Der fast einstimmige Beschluss der UN-Staatenkonferenz über den Atomwaffenverbotsvertrag am 7.7.2017 ist in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen

Endlich kommt wieder Bewegung in die dringend gebotene atomare Abrüstung. Der Vertrag wird wohl im nächsten Jahr in Kraft treten und dann alle UN-Staaten zum Beitritt herausfordern, die sich bisher abwartend oder ablehnend verhalten haben.

Worin besteht das durch den Vertrag erreichte Neue?

a) Die Ächtung der Atomwaffen erfolgt nun auch ausdrücklich und verbunden mit klaren Pflichten, während die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen bisher „nur“ völkergewohnheitsrechtlich als Verstoß gegen die Regeln des Völkerrechts für bewaffnete Konflikte, insbesondere gegen die Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegs-Völkerrechts verboten waren.

b) Gegen den Widerstand der Nuklearmächte haben zwei Drittel der UNO-Staaten die atomare Abrüstung wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Sie haben damit den von den Atomwaffenstaaten seit Jahrzehnten praktizierten Boykott wirksam unterlaufen und sie als die Verhinderer atomarer Abrüstung an den Pranger gestellt. Vor allem ist das Konzept der nuklearen Abschreckung als angeblicher Friedensgarantie delegitimiert: die große Mehrheit der Staaten sieht im Gegenteil die Existenz der Atomwaffen als Bedrohung ihrer Sicherheit und des Weltfriedens an.

c) Weiter hat die Staatengemeinschaft durch die Konferenz im UN-Rahmen einmal mehr gezeigt, dass die UNO erfolgreich arbeiten kann und hier der Ort für die Erhaltung des Weltfriedens und die Regulierung von Konflikten zwischen den Staaten ist.

d) Schließlich ist durch die Verhandlungen unter aktiver Einbindung von Organisationen der Zivilgesellschaft ein neues Format erfolgreich praktiziert worden, das sich nun auch für künftige Verhandlungen in der UNO anbietet und der Zivilgesellschaft mit ihren Kompetenzen den ihr gebührenden Platz einräumt.

Welche Pflichten statuiert der Vertrag?

Maßgebend sind dafür nicht die ausführlichen Punkte der Präambel, sondern die in den dann folgenden Artikeln präzise beschriebenen Verpflichtungen - hier insbesondere in Art. 1 des Vertrags:

Die Pflichten nach Art.1 des Verbotsvertrags sind:

Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, unter keinen Umständen jemals

a) Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper zu entwickeln, zu erproben, zu

erzeugen, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu besitzen oder zu lagern;

b) Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber

unmittelbar oder mittelbar an irgendjemanden weiterzugeben;

c) Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber

unmittelbar oder mittelbar anzunehmen;

d) Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper einzusetzen oder ihren Einsatz

anzudrohen;

e) irgendjemanden in irgendeiner Weise zu unterstützen, zu ermutigen oder zu

veranlassen, Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund dieses Vertrags

verboten sind;

f) von irgendjemandem in irgendeiner Weise irgendwelche Unterstützung zu suchen

oder anzunehmen, um Tätigkeiten vorzunehmen, die einem Vertragsstaat aufgrund

dieses Vertrags verboten sind;

g) eine Stationierung, Aufstellung oder Dislozierung von Kernwaffen oder sonstigen

Kernsprengkörpern in seinem Hoheitsgebiet oder an irgendeinem Ort unter seiner

                Hoheitsgewalt oder Kontrolle zu gestatten.“

Der gesamte Vertrag findet sich in englisch und in der Version des deutschen Übersetzungsdienstes bei der UNO hier:

Vertragstext (englisch)  (pdf) und Vertragstext in deutscher Übersetzung (pdf)

Zu irrigen Auffassungen über den Vertrag

Als Beispiel ein Zitat aus einem newsletter des bremer Friedensforums vom 19.7.17

 

122 Staaten verabschiedeten am 7. Juli 2017 bei den Vereinten Nationen in New York einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen. Nach Jahrzehnten stockender Abrüstung senden sie ein klares Signal an die Atomwaffenstaaten: diese Massenvernichtungswaffen sind endgültig delegitimiert (1) . Das völkerrechtlich verbindliche Abkommen (2) verbietet neben der Herstellung, dem Einsatz und Besitz auch die Drohung mit einem Nuklearschlag sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten (3). Damit handelt künftig auch die Bundesregierung mit der nuklearen Teilhabe in der NATO und der Verfügung über US-Atomwaffen in Deutschland gegen geltendes Völkerrecht (4).“


 

Ebenso missverständlich heißt es in dem Flugblatt von IPPNW „Time to go - Atomwaffenverbotsvertrag- Der Weg aus der atomaren Geiselhaft“:


 

Das zukünftig völkerrechtlich bindende Abkommen verbietet neben der Herstellung...auch die Stationierung von Atomwffen in anderen Staaten. Damit wird nach Inkrafttreten des Vertrages die Bundesregierung künftig mit der nuklearen Teilhabe in der NATO und der Verfügung über US-Atomwaffen in Deutschland gegen geltendes Völkerrecht verstoßen (4).“

 

1) In der erneuten und ausdrücklichen Delegitimierung der Atomwaffen liegt sicherlich einer der wichtigen Fortschritte, die durch den Verbotsvertrag erreicht wurden. Doch „endgültig“? Das suggeriert eine zusätzliche rechtliche Verpflichtung; dem ist nicht so.

 

2) Völkerrechtlich verbindlich ist das Abkommen erst, wenn mindestens 50 Staaten den Vertrag nicht nur unterzeichnet, sondern auch ratifiziert und das dem UN-Generalsekretär mitgeteilt haben und dann weitere 90 Tage vergangen sind. Das wird vermutlich nicht vor Herbst nächsten Jahres eintreten. Auch dann - und das ist sehr entscheidend - bindet der Vertrag völkerrechtlich nur die Staaten, die ihn ratifiziert haben.

 

Viele meinen, mit dem Vertrag, der immerhin von fast zwei Dritteln der UN-Staaten unterstützt wird, sei unmittelbar neues Völkergewohnheitsrecht entstanden, mit der Folge, dass der Vertrag jetzt alle Staaten, auch die Atomwaffenmächte, binde. Auch dem ist leider nicht so. Dies könnte nur in (eher ferner) Zukunft eintreten, wenn die Atomwaffenstaaten, die dem Vertrag jetzt scharf widersprechen, selbst in ihrer völkerrechtlichen Praxis die Ächtung der Atomwaffen als verbindlich anerkennen, obwohl sie dem Vertrag noch nicht beigetreten sind.

 

3) „Stationierung in anderen Staaten“ - damit ist hier wohl z.B. gemeint eine Verpflichtung der USA, keine Atomwaffen in der BRD zu lagern. Die USA werden aber durch den Verbotsvertrag zu nichts verpflichtet, weil sie ihn nicht zu zeichnen beabsichtigen, ebenso wenig die BRD, solange sie dem Abkommen nicht beigetreten ist. Die „nukleare Teilhabe“ der BRD ist längst durch den Atomwaffensperrvertrag verboten.

 

(Siehe hierzu IALANA, „Atomzeitalter beenden“, 2017, hier S. 16 ff. - http://www.ialana.de/aktuell/ialana-deutschland-zur-aktuellen-diskussion/ialana-zu-abc-waffen/1882-ialana-deutschland-atomzeitalter-beenden )

 

4) Wenn mit der Passage gemeint sein sollte, dass sich für die Bundesregierung durch die Verabschiedung des Vertrags völkerrechtlich verbindlich irgendetwas geändert haben sollte, ist das ein Missverständnis. Die Bundesregierung und ebenso die Atomwaffenstaaten sind vielmehr völkerrechtlich seit Jahrzehnten durch das Völkergewohnheitsrecht und seit 1968 zusätzlich durch den Atomwaffensperrvertrag, dem sie fast alle wirksam beigetreten sind, verpflichtet.

 

Die auf den Haager Konferenzen von 1907 festgelegten Grundsätze, dass Kriegswaffen nur angewendet werden dürfen, wenn deren Wirkung auf feindliches militärisches Personal begrenzt werden kann und am Konflikt unbeteiligte Zivilisten und „neutrale“ Staaten nicht mit zu Schaden kommen, gelten inzwischen als Völkergewohnheitsrecht und daher unabhängig davon, ob ein Staat den Abkommen von Haag beigetreten ist oder nicht. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Gutachten von 1996 festgestellt, dass die Atomwaffen gegen diese beiden Prinzipien verstoßen und daher ihre Anwendung oder die Drohung mit ihrer Anwendung völkerrechtlich verboten ist. Daraus ergibt sich nach dem Gutachten des IGH auch die völkerrechtliche Verpflichtung für die Atomwaffenstaaten, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen.“

Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag wiederum ist mittlerweile von allen Staaten der Welt ausgenommen Indien, Pakistan und Israel ratifiziert worden. Nordkorea ist beigetreten, hat aber 2003 den Vertrag gekündigt, wobei streitig ist, ob das wirksam ist. In diesem Vertrag verpflichten sich die Nicht-Atomwaffenstaaten, Atomwaffen sowie die unmittelbare und mittelbare Verfügungsgewalt darüber weder zu besitzen noch zu erwerben (Art II). Umgekehrt verpflichten sich die Atomwaffenstaaten, die Nicht-Atomwaffenstaaten nicht beim Erwerb zu unterstützen, und - wie vom IGH als Pflicht festgestellt - ihre eigenen Atomwaffen nach Verhandlungen völlig ab zu rüsten (Art. VI).


15.8.2017 gb