universität Bielefeld die Entwicklung der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) und der „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (ESVP) von der Petersburger Erklärung im Juni 1992 und dem Vertrag von Maastricht über den Entwurf zu einem europäischen Verfassungsvertrag bis zum Vertrag von Lissabon. Andreas Fisahn betrachtete die Erklärungen und Verträge der EU ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Aufbaues eigener militärischer Strukturen und Konzepte. Er stellte seit Beginn der 90-er Jahre einen verstärkten Ausbau der EU (auch) zu einer Militärgemeinschaft fest. Dieser begann mit der Peterburger Erklärung und dem Maastrichter Vertrag, durch den die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geschaffen worden ist – einschließlich der gemeinsamen Beschaffung militärischer Mittel und der Möglichkeit gemeinsamer Militär-Aktionen.
Diese Tendenz verstärkte sich leicht im Amsterdam-Vertrag von 1999, in dem erstmals von gemeinsamen operativen Aktionen gesprochen wird. Außerdem wurde die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik geschaffen mit einem hohen Vertreter der GASP. Außer der gemeinsamen Verteidigung sollten Krisenbewältigung und friedenschaffende Maßnahmen möglich sein. Eine eigene zivil und militärisch nutzbare Aufklärung der EU sollte aufgebaut werden. Eine Zustimmungspflicht des Europäischen Parlaments war nicht vorgesehen. Dieses sollte nur angehört werden.
Im Jahre 2004 begann die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) mit ihrer Arbeit. Sie untersteht dem Ministerrat der EU und ist zuständig für die Aufstellung von Einsatzkräften und ihre Ausrüstung, für politische Strategien und - in Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie - für Entwicklungsaufgaben.
Nach dem Lissabon-Vertrag bestimmt der Ministerrat die strategischen Interessen der EU. Zivile und militärische Missionen auch außerhalb der EU sind vorgesehen. Einmalig in Verfassungstexten ist das Aufrüstungsgebot der EU im Lissabon-Vertrag. Im Gegensatz zum deutschen Bundestag hat das Europäische Parlament keine Zustimmungspflicht bei Militärmissionen. Eine gerichtliche Kontrolle ist ausgeschlossen.
Der Vortag von Prof. Fisahn führte zu erheblichem Widerspruch einzelner Teilnehmer, die hervorhoben, dass der EU funktionsfähige Verteidigungsstrukturen nicht verwehrt werden dürften, zumal auch zivile Missionen ausdrücklich vorgesehen seien. Die politische Struktur der EU werde den Missbrauch der Militärmacht verhindern. Bislang sei die EU in 13 zivilen und nur 2 militärischen Missionen engagiert. Das Europäische Parlament entscheide mit der Mittelvergabe auch über diese Missionen.

In den Workshops wurden unter reger Teilnahme der Zuhörer folgende Themen behandelt:

1) Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine völkerrechtswidrige Nutzung deutschen Hoheitsgebiets und Luftraums durch ausländische Streitkräfte durch Referate von
Dr. Felix Hanschmann, Dr. Peter Becker und Franziska Heß,

2) Strafrechtliche Verfolgung von hochrangigen politisch und militärisch Verantwortlichen wegen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht („ius in bello“) nach nationalen und internationalen Recht durch Referate von
Wolfgang Kaleck und Prof. Dr. Jörg Arnold,

3) Zivilrechtliche Staatshaftungsansprüche bei völkerrechtswidrigen militärischen Einsätzen durch ein Referat von
Prof. Dr. Peter Derleder,

4) NS Kriegsverbrechen und Entschädigungszahlungen durch ein Referat von
Dr. Joachim Lau,

5) Friedenssprache und Friedenserziehung durch ein Referat von
Simone Emmert,

6) Atomwaffen und Völkerrecht durch Referate von Phon van den Biesen, Prof. Dr. Norman Paech und Bernd Hahnfeld.

Hinsichtlich des Inhalts der Referate verweise ich auf die von der IALANA geplante Dokumentation der Konferenz.

Die Podiumsdiskussion im Plenum mit Dr. Hans-Jürgen Heintze und Prof. Dr. Norman Paech widnete sich dem Thema „“Humanitäre Intervention“, „Responibiliy to Protect“, Preemtive Strike“ – Ausnahmen vom völkerrechtlichen Gewaltverbot?
Dr. Hintze vertrat die Auffassung, dass humanitäre Interventionen im Einklang mit der UN-Charta möglich seien, jedoch der juristisch einwandfreie Weg über den UN-Sicherheitsrat gewählt werden sollte.
Norman Paech zeigte die Auflockerung des Gewaltverbots durch die Fortschritte in der Menschenrechtsentwicklung. Humanitäre Interventionen würden inzwischen als zulässig angesehen werden, wobei die entscheidende Frage sei, wer den Beschluss fassen dürfe und welche Bedingungen erfüllt sein müssten. Besondere Beachtung müssten dabei die Grundssätze der Souveränität und des Gewaltverbots finden.
Norman Paech zeigte zwei völkerrechtlich zulässige Möglichkeiten auf:
1.    Die humanitäre Intervention unter strikter Beachtung der UN-Charta. Wenn der Sicherheitsrat blockiert sei, könne die Generalversammlung auf die 1950 erstmals angewendete „Uniting for Peace-Resolution“ zurückgreifen und mit 2/3-Mehrheit auch militärische Maßnahmen beschließen.
2.    Eine nachträgliche Mandatierung oder die Einholung eines Rechtsgutachtens des IGH.

In der anschließenden Diskussion stellte Dieter Deiseroth die Frage, ob hinsichtlich der humanitären Interventionen bereits Völkergewohnheitsrecht entstanden sei. Durch den Jugoslawien-Krieg sei das noch nicht der Fall. Dieter Deiseroth meinte, dass der Sicherheitsrat für seine Beschlüsse einen Begründungszwang haben sollte. Auch müsse ein Veto begründet werden. Die Generalversammlung muss berechtigt sein, das zu verlangen. Wenn der Sicherheitsrat oder der Veto-Staat sich weigern sollten, müsste die Generalversammlung das Recht haben, die Sache an sich zu ziehen.
Außerdem hat die Generalversammlung das Recht, den IGH anzurufen, der binnen Monatsfrist über eine einstweilige Anordnung entscheiden könne. Wichtig sei zudem das „factfinding“, um sichere Entscheidungsgrundlagen zu haben.

Im abschließenden Schlussplenum stellte Dr. Hans-Joachim Heintze vom Institut für Internationales und Humanitäres Völkerrecht der Universität Bochum dar, dass das Institut mit der Bereitstellung von Texten und wöchentlichen  Pressemitteilungen die Friedensarbeit aktiv unterstütze.
Patricia Schneider von der Universität Hamburg, die über das Thema „Frieden durch Recht“ promoviert hat, präsentierte eine Untersuchung deutscher und internationaler Masterstudiengänge in der Friedens- und Konfliktforschung. Es sollte überlegt werden, wie Rechtsthemen und insbesondere das Friedensrecht in die Lehrpläne aller Studiengänge integriert werden können.

Zusammengefasst: Eine rundum gelungene Veranstaltung bei überraschend großer Beteiligung. Die aufgeworfenen Fragen wurden auf einem hohem Niveau bearbeitet. Zahlreiche weiterführende Ansätze einschließlich der Schaffung eines „Netzwerk Friedensrecht“ sichern für viele Teilnehmer die weitere Befassung mit dem Thema.
IALANA bereitet eine Dokumentation der Konferenz in Buchform vor.